Amokfahrt

Amokfahrt in Mannheim: Das berichten Augenzeugen

Augenzeugen der Amokfahrt in der Mannheimer Innenstadt sind entsetzt und schockiert. Einige von Ihnen haben die Tat mitbekommen, andere die Auswirkungen gesehen. Was die Augenzeugen berichten.

Von 
Kai Plösser
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Beamte der Spurensicherung untersuchen das mutmaßliche Tatfahrzeug an einer Zufahrt zur Rheinbrücke. © picture alliance/dpa

Mannheim. Ein Überwachungsvideo eines Eiscafés in die Planken lässt nur erahnen, wie schnell der Täter in einem schwarzen Kleinwagen bei der Amokfahrt am Montagmittag in Mannheim unterwegs war. Es ist nur ein rund dreißigsekündiger Ausschnitt. Die Zeitangabe des Videos zeigt gerade 12.14 Uhr an, Passanten flanieren nichts ahnend vorbei, nur wenige Sekunden später werden sie Zeuge, wie das Auto mit hoher Geschwindigkeit auf den Straßenbahnschienen vom Wasserturm Richtung Paradeplatz fährt.

Auf anderen Videos, die mit Handys aufgenommen wurden und dieser Redaktion vorliegen, sieht man, wie Menschen mutmaßlich verletzt auf dem Boden liegen, von weiteren Passanten behandelt und vom Rettungsdienst reanimiert werden oder wie sie in Panik wegrennen. Schreie sind zu hören, und Kinderstimmen, die auf Türkisch nach ihrer Mutter rufen.

Frauen suchen Schutz in Dönerladen am Paradeplatz

Bülent As, Mitarbeiter eines Dönerladens am Paradeplatz, kam gerade von der Toilette, die sich im Nebengebäude befindet. Als er aus der Tür des Nebengebäudes herausgetreten sei, kamen ihm gleichzeitig mehrere Frauen entgegen. „Die hatten Angst“, schildert As, wie er den Augenblick der Tat erlebt hat. Die Angst habe er gleich erkannt. „Sie kamen auf mich zu gerannt und haben gefragt: ,Können Sie uns reinlassen?‘“, erzählt er, wie die Frauen Sicherheit bei ihm gesucht haben. Er selbst wusste zu dem Zeitpunkt nicht, was gerade nur wenige Meter von dem Dönerladen entfernt passiert ist. „Aber ich habe natürlich alle reingelassen“, betont As.

„Die Frauen hatten so Angst, furchtbar“, beschreibt er die Stimmung im Treppenhaus. Eine Frau sei hingefallen. „Sie hat gezittert, konnte nicht mehr laufen“, sagt As. Er habe sie nicht alleine lassen wollen, also habe er sich demonstrativ vor die Tür gestellt. Mit der Zeit, als die Gefahrenlage nicht mehr unmittelbar gegeben war, habe er die Frauen dann langsam herausgelassen, schildert As weiter. „Ich dachte, vielleicht sind sie zu Hause sicherer als hier.“

Im Gebäude rechts neben dem Dönerladen (grüne Tür) suchten Frauen Schutz vor dem Amokfahrer. © Kai Plösser

Augenzeugin bricht in Tränen aus

Silvia P., die sich mit ihrem Freund vor dem Stadthaus aufhält, steht der Schock noch ins Gesicht geschrieben. „Ich habe es gesehen“, sagt sie. „Es war ein schwarzer Ford Fiesta“, wirft ihr Freund ein. Zu dem Zeitpunkt hatten sich die beiden gegenüber des Galeria-Kaufhauses aufgehalten. „Hinter dem Greifautomaten lag eine Frau“, erzählt Silvia P. und schildert weiter: „Die konnte sich nicht mehr rühren. Ich habe dann versucht, zu helfen. Später habe ich dann die 110 angerufen. Aber es war belegt.“ Lange habe sie es dort aber nicht ausgehalten. „Ich musste dann weggehen, weil mir das zu viel wurde. Es geht mir ans Herz. Ich konnte einfach nicht mehr“, beschreibt sie ihre Gefühlslage. „Ich habe voll Angst“, sagt sie noch und bricht dann in Tränen aus.

Zwei junge Frauen liefen noch gegen 12.30 Uhr, rund eine Viertelstunde nach der Amokfahrt, durch die Stadt, als diese noch nicht weiträumig abgesperrt war. „Wir dachten, es wäre so viel Polizei da wegen Karneval“, sagt eine von ihnen. „Dann habe ich jemanden auf dem Boden liegen sehen. Die Person war mit einem blauen Tuch abgedeckt. Ich habe nur die Füße gesehen“, sagt sie weiter. Andere Menschen hätten mit Jacken versucht, einen Blickschutz zu bilden. Die beiden seien dann weitergelaufen und hätten registriert, dass die Läden geschlossen waren. Ein Geschäft habe sie dann aber reingelassen. „Dann haben wir die Gefahrenwarnung aufs Handy bekommen.“

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Ein Mitarbeiter eines Umzugsunternehmens hat nach eigenen Angaben Teile der Tat mitbekommen. Er war gerade mit seinem Fahrzeug am Wasserturm in Richtung Innenstadt unterwegs, als er gesehen habe, wie das Auto auf Höhe eines Schnellrestaurants am Plankenkopf zwei Menschen angefahren habe, die nach dem Aufprall auf dem Boden liegen geblieben sind. Kurze Zeit später habe ihm die Polizei abrupt die Vorfahrt genommen und ihn daraufhin gebeten, sein Fahrzeug stillzulegen. Nun müsse er eine Zeugenaussage machen, erzählt er.

Augenzeuge fühlt sich an Messerattacke auf dem Marktplatz erinnert

„Das ist jetzt nach dem Herrn Laur der zweite Anschlag hier. Das ist noch gar nicht so lange her – und jetzt schon wieder“, ist der Mann entsetzt und macht sich Sorgen um die Zukunft. „Man fühlt sich nicht mehr sicher. Die Kinder sind nicht mehr sicher, ich weiß nicht mehr, was ich meiner Frau sagen soll.“ Sie habe das gar nicht glauben wollen, was passiert ist. „Die dachte eben am Telefon, das war ein schlechter Scherz.“

Angst hat auch Bülent As, der Mitarbeiter des Dönerladens am Paradeplatz. Aber nicht um sich selbst, „sondern um das Volk und dessen Sicherheit“. Ohne die Hintergründe der Tat zu kennen, die zu dem Zeitpunkt nicht bekannt sind, schaltet As in einen Rechtfertigungsmodus. Er selbst sei Ausländer, ein Deutsch-Türke, und dazu noch ein Muslim. „Wie schauen jetzt wieder die Deutschen auf uns“, macht er sich Gedanken.

Er spricht von Zusammenhalt und dass es möglich sein muss, gemeinsam hier Seite an Seite friedlich zu leben. „Wir leben hier zusammen mit den Deutschen. Viele halten das hier auch für ihr Land“, ist As sicher. „Wir dienen hier, es gibt Türken und andere Ausländer bei der Bundeswehr und der Polizei“, betont er und macht deutlich: „Wir wollen auch in die Zukunft mit Deutschland.“ Der Tatverdächtige war ein deutscher Staatsangehöriger aus Ludwigshafen, sollte später Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) sagen.

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