Noch keine Kastrationspflicht

Alle freilaufenden Katzen in Mannheim sollen gekennzeichnet werden

Wer in Mannheim seine Katze nicht nur in den eigenen vier Wänden hält, muss sie nach dem Willen der Stadt künftig vom Tierarzt kennzeichnen lassen - sonst droht die Kastration. Welche Vierbeiner davon genau betroffen sind

Von 
Steffen Mack
Lesedauer: 
Diese ausgesetzte Katze (mit einer leichten Entzündung am rechten Auge) hat ihre neue Besitzerin Anke Feil dann kastrieren lassen. © Politik-für-die-Katz.de

Mannheim. Stubentiger, die nur in den eigenen vier Wänden gehalten werden, sind nicht betroffen. Sondern mindestens fünf Monate alte „freilaufende“ Tiere. Das wird von der Stadt Mannheim in schönster Amtsprosa definiert als Katze, die „sich ganz überwiegend frei bewegen kann und weder die Haltungsperson noch eine von ihr beauftragte oder für sie handelnde Person jederzeit auf ihr Bewegungsverhalten Einfluss nehmen kann“. Auch ohne tiefergehende Expertise lässt sich schon aus purer Anschauung vermuten, dass dies auf eine überwältigende Mehrheit zutrifft.

Die Beratungsfolge

Mit der Katzenschutzverordnung wird sich an diesem Donnerstag zunächst der Ausschuss für Sicherheit und Ordnung befassen.

In der um 16 Uhr beginnenden Sitzung ist das der sechste Punkt auf der Tagesordnung. Sie wird im Internet unter www.mannheim-videos.de live übertragen, dort ist sie dann auch ab Freitagmorgen abruf- und spulbar.

Die endgültige Entscheidung trifft der Gemeinderat am 13. Dezember. Wenn zuvor im Ausschuss bereits abgestimmt wurde, ist das aber in aller Regel nur noch Formsache. sma

Bei all diesen Katzen müssen ihre Frauchen und Herrchen nach dem Willen der Stadtverwaltung künftig dafür sorgen, dass sie von Tierärzten gekennzeichnet und registriert sind. Also entweder mit einem implantierten Mikrochip oder einer Tätowierung am Ohr. Andernfalls droht eine Zwangskastrierung. Die hätten sich Kritiker direkt gewünscht.

Nicht zum Schutz von Vögeln

Anders als in Walldorf, wo zum Schutz der Haubenlerche eine Art Ausgangssperre für Katzen erlassen wurde, geht es hier nicht um deren starke Neigung zum Töten anderer Tiere. Sondern um sie selbst, nämlich um wildlebende Katzen. Die anders als echte Wildkatzen nicht für die freie Natur gemacht sind und oft Krankheiten bekommen, die sich durch unkontrollierte Vermehrung weiter ausbreiten. Dabei mischen dann auch Hauskatzen unheilvoll mit, sofern nicht kastriert.

Zahl der Streuner unklar

Das ist ein bundesweites Problem, bei dem der Gesetzgeber die Kommunen schon 2013 zum Eingreifen ermächtigte. In Mannheim hat das dann erstmals 2019 die LI.PAR.Tie-Fraktion beantragt, der auch Andreas Parmentier von der Tierschutzpartei angehört. Die Grünen haben sich dem später angeschlossen. Das Ziel war zunächst allerdings, direkt eine Kastrationspflicht für alle freilaufenden Katzen einzuführen.

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

Das ging der Verwaltung zu weit. Sie argumentiert vor allem rechtlich. So sei fraglich, ob es in Mannheim die erforderliche Mindestzahl wildlebender Katzen gebe. Das müssten um die 7000 sein. So viele wurden bei den für die Verordnung notwendigen Erhebungen - auch mit Hilfe von Tierärzten und Bürgern - nicht annähernd festgestellt. Wobei natürlich von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. So gibt es an einigen Stellen im Stadtgebiet schon auffallende Bestände solcher Streuner. Oftmals handelt es sich um von US-Soldaten beim Abzug ausgesetzte Kasernen-Katzen, beziehungsweise mittlerweile deren Nachfahren.

Jedenfalls setzt die Stadt als milderes Mittel zunächst auf eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht. Die soll ab Mitte 2023 gelten und nach eineinhalb Jahren bewertet werden. Sollte sich herausstellen, dass sie nicht ausreicht, könnte die Kastrierungspflicht noch kommen.

Eine solche hätte sich auch die bisherige städtische Tierschutzbeauftragte Christina Eberle direkt gewünscht. In einer Stellungnahme, der sich ihre Nachfolgerin Nina Rossel angeschlossen hat, nennt die Grünen-Stadträtin die Voraussetzungen dafür ausreichend. Gleichwohl spricht sie „von einem Schritt in die richtige Richtung“.

Mehr zum Thema

Speyer

Kastration wird Pflicht für Katzen

Veröffentlicht
Von
Kai Plösser
Mehr erfahren
Interview

Mannheimer Tierschutzbeauftragte: Warum Schlachten im Bauernhof besser ist als Massentöten im Schlachthof

Veröffentlicht
Von
Lisa Uhlmann
Mehr erfahren
Tierrettung

Tierschützer finden 46 verwahrloste Katzen auf stillgelegtem Bauernhof

Veröffentlicht
Von
Iris Kleefoot
Mehr erfahren

So sieht das auch Thomas Gebhardt, der Vorsitzende des Mannheimer Tierschutzvereins. Beziehungsweise sah er, denn in der Beschlussvorlage steht plötzlich eine Passage, die ihn sehr ärgert: dass nicht-gekennzeichnete Katzen, die aufgegriffen werden, vor einer Kastration vier Wochen im Tierheim bleiben sollen. Damit ihre Besitzer sie abholen und noch markieren lassen können.

Tierheim davon überlastet?

„Dann hätte man sich das Ganze besser gespart“, schimpft Gebhardt. Dem Tierheim sei das nicht auch noch zuzumuten. Er hoffe, dass der Passus bei den Beratungen im Sicherheits- und Ordnungsausschuss an diesem Donnerstag gestrichen werde. Erste positive Signale gebe es.

Heftige Kritik kommt von der bundesweiten Initiative „Politik für die Katz“. Diese Verordnung, deren Erarbeitung mehr als drei Jahre gedauert habe, sei enttäuschend. Mehr als 1000 Kommunen hätten eine deutlich weitergehende Lösung gefunden. Auf Anfrage sagt Sprecherin Anke Feil, Aktivistinnen aus Mannheim hätten sie auf die Situation hier aufmerksam gemacht. Diese Frauen würden sich seit Jahren privat um wildlebende Katzen kümmern.

Verordnungsentwurf und Anlagen: www.bit.ly/3UzFWnD

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen