Mannheim. Taubenhasser, falsche Tierliebe und illegaler Welpenhandel: Darüber und warum Schlachten im Bauernhof besser ist als das Massentöten im Schlachthof spricht Christina Eberle zum Amtsende als Mannheimer Tierschutzbeauftragte.
Frau Eberle, wie gut achten die Mannheimer auf ihre Tiere und die Umwelt?
Christina Eberle: Ich habe festgestellt, dass sich viele Mannheimer und Mannheimerinnen für Tiere engagieren. Gerade in den letzten fünf Jahren meiner Arbeit habe ich so viele Ehrenamtliche kennengelernt, die zum Beispiel streunende Katzen auf eigene Kosten pflegen, kastrieren und füttern. Oder Igeln helfen, zu überwintern. Es gibt auch Ehrenamtliche, die aus dem Nest gefallene Vögel zuhause wieder aufpäppeln und anschließend auswildern. Und Vereine, die - wie der Futteranker - Tierschutzarbeit leisten. Das beeindruckt mich immer wieder. Auf der anderen Seite gibt es leider auch Menschen, die Tiere schlecht behandeln. Es gibt auch immer wieder Fälle von sogenanntem Animal Hoarding (krankhaftes Sammeln und Halten von Tieren, Anm. d. Red.). Das ist krankhaft und hat mit Tierliebe nichts mehr zu tun. Bei mir laufen oft Anzeigen ein, die ich dann an die Tierschutzbehörde weitergebe.
Was sind das für Fälle?
Eberle: Da geht es beispielsweise um Besitzer, die Hunde schlecht halten oder schlagen, um ausgelegte Giftköder und um Taubenhasser, die auf Vögel schießen.
Offenbar gibt es viele ehrenamtliche Tierschützer in Mannheim. Warum braucht die Stadt eine Tierschutzbeauftragte?
Eberle: Ich vertrete die Stimme der Tiere und deren Interessen. Als neutrale Schnittstelle zwischen Stadt und Tierschützenden kann ich mich unabhängig für ihre Belange starkmachen. Ein Beispiel sind die Nilgänse. Das sind ungeliebte Vögel, weil ihre Hinterlassenschaften auf Wiesen oder in Schwimmbädern zu finden sind. Das Problem ist unter anderem, dass dort das Nahrungsangebot durch weggeworfene Essensreste groß ist. Einige Menschen füttern sie auch, etwa im Luisenpark. Und schnell wurde der Ruf nach der Jagd laut. Deshalb habe ich eine Handlungsempfehlung erarbeitet, wie man mit den Nilgänsen am besten umgeht. Denn sie einfach zu töten, ist natürlich keine tierschutzverträgliche Lösung.
Christina Eberle
Christina Eberle ist 34 Jahre alt und in Heidelberg geboren. Eberle hat Jura in Heidelberg und München studiert und als Staatsanwältin in Hamburg gearbeitet.
Heute ist sie als Rechtsanwältin tätig, wohnt auf dem Lindenhof und sitzt für die Grünen als Stadträtin im Mannheimer Gemeinderat.
Auf Initiative der Grünen Fraktion im Gemeinderat wurde die ehrenamtliche Position der Tierschutzbeauftragten der Stadt geschaffen, sie ist auf kommunaler Ebene deutschlandweit bislang einzigartig.
Eberle wurde vom Gemeinderat für eine Amtszeit von fünf Jahren zur Tierschutzbeauftragten benannt.
Ihre Amtszeit endet am 31. August 2021. Aus beruflichen Gründen will die dreifache Mutter nicht zur Wiederwahl antreten, eine Nachfolgerin oder ein Nach-folger ist offiziell noch nicht benannt. Eberle will sich nun verstärkt politisch für den Tierschutz engagieren.
Was war Ihre Empfehlung?
Eberle: Mit sogenannten Vergrämungsmaßnahmen wie etwa Gras aufwachsen lassen oder Styroporkugeln auf dem Wasser lassen sich die Gänse viel effizienter vertreiben. Wichtig ist auch, dass sie weniger Nahrung vorfinden. Das lässt sich zum Beispiel durch Hinweisschilder oder verschließbare Mülleimer erreichen. Genau für diese Fälle braucht es eine Tierschutzbeauftragte. Mir war es wichtig, auch für diese „ungeliebten Tiere“ einzutreten, die nicht wie Katzen oder Hunde eine Lobby haben.
Viele wollten sich in der Pandemie ein Haustier anschaffen. War das auch im Mannheimer Tierheim spürbar?
Eberle: Tatsächlich gab es dort eine höhere Nachfrage, viele wollten Hunde und Katzen adoptieren. Auch weil einige im Homeoffice gearbeitet haben.
Das klingt eigentlich gut …
Eberle: Neben der Nachfrage im Tierheim hat leider auch der illegale Welpenhandel zugenommen. Das Tierheim achtet darauf, etwa Hunde oder Katzen nur nach einer guten Prüfung an Bewerbende abzugeben, gerade bei Kampfhunden. Da wird auch sehr verantwortungsvoll geschaut, welcher Hund zu welchem Halter passt. Der illegale Handel übers Internet ist leider spottbillig. Außerdem braucht man keine Nachweise. Über das Tierheim einen passenden Hund zu finden, ein paar Mal Gassi zu gehen, ist deutlich aufwendiger, als sich einen Billighund aus dem Kofferraum zu holen. Das hat leider merklich zugenommen und ist ein sehr großes Problem. Der illegale Welpenhandel wurde befeuert durch die erhöhte Nachfrage nach Haustieren.
Ist diese Nachfrage nach Haustieren denn weiterhin ungebrochen hoch?
Eberle: Ja, weil viele noch immer von zuhause aus arbeiten. Allerdings ist die Befürchtung groß, dass es bald einen Anstieg von abgegebenen Haustieren geben wird. Denn was ist in drei Jahren, wenn alle wieder zurück ins Büro müssen und keine Zeit mehr für einen Hund haben? Deshalb ist es wichtig, darüber aufzuklären, dass Hunde oder Katzen lange leben, und Beratung zur Heimtierhaltung zu geben. Kinder wünschen sich oft einen Hamster oder ein Kaninchen. Aber diese Nagetiere sind für Kinder meist ungeeignet, weil sie nachtaktiv sind. Oft werden sie auch noch allein und in viel zu kleinen Käfigen im Kinderzimmer gehalten. Dort ist es tagsüber laut und hell. Das verstehen die Kinder natürlich nicht, aber die Eltern. An sie muss man appellieren: Das sind Lebewesen, keine Spielzeuge, die man einfach in die Ecke stellt. Eltern sollten sich also fragen: Kann ich die Bedürfnisse eines Haustiers auch über Jahre erfüllen?
Wie verhindert man solche falschen Haltungen?
Eberle: Man muss früh eine Sensibilität dafür schaffen, dass Haustiere auch Lebewesen sind. Dafür habe ich das Projekt „Tierschutzstunde im Kindergarten“ gestartet. Da sprechen wir mit den Kindern auch darüber, ob sie zuhause genug Platz und Zeit für ein Tier haben.
Das beugt vielleicht später mal überforderten Besitzern vor …
Eberle: Genau. Gerade bei Reptilien ist das ein Problem, das Tierheim ist voll davon. Da gibt es Geschichten von Schlangen, die auf dem Feld ausgesetzt wurden. Reptilien sind als Haustiere gerade in Mode. Im Internet kann sich jeder ohne Fachwissen eine große Giftschlange kaufen. Manche kaufen sich Jungtiere, die später riesig werden, und wissen dann nicht mehr wohin damit. Wenn das Tierheim voll ist, werden die Reptilien einfach ausgesetzt. Das ist sehr erschreckend. Reptilien sind keine Haustiere. Da muss man wirklich viel Aufwand betreiben, um sie artgerecht zu halten. Auch sehr viele verhaltensauffällige Hunde werden abgegeben, weil die Besitzer nicht richtig mit ihnen umgehen können. Deswegen ist ein Sachkundenachweis für Hunde, der landesweit bald eingeführt wird, sehr wichtig. Eigentlich wäre ein solcher Nachweis für jede Tierhaltung sinnvoll.
Hat die Pandemie auch die Mannheimer Tierwelt beeinflusst?
Eberle: Gerade in der Innenstadt gab es während des Lockdowns weniger Essensreste. Das hat besonders den Tauben zu schaffen gemacht. Schon in der ersten Welle war das ein großes Problem, denn die Tiere waren kurz davor, zu verhungern. Dazu wurde ich von sehr vielen Bürgern angeschrieben, und auch die Tierschutzvereine haben Alarm geschlagen - man musste schnell handeln. So konnte ich bei der Verwaltung eine Ausnahmegenehmigung für Notfütterungen erreichen. Schließlich ist das Füttern von Tauben ansonsten verboten. Ein weiterer positiver Effekt dabei: Die Vögel haben schnell gelernt, wo es Futter gibt. So konnte sie umgelenkt werden, weg von der Fußgängerzone. Dies war auch im Sinne der Gastronominnen und Händler.
Nach dem Schlachthof-Aus fragen sich regionale Landwirte, wo sie nun ihre Tiere schlachten sollen. Gibt es dafür eine Lösung?
Eberle: Der Mannheimer Schlachthof war kein Vorzeigebetrieb. Der Schlachthof war immer ein Großbetrieb, viele Tiere wurden von weit her, etwa aus Norddeutschland, dorthin gekarrt. Da von Regionalität zu sprechen, finde ich schwierig. Natürlich gibt es wenige Bauern im Umkreis, die hier geschlachtet haben.
Würden sie sich für einen neuen Schlachthof aussprechen?
Eberle: Nein. Und auch eine Weiterführung wäre aus Tierschutzsicht nicht zu begrüßen gewesen. Aufgrund der baulichen Voraussetzungen und Umbaumaßnahmen, die man vornehmen müsste, um das vorbildlich weiter zu betreiben. Das wäre mit riesigen Geldsummen verbunden. Wenn man einen Schlachthof betreibt, muss er vorbildlich geführt werden. Es gab genügend Schlachthof-Skandale, bei denen man gesehen hat, wie mit den Tieren umgegangen wird. Oft liegt das auch am Gebäude selbst, die zu engen Treibwege lassen sich nicht so schnell umbauen. Es braucht Unterbringungsmöglichkeiten für die Tiere, die einen Tag vorher angeliefert werden.
Was ist die Alternative dazu?
Eberle: Uns muss klar sein, dass wir auf einem guten Tierschutzniveau nicht diese Mengen an Fleisch konsumieren können. Man muss weg von der Massenschlachtung, hin zur regionalen und mobilen Schlachtungen. Es gibt bereits Alternativen, wie etwa die Schlachtbox, was aber noch nicht üblich ist. Es müssen auch die rechtlichen Voraussetzungen verbessert werden, um vor Ort am Hof schlachten zu können.
Was war die größte Herausforderung in Ihrer Amtszeit?
Eberle: Es gab immer wieder Herausforderungen. Ich habe immer viel recherchiert, mich gut vorbereitet. Das Spektrum meiner Tätigkeit war breit. Unter anderem habe ich auch an einer Sitzung der Kommission zur Genehmigung von Tierversuchen teilgenommen, mir Nutztierhaltungen in Mannheim angeschaut, mich mit der Katzenschutzverordnung befasst. Am wichtigsten war für mich, immer dranzubleiben und standhaft zu sein. Ich habe natürlich auch Gegenwind bekommen. Um sich zu behaupten, war Fachwissen wichtig. Deshalb habe ich mich oft mit Experten ausgetauscht.
Ihre Bilanz nach fünf Jahren?
Eberle: Die ist positiv. Ich konnte für den Tierschutz vieles anstoßen, bewegen und voranbringen. Und habe Tieren eine Stimme gegeben, wo sie sonst keine gehabt hätten. Darauf bin ich stolz.
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