Tierrettung - 46 Tiere in erbärmlichem Zustand auf Weinheimer Bauernhof gefunden

Tierschützer finden 46 verwahrloste Katzen auf stillgelegtem Bauernhof in Weinheim

Von 
Iris Kleefoot
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Die erwachsenen Tiere mussten in Lebendfallen gefangen werden. © Ivonne Heubach

Weinheim. Die Fotos machen sprachlos: kleine Kätzchen, unterernährt und mit verklebten Augen, teilweise blind, eines mit einem gebrochenen Bein. Die großen Katzen teilweise zu schwach, um ihren Nachwuchs zu säugen. Kaum eines der Tiere ist gesund, die meisten todkrank. Katzenleichen liegen im Dreck. Das Leid, das die Mitarbeiter des Weinheimer Tierheims und die vielen ehrenamtlichen Helfer seit der vergangenen Woche zu Gesicht bekommen, macht fassungslos.

„Ein unvorstellbares Elend“, sagt Jutta Schweidler, Leiterin des Weinheimer Tierheims, angesichts der Situation, mit der sich die Tierschützer auf einem stillgelegten Bauernhof in der Weidsiedlung konfrontiert sehen. Sie ist entsetzt: „So etwas hatten wir schon sehr lange nicht mehr.“

Aufmerksam wurden die Tierschützer auf den Fall durch Passanten, die bei einem Spaziergang eine kranke Babykatze in der Nähe des Hofes beobachtet hatten und sofort die Polizei verständigten. Die informierte direkt die Tierrettung Rhein-Neckar, die wiederum Verstärkung vom Tierheim Weinheim anforderte. Jutta Schweidler: „Schon bei der Ankunft auf dem Hof war klar, dass es sich um mindestens ein Dutzend kranken Katzen handeln musste.“ Doch das wahre Ausmaß überstieg alle Befürchtungen.

Entzündete Augen haben fast alle der kleinen Kätzchen. © Ivonne Heubach

Mit Zustimmung der betagten Bewohnerin durchforsteten die Helfer den Hof und den Heuboden der Scheune - auf der Suche nach Katzen, die ihre Hilfe brauchen. Und das taten sie alle. Die ganze Woche über waren die Tierschützer abends und bis spät in die Nacht vor Ort, um die Katzenbabys einzusammeln und die erwachsenen Katzen in Lebendfallen zu fangen, damit sie anschließend von Tierärzten behandelt werden konnten.

Andere Tierheime helfen

Das erschreckende Ergebnis bisher: 20 Babykätzchen und 26 erwachsene Katzen. Eine Menge, die selbst die erfahrenen Mitarbeiter des Tierheims und die ehrenamtlichen Helfer um Tierschützerin Ivonne Heubach überrascht. „Ohne das Engagement von Ivonne und ihrer tollen Gruppe hätten wir es nie geschafft, die Tiere dort rauszuholen und medizinisch versorgen zu lassen“, ist Jutta Schweidler dankbar.

Auch andere Tierheime ließen sich nicht lange bitten. Sie folgten einem Aufruf der Weinheimer Kollegen, in dem es hieß: „Wir werden aktuell überhäuft von Kitten in katastrophalen Zuständen. Es werden täglich mehr und unsere Kapazitäten sind ausgereizt.“ Die Hilfe kam prompt - von der Tierschutzinitiative Odenwald, der Katzen-Auffangstation „Arche Noah“ in Ketsch, vom Tierhilfeverein „Kellerranch“ in Weiterstadt, aber auch von Privatpersonen. Sie übernahmen einige der kranken Tiere, um sie gesund zu pflegen. „Mittlerweile sind alle kleinen Kätzchen, die wir bisher gefunden haben, gut unter“, freut sich Jutta Schweidler. Wenn sie vollständig genesen sind, können sie an Tierfreunde vermittelt werden. Eine Welle der Hilfsbereitschaft erreichte das Tierheim auch durch die vielen Menschen, mit denen es in den sozialen Medien verbunden ist. Die Posts zur Tierrettung wurden hundertfach geteilt. So erhielt das Tierheim Weinheim dringend nötige finanzielle Unterstützung, ohne die die Tierarztkosten nicht zu stemmen wären. Neben der Behandlung von Krankheiten - bei einigen muss aufgrund von Virusinfektionen ein Auge entfernt werden - stand die Kastration der zumeist weiblichen Katzen an - mit Zustimmung der Besitzerin.

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Mittlerweile sind die Katzen wieder fit und sind am Wochenende zurück auf den Hof gekommen. Ein Umstand, der bei Jutta Schweidler ein mulmiges Gefühl im Magen auslöst. Sie hat den Vorfall am Donnerstag dem Veterinär- und dem Ordnungsamt gemeldet. Auch deshalb, weil diese die Katzenhaltung auf dem ehemaligen Bauernhof bereits vor Jahren im Visier hatten. Doch damals gab es keine Handhabe.

„Hier ist eindeutig etwas aus dem Ruder gelaufen“, sagt Jutta Schweidler und fügt ergänzend hinzu: „Hätten wir schon früher eine Katzenschutzverordnung gehabt, die die Population von verwilderten Katzen einschränkt, wäre es so weit nicht gekommen.“

Aus dem Rathaus heißt es auf Nachfrage: „Oberbürgermeister Manuel Just beabsichtigt unabhängig vom aktuellen Vorfall, das Thema Katzenschutzverordnung umfassend vorbereiten zu lassen. Unser Ordnungsamt steht mit dem Tierschutzverein in Kontakt, damit hier belastbare Zahlen herangezogen werden können.“ Eine gewissenhafte Vorbereitung sei nötig, weil der Gemeinderat eine solche Verordnung beschließen muss.

Katzenschutzverordnung

  • Das Land Baden-Württemberg hat den Erlass einer Katzenschutzverordnung auf die Kommunen übertragen. Derzeit haben 34 Kommunen eine Verordnung, allerdings keine Stadt im Rhein-Neckar-Kreis.
  • Eine Katzenschutzverordnung würde für alle Katzen mit Freigang gelten und beinhaltet:
  • die Kastration,
  • die Kennzeichnungspflicht durch den Halter (mittels Tätowierung oder Mikrochip durch den Tierarzt)
  • die Registrierung der Katze (kostenfrei, zum Beispiel in Portalen wie Findefix, dem Haustierregister des Deutschen Tierschutzbundes oder Tasso).
  • Spendenkonto des „Tierschutz Weinheim und Umgebung e. V.“: Sparkasse Rhein Neckar Nord, DE80 6705 0505 0063 0356 61, BIC: MANSDE66XXX oder via paypal unter paypal.me/tierheimweinheim. 

Das Weinheimer Ordnungsamt hält es allerdings für problematisch, dass die Verordnungsvorgaben des Landes Baden-Württemberg in diesem Fall keine Sanktionsvorgaben vorsieht. Das heißt, ein Verstoß gegen die Verordnung hätte keine Konsequenzen für den Verursacher. Dadurch bestehe die Gefahr, dass eine Katzenverordnung im wahrsten Sinne des Wortes ein „Papiertiger“ wird.

Pressesprecher Roland Kern erklärt: „Seitens des Gesetzgebers wirkt hier für eine Umsetzung vor Ort manches noch etwas wenig ausgereift. Das soll es aber nicht sein. Wenn es eine Katzenverordnung geben soll, sollte sie wirklich auch Verbesserungen bewirken und bei den Tieren ,ankommen‘, ansonsten entsteht nur Bürokratie. Aus diesem Grund wollen wir das Thema für den Gemeinderat sorgfältig vorbereiten.“

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