Mannheim. Nach Baustopps und der Ankündigung der vorzeitigen Schließung mehrerer Kindertagesstätten durch die Evangelische Kirche (Ekma) gibt es weitere Rückschläge beim geplanten Ausbau der Kita- und Krippenplätze. Die Ekma, nach der Stadt der größte Träger von Betreuungseinrichtungen in Mannheim, kündigte gegenüber der Verwaltung an, zum kommenden Kindergartenjahr aller Voraussicht nach in sieben Einrichtungen insgesamt 75 Kita-Plätze nicht vergeben zu können.
Außerdem hat sie ihr Grundstück im Rottannenweg in der Gartenstadt - auf dem bis vor kurzem eine eingruppige Kita war - an einen Immobilienentwickler verkauft, der dort Wohnraum schaffen möchte. Die Stadt hätte dieses Grundstück gerne selbst erworben und darauf eine dreigruppige Kita gebaut - als Teil der Standortkonzeption für den Bereich Waldhof/Gartenstadt.
Mail mit harten Vorwürfen
Beide Vorgänge sorgen seit ein paar Tagen hinter den Kulissen für große Unstimmigkeiten. Dem „Mannheimer Morgen“ liegt eine E-Mail vor, die Bürgermeister Dirk Grunert am 2. März an die jugendpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Gemeinderatsfraktionen verschickte. Darin schreibt er, die Kirche habe die Liegenschaft im Rottannenweg - und auch eine weitere in der Hessischen Straße - „entgegen der persönlichen Zusage, die ich von Dekan Hartmann hatte, nicht an die Stadt verkauft“. Grunert schreibt von einem „klaren Vertrauensbruch“. Die Stadt sei sogar bereit gewesen, einen höheren Kaufpreis zu zahlen. Aber auch das habe die Kirche ausgeschlagen, um „einen noch höheren Preis“ zu erzielen.
75 Plätze auf der Kippe
- Derzeit geben Eltern über das städtische Meldesystem Meki ihre Wunsch-Kitas an.
- Die Evangelische Kirche hat vor kurzem 75 Plätze in sieben Einrichtungen aus dem Meki-Angebot genommen.
- Als Grund nennt Dekan Ralph Hartmann Personalmangel, für das neue Kita-Jahr im Herbst fehlten noch Fachkräfte.
- Um Eltern keine falschen Hoffnungen zu machen, müssten die Plätze deshalb aus dem Angebot genommen werden – zumindest vorerst.
- Auch wolle man Erzieherinnen und Erzieher nicht in die Situation bringen, „in einer Art tolerierten Unterbesetzung ihre Aufsichtspflicht zu verletzen“.
- „Das ist in der Tat schwierig und unangenehm. Aber wir können doch die Augen vor der Wirklichkeit nicht verschließen“, so Ralph Hartmann.
- Dekan Hartmann betont, dass man die Plätze nicht streiche: „Sollte es im Laufe der kommenden Monate zu Verbesserungen der Personalsituation kommen, so werden wir die betreffenden Plätze umgehend vergeben.“
Von der Mail des Bürgermeisters habe er am Montag über eine Anfrage des „Mannheimer Morgen“ erfahren, so Dekan Ralph Hartmann. Er stellt die Vorgänge anders dar als Grunert. Zunächst: Zu keinem Zeitpunkt habe es „die Zusage gegeben, die Grundstücke auf jeden Fall an die Stadt Mannheim zu verkaufen“. Dennoch sei man wegen des Verkaufs auf die Stadt zugegangen. Im November 2021 habe die Kirche der Stadt beide Grundstücke „zu einem Preis angeboten, der unter dem Niveau der privaten Angebote liegt“. Darauf sei die Stadt „leider nicht eingegangen“. Nachdem man bis Ende 2021 nichts gehört habe, sei der Verkauf im privaten Bereich erfolgt - zu einem höheren Preis.
Die zusätzlichen Erlöse seien aber auch dringend nötig, begründet Hartmann den Abschluss. Denn einmal mehr hätten sich inzwischen die Baupreise deutlich erhöht. Hartmann: „Allein im Bereich unserer im Bau- oder in einer finalen Planungsphase befindlichen Kita-Bauprojekte ist so eine Finanzierungslücke von ca. 3 Mio. Euro entstanden.“ Ohne die jetzt erzielten Mehrerlöse „hätten wir mangels Finanzierung über den Stopp weiterer Neubauprojekte und den Verlust weiterer Kita-Plätze sprechen müssen.“
Was den Standort Hessische Straße angeht, werde es dort sehr wohl wieder eine Betreuungseinrichtung geben. „Dies ist im Grundbuch eingetragen“, betonte Hartmann. Der Käufer des Grundstücks werde dort eine Kita bauen. „Darüber hinaus sollen durch einen mehrstöckigen Bau auch hier Wohnungen im mittleren Preissegment entstehen.“
Fraktionen melden sich zu Wort
Inzwischen haben sich an diesem Mittwochvormittag Hartmann, Grunert, Baubürgermeister Ralf Eisenhauer und Kirchendirektor Steffen Jooß zu einem klärenden Gespräch getroffen. Man habe die im Raum stehenden Vorwürfe besprochen und die „Missverständnisse und Fehler, die beidseitig gemacht wurden“, ausführlich aufgearbeitet, teilte Hartmann mit. Außerdem habe die Runde „Möglichkeiten abgestimmt“, um solche schwierigen Situationen künftig zu vermeiden.
Am Mittwochnachmittag meldeten sich dann auch mehrere Gemeinderats-Fraktionen zu Wort. Für die Freien Wähler/Mannheimer Liste sprach Fraktionsgeschäftsführer Hartmut Beck von einem „Kommunikationsdesaster“. In dem „unschönen Konflikt“ mit Grunert und Hartmann als Protagonisten stehe „Wort gegen Wort“. Dabei sei es doch müßig, „Verantwortliche für die fehlende Kommunikation auszudeuten“. Stattdessen hält die ML es für „dringend notwendig“, dass alle Beteiligten sich zusammensetzten, „um derartige Pannen zumindest in Zukunft zu verhindern“.
Dekan Hartmann: "emotional belastendes Thema"
Stefanie Heß (Grüne) wünscht sich, dass freie Träger, die Kitas aus personellen oder finanziellen Gründen nicht mehr weiterbetreiben, „der Stadt Mannheim die Möglichkeit geben, zu fairen Bedingungen zu übernehmen“. Sie und LiParTie-Stadträtin Nalan Erol fordern gemeinsam „die Evangelische Kirche und die Stadtverwaltung auf, in weiteren Gesprächen Lösungen für die akute Situation zu finden. Beide zur Diskussion stehende Standorte müssen für Kitas erhalten bleiben.“
Bereits am 3. März hatte Birgit Reinemund für FDP/MfM-Fraktion betont, die Stadt hätte die Grundstücke frühzeitig im Grundbuch als Kita-Standorte sichern müssen. In Zukunft gelte es, über ein Vorkaufsrecht oder eine Festschreibung im Bebauungsplan unerwünschte Entwicklungen zu verhindern.
Dekan Ralph Hartmann räumt unumwunden ein, dass die Kita-Versorgung „ein emotional belastendes Thema für alle Beteiligten“ sei. „Anschuldigungen“ brächten allerdings nichts. Die Kirche biete „unsere konstruktive Mitarbeit bei der Lösung der Probleme an. Allerdings können und dürfen wir die Augen vor der Wirklichkeit nicht verschließen. Den Personalmangel können wir nicht übersehen. Die explodierenden Baukostenpreise auch nicht.“
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