Betreuung - Neben zwei evangelischen Kitas schließt im Sommer auch die katholische Einrichtung St. Nikolaus

Politik fordert schnelleren Ausbau von Kita-Plätzen in Mannheim

Von 
Bertram Bähr
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Eine der beiden evangelischen Einrichtungen, die im Sommer schließen werden, ist die Kita Elia im Füllenweg auf dem Scharhof. © Angelika Engler

Mannheim. Hunderte Eltern suchen händeringend einen Krippen- oder Kitaplatz. Seit Jahren hat sich daran nichts geändert. Und so stellte der Stadtelternbeirat (STEB), die Vertretung für städtische Betreuungseinrichtungen, schon mehrfach fest, dass die ungewisse Situation „Eltern schlaflose Nächte bereitet – weil da teilweise Existenzen dranhängen“. Oft müssen Arbeitsplätze aufgegeben oder die Arbeitszeit reduziert werden, um der Lage einigermaßen Herr zu werden.

Belastend kann es allerdings auch schon sein, wenn Kinder die gewohnte Umgebung verlassen und in eine andere Einrichtung wechseln sollen. Das steht im Sommer zum Beispiel denen bevor, die derzeit die Kindertagesstätten im Füllenweg auf dem Scharhof oder in der Mönchwörthstraße auf dem Almenhof besuchen. Denn die Evangelische Kirche hat am 14. Januar angekündigt, die beiden Standorte im August zu schließen.

Bei Eltern und Erzieherinnen floßen Tränen

Bei einer Elternversammlung in der Neckarauer Markuskirche und auch schon im Vorfeld „vergossen Eltern und Erzieherinnen viele Tränen“, berichtet eine betroffene Mutter dem „Mannheimer Morgen“. Sie selbst war schon als Kind dort, „meine drei großen Kinder waren dort, und unser Jüngster soll jetzt die Einrichtung verlassen. Unbegreiflich für alle Beteiligten.“

Eine weitere evangelische Kita in der Schwarzwaldstraße auf dem Lindenhof schließt vorzeitig im Sommer 2023. Und am Mittwoch wurde überdies bekannt, dass die Katholische Kirche ihre Kita St. Nikolaus im Herzogenried im August aufgibt. Für alle diese Einrichtungen gilt: Die Kinder, die derzeit dort sind, bekommen anderweitig einen Platz. Doch der fehlt dann wieder den Eltern, die bisher leer ausgegangen sind.

Vor diesem Hintergrund alarmiert ein Zitat des Bürgermeisters Dirk Grunert eine Reihe von Kommunalpolitikern. Der Dezernent hatte vor einer Woche bei einem Pressegespräch gesagt: „Ich gehe davon aus, dass es weitere Träger geben wird, die in Zukunft, vielleicht sogar in Kürze, weitere Einrichtungen schließen werden.“

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Keine weiteren Hiobsbotschaften

Im Bildungsausschuss des Gemeinderats am Dienstag fragte Reinhold Götz (SPD) deshalb nach, ob es „neue Hiobsbotschaften“ gebe „über das hinaus, was wir bereits kennen“. Das verneinte Grunert. Aber er hält „weitere zusätzliche Schließungen in naher Zukunft“ für nicht ausgeschlossen und sagt, „dass es durchaus bei Trägern diesbezüglich Überlegungen geben könnte“.

Die beiden größten freien Träger sind Evangelische (Ekma) und Katholische Kirche (Kathma). Steffen Jooß, Direktor der Ekma-Kirchenverwaltung, rechnet nicht mit weiteren Schließungen. „Mit den aktuellen Maßnahmen hoffen wir, die notwendigen Voraussetzungen für eine verlässliche Betreuung der Kinder geschaffen zu haben“, teilt er auf Anfrage mit. Und Kahtma-Sprecherin Cordula Schuhmann bekräftigt: „Abgesehen von der Kita St. Nikolaus sind 2022 keine weiteren Schließungen beabsichtigt.“ Im Gegenteil: Sobald die Baugenehmigung vorliege, beginne auf dem Almenhof die Erweiterung des Standorts Maria Hilf. Unterm Strich entstünden dort sogar zwei Kita-Gruppen mehr.

Zusätzliche Gruppen sind aber nicht nur hier, sondern fast überall in der Stadt dringend nötig. Im Bildungsausschuss präsentierte Kita-Koordinator Andrew Ballantyne dazu noch einmal das umfangreiche Maßnahmenpaket, dass die Stadt vor einer Woche öffentlich vorgestellt hatte. Es sieht einen Ausbau um mindestens 3500 Plätze in den kommenden Jahren vor.

Kita-Neubau dauert Jahre

Doch schon jetzt ist klar, dass das zum einen den Eltern, die derzeit keinen Platz haben, nicht hilft. Und zum anderen nicht reichen wird. Reinhold Götz rechnete das am Beispiel Franklin vor – einem Stadtteil, dessen Bedarf an Krippen- und Kitaplätzen schon jetzt riesig ist und in den kommenden Jahren noch deutlich wachsen wird. Bis 2026 brauche man in Summe etwa 51 Krippen- und Kita-Gruppen. Die Ausbauplanung sehe aber lediglich 28 Gruppen vor. Das bestätigte Bürgermeister Dirk Grunert. Allerdings seien „weitere Vorhaben im Gespräch“.

Ein regulärer Kita-Neubau dauert Jahre – für suchende Eltern keine Perspektive. „Wir können uns nicht für jede neue Einrichtung bis zu fünf Jahre Zeit lassen. Die Stadtverwaltung muss hier Prozesse straffen“, hatte Stadträtin Kathrin Kölbl schon vor einer Woche für die FDP betont. Und die Linken-Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut forderte am Freitag „schnelles Handeln“, etwa „durch modulare Holzbauweise und beschleunigte Verfahren“.

Für die CDU legte Katharina Funck am Dienstag nach: „Es kann nicht sein, dass es für jede Einrichtung einen Architektenwettbewerb und den Gestaltungsbeirat braucht. Die Anforderungen bezüglich Raumgröße, Außengelände und so weiter sind bekannt, hier muss man das Rad nicht jedes Mal neu erfinden“. Weitere Einrichtungen, so auch Reinhold Götz im Ausschuss, brauche man „ganz dringend und relativ schnell“.

Dem widerspricht die Stadt nicht. Als Beispiele für Interimslösungen führt sie unter anderem Projekte auf der Hochstätt, Waldhof, Pfalzplatz (Lindenhof) und Wilhelm-Leuschner-Straße (Niederfeld) an. Außerdem werde der „Einsatz modularer beziehungsweise standardisierter Bauweise regelmäßig geprüft“. Bei den Projekten freier Träger sei das jedoch die Entscheidung des jeweiligen Bauherren.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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