Mannheim. Der vorzeitige Ausstieg der Evangelischen Kirche aus drei Kita-Projekten kam überraschend: Am 14. Januar erfuhr die Öffentlichkeit, dass zum Sommer zwei Einrichtungen auf dem Scharhof (Füllenweg) und dem Almenhof (Mönchwörthstraße) und ein Jahr später eine auf dem Lindenhof schließen. Kurzfristigen Ersatz für die wegfallenden Plätze wird es nach derzeitigem Stand nicht geben.
In einem Interview mit dem freien Video-Journalisten David Borymski für diese Zeitung ging Dekan Ralph Hartmann noch einmal auf die Gründe für diesen Schritt ein – und hob besonders einen Punkt hervor: die Personalsituation. Zum Beginn des Kindergartenjahres 2021, im September, sei „der Fachkräftemangel so hoch wie nie“ und „dramatischer denn je“ gewesen. Hätten in den Jahren zuvor schon einmal zehn Prozent gefehlt, habe die Lücke im Herbst 2021 gar 20 Prozent betragen. Konsequenz: einige kleine Einrichtungen schließen und Öffnungszeiten werden etwas verringert.

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Über den Personalmangel diskutiert hatte in der vergangenen Woche bereits der Bildungsausschuss des Gemeinderats, am Dienstag beschäftigte sich dann der Hauptausschuss mit dem Thema. Auf der Tagesordnung stand der Ausbau der praxisintegrierten Ausbildung (PiA). Dabei qualifizieren sich Personen parallel zum Besuch an der Helene-Lange-Schule (Fröbel-Seminar) in drei Jahren für den Beruf des Erziehers oder der Erzieherin.
„Das begrenzende Element sind nicht Gebäude. Es ist das Personal, das fehlt.“
Bisher war es so, dass PiA-Kräfte zu 40 Prozent auf den Stellenschlüssel angerechnet wurden. Die großen freien Träger haben nach Angaben der Stadtverwaltung zugesagt, bei einem Verzicht auf diese Anrechnung die Anzahl der PiA-Kräfte pro Jahrgang zu erhöhen und mehr Fachkräfte auszubilden. Und kleinere freie Träger sähen sich durch diese Neuregelung erstmals in der Lage, überhaupt PiA-Kräfte aufzunehmen und auszubilden.
Mit Beginn des nächsten Ausbildungsjahrgangs (1. September) soll die Anrechnung entfallen, so dass Pia-Kräfte die Teams verstärken. Konkret umsetzen möchte die Stadt diese Verstärkung, indem sie in den kommenden drei Jahren jeweils eine zusätzliche Ausbildungsklasse (20 Personen) aufbaut. „Bis zum Ausbildungsjahr 2024/2025 sollen dann über die drei Jahrgänge insgesamt drei neue Klassen geschaffen und dauerhaft etabliert werden“, teilt die Stadt mit. Den erforderlichen Kosten von insgesamt rund 4,7 Millionen Euro stimmten sowohl Bildungs- als auch Hauptausschuss zu, das letzte Wort hat am 8. Februar der Gemeinderat.
Woran es seiner Meinung nach beim Kita-Ausbau vor allem hakt, machte Steffen Jooß, Verwaltungsdirektor der Evangelischen Kirche, im Bildungsausschuss deutlich: „Das begrenzende Element, das muss jedem klar sein, sind nicht Gebäude. Es ist das Personal, das fehlt.“ Jooß begrüßt den PiA-Ausbau als „ersten Schritt“ gegen Personalmangel.
Wie der sich auswirkt, zeigt sich zurzeit auch auf Franklin. Dort konnte der Freireligiöse Wohlfahrtsverband Ende 2021 im Forum Franklin nicht, wie geplant, mit drei Gruppen an den Start gehen, sondern nur mit einer. Grund: fehlendes Personal. „Wir hätten mehr Plätze, wenn wir mehr Fachkräfte hätten“, so Bildungbürgermeister Dirk Grunert.
„Ein Großteil der Verzögerungen gründet im Widerstand vor Ort.“
Gleichwohl stehen natürlich auch die Gebäude im Fokus. Denn bei Neubauten gilt es ebenfalls, zahlreiche Hürden zu überwinden. „Ein Großteil der Verzögerungen gründet in dem Widerstand vor Ort, der uns Monate oder teilweise Jahre kosten kann“, sagte Grunert. Da werfen vorzeitige Schließungen – wie von der Evangelischen Kirche angekündigt – neue Probleme auf. Vor dem Hintergrund, dass derzeit mehrere Hundert Kinder in Sachen Kita-Plätzen unversorgt sind, verschärft sich die Lage dadurch zusätzlich.
Was spricht aus Sicht der Stadt dagegen, die drei evangelischen Kitas zu übernehmen und in eigener Regie weiterzuführen? Grundsätzlich müsse für einen Trägerwechsel bei der zuständigen Genehmigungsbehörde des Landes eine neue Betriebserlaubnis beantragt werden, teilt die Sprecherin des städtischen Bildungsbereichs, Beate Klehr-Merkl, mit. Ob eine solche Erlaubnis „für die bestehenden – und auch oft wegen Sanierungsbedürftigkeit aufgegebenen – Einrichtungen direkt erteilt oder überhaupt erteilt werden kann, muss bezweifelt werden“.
Praxisintegrierte Ausbildung (PiA)
Seit knapp zehn Jahren gibt es in Mannheim die praxisintegrierte Ausbildung (PiA). Sie soll den Erzieherinnenberuf attraktiver machen.
Die Ausbildung am Fröbel-Seminar der Helene-Lange-Schule befähigt laut Stadt „dazu, Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsaufgaben zu übernehmen“, um selbstständig und eigenverantwortlich als Erzieherin oder Erzieher tätig zu sein.
Neben der theoretischen Ausbildung in der Schule absolvieren die künftigen Betreuungskräfte in Kindertageseinrichtungen ihren Praxisteil, der mindestens 600 Stunden pro Schuljahr umfasst und drei Jahre dauert. Sie erhalten eine Ausbildungsvergütung.
Bisher wurden PiA-Kräfte bei freien Trägern zu 40 Prozent auf den Stellenschlüssel angerechnet. Das soll mit dem neuen Kindergartenjahr entfallen. Die Kräfte können dann zusätzlich zum vorgeschriebenen Mindestpersonal beschäftigt werden.
In den kommenden drei Jahren möchte die Stadt jeweils eine zusätzliche Ausbildungsklasse aufbauen, insgesamt sind das 60 Plätze. bhr
Bei neuen Projekten komme dagegen prinzipiell eine städtische Trägerschaft in Betracht, wenn sich keine anderen freien Träger fänden. Beispiele sind zwei Vorhaben, die die Evangelische Kirche in den kommenden Jahren angehen wollte, dann aber einen Baustopp verfügte. Konkret bestehe die Absicht, dass die städtische Schulbaugesellschaft BBS die Neubauten in der Kirchgasse in Sandhofen und bei der Markuskirche auf dem Almenhof „als Investor umsetzt und an einen Träger, in diesem Fall wieder die Evangelische Kirche, vermietet“, so Klehr-Merkl.
Unterdessen hatte vor wenigen Tagen die Katholische Kirche angekündigt, dass sie die sanierungsbedürftige Kita St. Nikolaus im Herzogenried nicht über das laufende Kindergartenjahr hinaus weiterführen werde. Dabei handle es sich aber „nicht um einen vorzeitigen Ausstieg, sondern um eine Konsequenz aus der Festlegung, dass auf dem vorhandenen Grundstück neu gebaut wird“, betont Sprecherin Cordula Schuhmann. Der Investor Audere Equity möchte an dem Standort fünf Krippen- und drei Kita-Gruppen schaffen.
St. Nikolaus ist derzeit eigentlich dreigruppig, kann laut Schuhmann wegen der baulichen Mängel aber nur zweigruppig geführt werden. Bis zur Realisierung des Neubaus, so Klehr-Merkl, suche die Stadt „nach einer Interimslösung“, um die zwischenzeitlich wegfallenden Plätze zu kompensieren.
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