Interview

16 Jahre als OB – Peter Kurz bilanziert und spricht über dramatischsten Tag seiner Amtszeit

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Martin Geiger , Steffen Mack und Timo Schmidhuber
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Am Ziel: Am 17. Juni 2007 wird der Bildungsdezernent Peter Kurz bereits im ersten Durchgang zum Nachfolger von Gerhard Widder gewählt. © Ronald Wittek

Mannheim. Herr Dr. Kurz, Sie kommen gerade von der Buga. Wie oft waren Sie wohl schon dort?

Peter Kurz: Bestimmt mehr als 25 Mal. So viele Gäste wollte ich dort treffen, die konnte ich gar nicht alle schaffen. Kürzlich habe ich sogar zwei Bundesminister verpasst.

Haben Sie dort einen Lieblingsort?

Kurz: An dem Kletterspielplatz mit den großen Netzen hat man vom Gerüst aus einen spektakulären Blick bis zum Odenwald, natürlich auch von der Seilbahn aus. Aber bis auf einen Tag, wo ich mal privat Freunde über die Buga geführt habe, bin ich mit den Gästen meistens leider nur durchgehetzt.

Peter Kurz

  • Peter Kurz wurde am 6. November 1962 in Mann- heim geboren. 2007 wurde der SPD-Politiker als Nachfolger seines Parteikollegen Gerhard Widder im ersten Wahlgang zum Oberbürgermeister seiner Heimatstadt gewählt. Acht Jahre später bestätigten ihn die Mannheimer in seinem Amt, er brauchte dazu aber einen zweiten Wahlgang.
  • Vor seiner Wahl zum Stadtoberhaupt war Peter Kurz, der schon als Schüler in die SPD eintrat, Bürgermeister für Bildung, Kultur und Sport, davor Fraktionschef der Sozialdemokraten im Gemeinderat.
  • Kurz hatte am damaligen Tulla-Gymnasium Abitur gemacht, danach studierte er in Mannheim und Heidelberg Rechtswissenschaften und wurde 1994 Verwaltungsrichter. Ein Jahr später promovierte er.
  • Der 60-Jährige ist mit Daniela Franz verheiratet. Sie haben zwei erwachsene Kinder. sma

Ab jetzt haben Sie ja plötzlich viel Zeit. Gehen Sie noch mal auf die Buga und holen was nach?

Kurz: Was tatsächlich sehr schön sein soll, sind die Abende dort, in der unterschiedlichen Gastronomie. Das will ich mal entspannt nutzen. Auch einige Ausstellungen und Konzerte lohnt es, sie sich in Ruhe anzusehen.

Gegen die Buga gab es aber auch all die Jahre massive Widerstände. Ist sie ein Beispiel dafür, wie man in der Politik auch manchmal dicke Bretter durchbohren muss?

Kurz: Eindeutig. Wobei auch der eine oder andere Kompromiss sinnvoll war, vor allem, den Luisenpark einzubeziehen. Aber eines hat sich als Illusion erwiesen: dass sich mit einem Bürgerentscheid ein Konflikt befrieden lässt. Die Vehemenz der Gegner wird sogar noch verstärkt, besonders bei knappem Ausgang.

Ein Grundstein als Meilenstein: 2015 beginnt der Neubau der Kunsthalle. © Markus Prosswitz / masterpress

Sind bei Stuttgart 21 die Diskussionen darüber nicht mit dem Volksentscheid weitgehend verstummt?

Kurz: Das ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Über das Projekt wurde über lange Zeit und live im Fernsehen umfassend informiert und idealtypisch diskutiert, die öffentliche Aufmerksamkeit und der daraus gewonnene Kenntnisstand waren enorm. Das war die Herrschaft des Arguments, aber so etwas ließe sich nur bei derart idealen Bedingungen wiederholen. Eine Konzentration auf die Sachfrage bekommen Sie nur bei ständiger Übung. Bei einem isolierten Volksentscheid geht es fast nie allein um die Sachfrage. Wie schief das gehen kann, zeigt anschaulich der Brexit.

Sie sind also kein Freund direkter Demokratie?

Kurz: Direkte Demokratie schafft nicht automatisch mehr Legitimation, und gerade, wenn sie nur ab und zu eingesetzt wird, spielen ganz andere Faktoren wie allgemeine Unzufriedenheit eine Rolle. Das ist sogar ab und zu in der Schweiz so, wo Volksabstimmungen geübte Praxis sind. Daher haben wir in Mannheim zwar die Bürgerbeteiligung weiter ausgebaut. Bürgerentscheide haben wir nicht mehr von uns aus angesetzt, und sie haben sich auch – wie bei der Buga – selten bewährt.

Das Megathema Konversion gipfelt 2023 in der Buga: Eröffnung mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (2.v.l.). © Uwe Anspach

Die Buga gehört sicher zu den drei wichtigsten Erfolgen Ihrer Amtszeit. Was sind die anderen beiden?

Kurz: Die Buga ist ja Teil der Konversion, die würde ich insgesamt nennen. Dann die Verbreiterung unserer wirtschaftlichen Basis mit einem geänderten Profil der Stadt. Und dass wir große Projekte mit finanzieller Hilfe von Dritten angehen konnten, so dass dies möglich war, ohne die Stadt zu überfordern, wie die Sanierung des Nationaltheaters und der Neubau der Kunsthalle.

Dennoch werden beim Nationaltheater Kosten von wohl 200 Millionen Euro an der Stadt hängen bleiben. Lässt sich das vertreten, da doch an so vielen Stellen Geld gebraucht wird?

Kurz: Ich gehe davon aus, dass diese Zahl nicht erreicht wird. Grundsätzlich: Theater gehören zu unserem kulturellen Erbe. Und das gilt besonders für das Nationaltheater. Bei der Frage ging es schlicht um die weitere Existenz. Die Betriebserlaubnis endete. Natürlich kann man über die Größe des Hauses diskutieren, nur wäre ein kleinerer Neubau statt Sanierung nicht billiger, sondern teurer geworden. Die Sanierung war also nicht nur aus Denkmalschutzgründen zwingend, sondern die günstigste Vari-ante. Aber auch sie hätten wir nicht ohne die 120 Millionen-Euro-Zusage von Bund und Land stemmen können.

Mit die schwierigste Zeit: Die Hygieneaffäre am Uniklinikum 2014 löst ein großes mediales Echo aus. © Uwe Anspach

Stichwort Konversion. Auch wenn da alles ziemlich gut gelungen ist: Würden Sie im Nachhinein etwas anders machen?

Kurz: Ihren Befund „ziemlich gut gelungen“ würde ich teilen. Das haben auch kürzlich erst wieder Experten aus dem In- und Ausland auf einem Symposium so gesehen. Aber natürlich gibt es auf einer so langen Strecke rückblickend immer einzelne Punkte, die hätten besser laufen können.

Zum Beispiel?

Kurz: Nehmen Sie das Verkehrskonzept auf Franklin. Mit den Investoren hatten wir ein modernes Mobilitätskonzept vereinbart, und dazu gehörte auch wenig Parkraum auf der Straße. So wurde das Konzept auch öffentlich immer wieder präsentiert. Aber im Vertrieb von Häusern und Wohnungen wurde Käufern auf die Frage, wo sie eventuell mit einem zweiten Fahrzeug parken können, offenbar schlicht erzählt: „Vor dem Haus“.

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Was hätte bei der Konversion sonst noch besser laufen können?

Kurz: Da gibt es planerisch das eine oder andere Detail. Aber Sie müssen bedenken: Hätten wir nicht früh Investoren gefunden, Vorverträge abgeschlossen und wären so rasch so weit in der Planung gewesen, hätte das Land in der Flüchtlingskrise dauerhaft seine zentrale Aufnahmestelle auf Franklin eingerichtet. Dann würde es heute den Stadtteil gar nicht geben. Nur so konnten wir 2015 nachweisen, dass es um eine Milliarde privater Investitionen und Wohnraum für 10 000 Menschen geht. Mit einem Wolkenkuckucksheim hätten wir unseren Zugriff auf die Gelände nicht gesichert.

Zum ersten Mal mit Amtskette: im September 2007 neben Ministerpräsident Günther Oettinger. © Troester

Wie lief das damals genau ab?

Kurz: Das war, im September 2015, der dramatischste Tag meiner Amtszeit. Ich bin nach Stuttgart gefahren, um nochmal beim Leiter der Staatskanzlei für unsere Pläne für Franklin zu werben. Klar war: Die BImA . . .

. . . die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, an die frühere US-Militärflächen gingen . ..

Kurz: . . . die hätte uns die Areale hier nie gegen den Willen des Landes verkauft. Auf der Hinfahrt bekam ich plötzlich einen Anruf von der BImA mit einer vermeintlich endgültigen Absage. Da ist mein Blutdruck ziemlich weggesackt. Ich habe meinen Mitarbeitern gesagt: „Wir müssen die Öffentlichkeit informieren. Setzt bitte noch heute Abend eine Pressekonferenz an.“ Bei meinem Gespräch in Stuttgart wurden dann aus der geplanten halben Stunde eineinhalb Stunden, und ich konnte das Land in quasi letzter Minute doch noch von unseren Plänen überzeugen.

Dann konnten Sie die Pressekonferenz gleich wieder absagen?

Kurz: Nein. Ich kam nur viel zu spät, weil ich an dem Freitagabend lange im Stau gestanden hatte. Die Botschaft war zum Glück völlig anders geworden: Nicht „das Projekt ist abgelehnt“, sondern: „Es läuft!“

Amt verteidigt:Die Wiederwahl 2015 wirdauf dem Museumsschiff gefeiert – natürlich mitGattin Daniela Franz. © Markus Prosswitz / masterpress

Was war der zweitdramatischste Tag Ihrer Amtszeit?

Kurz: Der schrecklichste Tag – so würde ich es formulieren – war der 27. Februar 2014, als in den Quadraten beim Brand in einer „Problemimmobilie“ drei Kinder ums Leben kamen. So etwas erschüttert einen mehr als alles andere. Ansonsten waren auch die Sterilgut-Probleme im Klinikum 2014/15 und deren Eskalation sehr belastend, ebenso die Flüchtlingskrise und natürlich Corona. Wobei es in der Pandemie nicht den einen besonders dramatischen Tag gab, das war über lange Zeit eine kontinuierliche Belastung.

Aber ist in diesen Krisen nicht auch wieder die Bedeutung der Politik gestiegen? Davor hieß es immer, die Macht habe die Wirtschaft.

Kurz: Ich bin mir nicht so sicher, ob sich da wirklich etwas geändert hat. Doch Sie haben schon recht: In Krisensituationen wird zunächst nach den regulatorischen Kräften der Politik gerufen. Dann sagt erstmal niemand mehr laut: „Der Markt wird es schon richten.“

Zurück zum Klinikum: Beim Zusammenschluss mit Heidelberg hat das Land Sie zweieinhalb Jahre hingehalten. Sind Sie optimistisch, dass es jetzt vorangeht?

Kurz: Unzählige Gutachten haben das enorme Potenzial dieses Projekts bestätigt. Da geht es um sehr viel mehr als um die Finanzen der Stadt Mannheim, die als Trägerin mit einem Universitätsklinikum überfordert ist. Mein Eindruck ist, dass sowohl dies als auch die gewaltigen Chancen mittlerweile in Stuttgart von allen erkannt werden. Jetzt ist ein Prozess eingeleitet, an dessen Ende zum 1. Januar 2025 eine Verbundlösung stehen wird. So ist es vorgesehen, da bin ich auch optimistisch.

Unvergleichliche Herausforderung: Corona überlagerte lange fast alles. Hier ist Ministerpräsident Kretschmann zu Besuch. © Marijan Murat

Nicht um so viel Geld wie beim Klinikum, aber auch um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag geht es beim Stadion. Ihr CDU-Nachfolger Christian Specht meinte gerade im „MM“-Interview, mögliche Alternativstandorte seien nicht gründlich geprüft worden.

Kurz: Wir haben zwei Standorte identifiziert, die grundsätzlich geeignet wären. Nur gibt es da eben Nutzungskonflikte: auf dem Luzenberg die geplante Wohnbebauung, beim Großparkplatz am Maimarktgelände der benachbarte Flughafen. Daher haben wir beide im Ergebnis für ungeeignet befunden. Aber das kann man noch einmal vertieft prüfen. Das Bösfeld jedoch, von dem immer wieder geredet wird, kommt aus natur- und artenschutzrechtlichen Gründen heute nicht mehr in Frage und ist meines Erachtens nach nicht umsetzbar.

Ein anderes sehr umstrittenes Thema war zuletzt der Verkehrsversuch. Wie bewerten Sie den ganzen Prozess?

Kurz: Wir waren vor der Pandemie auf einem sehr guten Weg: Bei allen relevanten Akteuren, also auch beim Handel, herrschte Einigkeit darüber, dass wir in der Fressgasse und Kunststraße die Aufenthaltsqualität verbessern müssen und mehr Grünflächen für die Klimafolgenanpassung brauchen. Dieser Konsens ist aber im Laufe von Corona und durch die Auswirkungen der Ludwigshafener Hochstraßenproblematik gebröckelt. Zudem hat das Format des Versuchs dazu verleitet, laufend negativ zu kommunizieren, womit Akteure aus dem Handel sich selbst massiv ins Knie geschossen haben, weil nach außen der Eindruck entstanden ist, die Innenstadt wäre quasi gesperrt. Im Ergebnis hatte der Versuch jedoch die vorher gutachterlich ermittelten Erwartungen bestätigt.

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Das sehen nicht alle so . . .

Kurz: Mag sein. Die Vorstellung aber, dass man den Autoverkehr in der Innenstadt völlig unangetastet lässt und alles über elektronische Systeme steuert und dies zukunftsfähig für die Innenstadt und ihren Einzelhandel sein soll, halte ich für abenteuerlich. Die Aufenthaltsqualität in der City wird existenziell sein – auch für die Zukunft Mannheims als Einzelhandelszentrum.

Wir bleiben beim Klima: Hat es Sie gewundert, wie geräuschlos das Ziel Klimaneutralität bis 2030 durch den Gemeinderat ging? In Berlin sind die Initiatoren des Bürgerentscheids teils ausgelacht oder angefeindet worden.

Kurz: Ohne die Bewerbung um das EU-Modellstadt-Projekt wäre das sicher nicht gelungen. Wir haben ja nie gesagt, dass wir aus eigener Kraft bis 2030 klimaneutral werden wollen. Das hätte ich selbst gar nicht vertreten können. Immerhin hatten wir uns 2019 noch 2050 als Zielmarke gesetzt. Vielmehr haben wir gesagt: Wir wollen, wenn wir von den anderen politischen Ebenen ausreichend unterstützt werden, mit deren Hilfe 2030 klimaneutral werden.

Werden Sie von EU, Bund und Land ausreichend unterstützt?

Kurz: Bislang werden wir von der EU nur beraten. Ein echter politischer Dialog hat, obwohl das Programm schon seit geraumer Zeit läuft, noch nicht stattgefunden. Das weckt bei mir die Skepsis, ob die anderen Partner das Modell auch als das ernsthafte gemeinsame Lernprogramm verstehen, wie es gedacht war. Steigen Land und Bund mit ein? Kümmert sich die EU darum, dass das geschieht? Diese Fragen müssen in den nächsten Monaten dringend geklärt werden. Denn noch habe ich, obwohl wir für den ganzen Prozess schon einen erheblichen Aufwand betrieben haben, keinen Beleg dafür, dass die großen Ambitionen bei den anderen Akteuren auch mit der entsprechenden Power hinterlegt sind. Sollte das nicht gelingen, wäre es ein erheblicher Rückschlag – für den Klimaschutz und für die EU.

Der private Peter Kurz: 2007 mit seiner Frau Daniela Franz im Garten. © Troester

Das wichtigste Thema Ihrer ersten Amtszeit war der Umbau der Verwaltung. Hat Mannheim jetzt Deutschlands modernste Stadtverwaltung?

Kurz: Wenn man es so definiert, wie wir das getan haben – dass mess- und vergleichbare Ziele und Wirkungen im Mittelpunkt stehen – dann: ja. Es gibt in Deutschland keine andere Stadt, die da weiter wäre als Mannheim. Auch in Sachen Kulturwandel und attraktive Arbeitgeberin sind wir weit. Aber natürlich hört das nie auf. Kulturwandel ist eine Sisyphosarbeit – und Sie müssen immer schauen, dass Sie Erfolge sichern.

Wenn man so viel Energie investiert hat: Wie sehr wurmt es da, dass der Fahrlachtunnel trotzdem durchs Raster gefallen ist?

Kurz: Das wurmt.

Was war das Problem?

Kurz: Wir haben die Ursachen intensiv analysiert und diesen Prozess noch nicht ganz abgeschlossen. Wichtig ist mir aber zu betonen, dass nicht eine unterlassene Instandhaltung zur Sperrung geführt hat. Wartungen und Überprüfungen sind immer durchgeführt worden. Versäumt wurde, die Veränderung der Vorschriften und die dadurch notwendige technische Anpassung so rechtzeitig zu verfolgen, dass eine vorbereitete Sanierung und Schließung hätte erfolgen können.

War das ein individueller Fehler eines Mitarbeiters oder ein strukturelles Problem, dass das eine Dezernat zum anderen gesagt hat: Nimm du ihn, ich hab’ ihn sicher?

Kurz: Das ist nicht eindeutig zuzuordnen. Es handelt sich hier tatsächlich um einen Sonderfall, der vor allem darauf beruht, dass es rechtlich kein festgelegtes Datum oder eine genau definierte Schwelle gab, ab der von einem ordnungsgemäßen Betrieb nicht mehr ausgegangen werden konnte. Das hat man erst durch ein Gutachten im Nachgang festgestellt.

Zum Ende Ihrer Amtszeit sind ein Viertel der Straßen und ein Viertel der Brücken Sanierungsfälle. Haben Sie sich zu wenig um die Infrastruktur der Stadt gekümmert?

Kurz: Für Außenstehende mag das so wirken, man muss das Problem aber differenzierter betrachten: Ja, wir haben eine Lücke zwischen dem Investitionsbedarf und den bereitgestellten Geldern, das will ich gar nicht abstreiten. Das ist übrigens fast überall in Deutschland der Fall. Um den Bedarf hier zu decken, müssten wir eigentlich das Doppelte investieren. Das hängt auch mit der Schwerpunktsetzung zusammen, denn letztlich ist die Tischdecke irgendwo immer zu kurz. Und wir haben uns primär um die Schulgebäude gekümmert, da sind wir wesentliche Schritte vorangekommen. Das größere Problem ist aber ein anderes.

So kennt man ihn eher: die berufliche Seite, als Vorsitzender des Gemeinderats 2014. © Markus Prosswitz / masterpress

Nämlich?

Kurz: Wir haben bei den Brücken aus den 50er und 60er Jahren ein grundsätzliches Thema, das mit deren Konstruktion zusammenhängt: Diese ist nicht auf die heutigen Verkehrsbelastungen ausgelegt. Wenn beispielsweise ein 40-Tonner mit Schmackes über eine Brücke fährt, belastet das diese so wie 160 000 Pkw. Das bedeutet im Ergebnis, dass wir mit unseren normalen Instandhaltungsplänen die Bauwerke gar nicht mehr richtig in Schuss halten können, sondern teilweise mehr als ein Jahrzehnt früher tätig werden müssen und Konstruktionen nicht nur sanieren, sondern grundlegend ändern und verstärken müssen. Das wird uns in der ganzen Region in den nächsten Jahren noch erhebliche Probleme bereiten.

Ich bin dann mal weg: mit Nachfolger Christian Specht. © Uwe Anspach

Und bei den Straßen?

Kurz: Da sieht es etwas anders aus: Jahrelang haben wir den Schwerpunkt darauf gelegt, Straßen in mittlerem Erhaltungszustand in diesem zu halten und dafür die Sanierung kaputter Straßen verlangsamt – weil das die Empfehlung der Fachleute war, um das Geld möglichst effizient einzusetzen. Nach etlichen Jahren hieß es dann allerdings: Pustekuchen, diese Strategie geht leider nicht auf oder konnte so nicht umgesetzt werden. Das hat mich natürlich geärgert, weil wir so unterm Strich das Problem nicht vermindert haben, wie es beabsichtigt war. Wir sind jetzt dazu übergegangen, mit Kaltasphalt schneller möglichst viele Straßen instand zu setzen.

Noch zu Ihrer Bilanz: Mannheim hat Industriearbeitsplätze verloren, hier sind aber auch neue Branchen wie die Kreativwirtschaft entstanden. Ist der Strukturwandel jetzt geschafft?

Kurz: Wir haben einen historischen Höchststand von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen erreicht, und wir sind unter den 30 größten Großstädten nach wie vor die mit dem höchsten Anteil an Produktion bei der Wertschöpfung. Darum bleibt die Situation hier eine besondere. Denn in keinem anderen Bereich außerhalb der Industrie ist der Konkurrenzdruck so hoch. Der Standort muss sich innerhalb der Konzerne immer wieder neu bewähren. Hier haben wir eng und erfolgreich mit den großen Unternehmen zusammengearbeitet. Was wir zudem geschafft haben, ist, die ökonomische Basis deutlich zu verbreitern: durch die Stärkung von Mannheim als Wissenschaftsstandort; und indem wir neue, junge Unternehmen in die Stadt gezogen haben – und das so intensiv wie vermutlich keine andere Kommune in Deutschland.

Wie wichtig war für Sie die Wahl zum Weltbürgermeister 2021?

Kurz: Eine solche Anerkennung tut gut. Gerade, weil im Klein-Klein des Alltags die Maßstäbe manchmal etwas verrutschen. Wenn da eine Einordnung erfolgt, ist das durchaus befriedigend.

Hat Sie die Häme berührt, die danach teilweise aufkam?

Kurz: Die ist an der Stelle bitter, wo sie von Leuten kommt, die es eigentlich besser wissen müssten – und es bewusst als Instrument einsetzten.

Wie sehr schmerzt es, dass ausgerechnet nach Ihren Amtszeiten die SPD das Rathaus verloren hat?

Kurz: Der Erste Bürgermeister ist jetzt zum Oberbürgermeister gewählt worden. Das spiegelt zumindest zum Teil auch einen Wunsch nach Kontinuität – oder anders gesagt: Christian Specht ist nicht gewählt worden, obwohl er Erster Bürgermeister war, sondern auch, weil er es war.

Über Ihre berufliche Zukunft haben Sie noch nicht entschieden, weil Sie erst etwas Abstand gewinnen wollen. Wie sehen Ihre Pläne für die nächsten Wochen aus?

Kurz: Wir machen jetzt erst ganz normal einen kurzen Urlaub. Dann nutzen wir hoffentlich etwas die Buga. Und im Oktober und November werden wir in Europa unterwegs sein.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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