„Deutlich sorgenvoller“ als im vergangenen Jahr beurteilt Markus Böll, Vorsitzender der Bauinnung Rhein-Neckar, die Situation seiner Branche. Denn die Auftragsbücher leerten sich. Die von seiner Innung vertretenen kleinen und mittelständischen Betriebe würden derzeit noch Aufträge abarbeiten, es kämen aber kaum neue dazu. Es würden immer weniger neue Ein- oder Mehrfamilienhäuser oder Reihenhäuser neu begonnen. „Auch große Investoren wie Wohnungsbaugesellschaften halten sich zunehmend zurück“, beklagte er beim traditionellen Handwerkerfrühstück seiner Innung. „Es gibt Projekte, die sind komplett gestrichen“, bedauerte er.
Nach Angaben von Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer des Verbands Bauwirtschaft Baden-Württemberg, ist der Auftragseingang im Februar dieses Jahres gegenüber dem vergleichbaren Vorjahresmonat um 26,2 Prozent zurückgegangen. „Die Betriebe, die im Moment noch gut beschäftigt sind, bauen einen Auftragsüberhang ab – aber die Delle ist schon da, und der tiefe Krater kommt“, verdeutlichte Möller.
Aufgrund der steigenden Kreditzinsen und zugleich wachsenden staatlichen Auflagen „ist privater Wohnungsbau kein Renditemodell mehr“, kritisierte Böll. „Das passt aber nicht zu den allgemeinen Bestrebungen, mehr Wohnraum zu schaffen oder in klimagerechten Wohnbau zu investieren“, so Böll.
Dass die Baupreise wegen der sinkenden Auslastung der Firmen fallen, glaubt Böll nicht. „Die Löhne steigen, die Energiekosten steigen – das wird sich auf einem hohen Niveau einpendeln“, so der Vorsitzende. Die „schmerzhafte Verteuerung der Energie“ durch höhere Kosten bei Kohlendioxidausstoß mache sich etwa bei der Zementherstellung bemerkbar.
Starke Sorgen macht sich die Baubranche, aber auch das ganze Handwerk wegen des Fachkräftemangels. „Es fehlen aber nicht nur Fachkräfte, sondern auch helfende Hände – Leute, die willig und fähig sind, etwas zu tun und an der realen Wertschöpfung mitzuarbeiten“, beklagte Böll. „Teilweise fehlt der Anreiz zur Arbeit, wenn die staatlichen Transferleistungen leicht zu bekommen sind“, kritisierte Möller. Die Bauwirtschaft habe sich früh bewährt, etwa Italiener, Spanier oder Portugiesen zu integrieren, erinnerte Böll. Der Staat müsse jetzt dafür sorgen, weitere Kräfte aus dem europäischen Ausland anzuwerben, forderte Böll. „Wir müssen schauen, dass Deutschland in Europa Magnet für Arbeit wird“, meinte er.
Um Auszubildende zu begeistern, haben 17 Gewerke in der Halle des Handwerks auf dem Maimarkt lebendige Werkstätten eingerichtet. Das komme unter der Woche bei Schulklassen wie auch am Wochenende bei Familien sehr gut an. „Wir brauchen mehr solcher Möglichkeiten, über die Vielfalt unserer Berufe zu informieren“, so Kreishandwerksmeister Achim Bauer, der selbst einen 100 Jahre alten Stuckateurfachbetrieb führt und Obermeister der Stuckateur-Innung Mannheim ist. Der Maimarkt sei dafür ideal: „Der Maimarkt ist wie Internet – ganz viel Infos, nur mit echten Menschen“, erklärt er. Gerade im Zeitalter vieler digitaler Informationen sei es enorm wichtig, solche Erlebnisse zu bieten.
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