Mannheim. So sehr Bezirksbeiräte und auch Eltern drängten - die Stadtverwaltung lehnt die Idee, einen Naturkindergarten in Wallstadt anzusiedeln, derzeit ab. Bürgermeister Dirk Grunert will lieber die Pläne für einen Neubau eines Kinderhauses an der Amorbacher Straße weiterverfolgen, aber auch diese reduzieren. Der Bedarf an Plätzen für Kinderbetreuung sei nämlich gesunken, sagte er.
Die Idee kam von der SPD. Sie schlug als Standort das Grundstück in der verlängerten Römerstraße gegenüber der Sportvereinigung und westlich der Kleingärten vor, das der Stadt gehört. Alle bisher vorgesehenen Nutzungen, vom Hundeplatz bis zur Verpachtung an Bienenzüchter, hätten die Anlieger abgelehnt, was bei einer Nutzung als Kindergarten nicht möglich oder zu erwarten wäre.
Das Projekt, so begründete SPD-Bezirksbeiratssprecher Thorsten Schurse den Antrag, könnte die angespannte Betreuungssituation zumindest bis zur Fertigstellung des Neubaus in der Amorbacher Straße erheblich verbessern und wäre für Eltern akzeptabler als Einrichtungen außerhalb des Stadtteils.
Gelände für Kleingärten reserviert
Auf der 3000 Quadratmeter großen Wiese wäre ein Naturkindergarten mit beheizbarem Bauwagen „grundsätzlich vorstellbar“, informierte Alexandra Schnettler vom Fachbereich Stadtplanung die Bezirksbeiräte. Bislang sei das Areal für eine Erweiterung des Geländes der Gartenfreunde Vogelstang reserviert.
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Derzeit laufe eine gesamtstädtische Untersuchung für Kleingartenerweiterungen, aber auch beide Nutzungen auf der Fläche seien aus städtebaulicher Sicht denkbar. Allerdings „nur theoretisch“, wie Bürgermeister Dirk Grunert klarstellte. „Die Frage ist: Wie sinnvoll wäre das?“, sagte er und gab die Antwort gleich mit. Im Gegensatz zur Darstellung der SPD gebe es nämlich bisher weder einen Interessenten für den Betrieb eines solchen Naturkindergartens noch Bedarf dafür.
Zahlen zu den Kindergartenplätzen in Mannheim-Wallstadt
Grunert begründete das mit neuen Zahlen. Derzeit bestünden in Wallstadt zum Stichtag 30. Juni 2023 70 Krippenplätze bei einem Bedarf von 88. Lag die Prognose bisher bei einem Bedarf von 113 in den kommenden Jahren, so ist dieser nach der jüngsten, Ende 2023 vorgelegten Bevölkerungsprognose auf 97 korrigiert worden.
Ähnlich ist das Bild bei den Kindergartenplätzen, also den für über Dreijährige. Vorhanden sind 231, nachgefragt wurden zum Stichtag laut Stadt 243 Plätze. Wurden zuletzt 331 Plätze als langfristig nötig prognostiziert, geht man nun nur noch von 245 aus. „Anders als in anderen Stadtteilen“ sei, so der für Jugend und Bildung zuständige Bürgermeister, in Wallstadt das vorhergesagte Bevölkerungswachstum „deutlich zurückgegangen“.
Kinderhaus in der Amorbacher Straße soll kleiner werden
Als Konsequenz will die Stadt das zunächst für sieben Gruppen geplante Kinderhaus auf dem früheren Festplatz in der Amorbacher Straße deutlich kleiner bauen, nämlich nur mit vier Gruppen - je zwei für Kindergartenkinder und für Kleinkinder. Um kurzfristig den Bedarf zu decken, werden im vorhandenen Kinderhaus Wallstadt ab Herbst 2025 zehn Plätze geschaffen, weil eine Hortgruppe dort wegfällt.
Man wolle aber „am Vorhaben Amorbacher Straße festhalten“, bekräftigte Grunert, auch wenn man da schon trotz reduzierter Pläne Plätze „über Bedarf“ schaffe. Die Stadt sei „mit mehreren interessierten Trägern im Gespräch“ und wolle bei der Bezirksbeiratssitzung im April die detaillierten Pläne vorstellen. Würde aber nun noch ein Naturkindergarten realisiert, „dann müssten wir das Projekt Amorbacher Straße ganz in Frage stellen“, begründete Grunert seine Ablehnung.
SPD-Sprecher zweifelt Prognose für Kindergartenplätze an
SPD-Sprecher Schurse nannte diese Entscheidung zunächst „absolut nachvollziehbar“. Es sei ja erfreulich, wenn sich die Zahl der fehlenden Plätze „nicht ganz so schlimm wie vorhergesagt“ entwickle. Aber dennoch gebe es derzeit einen Mangel, der bis zur Fertigstellung des Neubaus in der Amorbacher Straße bestehen bleibe.
Zudem zweifelte Schurse die Prognose an, denn die Stadt habe sich schon einmal geirrt. In Wallstadt-Nord gebe es noch genug Baulücken, in derzeit von älteren Menschen bewohnten Häusern im alten Ortsteil würden in absehbarer Zeit junge Familien ziehen, und auch in benachbarten Stadtteilen fehlten Kindergartenplätze. „Wir werden aber nicht in Wallstadt für andere Stadtteile planen“, entgegnete Grunert, denn Kita-Plätze müssten binnen 30 Minuten mit dem Nahverkehr erreichbar und dürften maximal fünf Kilometer vom Wohnort entfernt sein.
Unterstützung für Naturkindergarten in Wallstadt
Bezirksbeiräte der anderen Parteien unterstützten dennoch den Vorstoß der SPD. Friederike Freiburg (CDU) schlug vor, „relativ zügig“ einen Naturkindergarten zu bauen, denn jetzt sei die Nachfrage da. Zudem sei schon der Feudenheimer Naturkindergarten stark nachgefragt. „Es dauert doch noch drei bis vier Jahre, bis in der Amorbacher Straße gebaut wird“, gab auch Manuela Müller (FDP) zu Bedenken. Das sehe man doch daran, wie lange sich der Neubau des Kultur- und Sportzentrums hinziehe. „Zumindest als Überbrückung einen Naturkindergarten - das hätte schon Charme“, verwies auch Ulrich Köhler (CDU) auf Verzögerungen, die es heute oft bei Bauprojekten gebe.
Zum Projekt Amorbacher Straße regte Cornelia Schacht (Grüne) an, zumindest fünf Gruppen zu bauen, um nicht zu knapp zu kalkulieren. Lennart Christ (CDU) forderte eine Modulbauweise, damit eine später nötige Erweiterung so realisiert werden kann, dass der laufende Betrieb nicht behindert wird. Ein Naturkindergarten sei aus Sicht der CDU „in jedem Fall eine gute Ergänzung“, unterstützte er die SPD-Forderung.
Reiterverein will Kinderbetreuung auf Gelände einrichten
Das bekräftigten mehrere Wallstadter aus dem Publikum, die auch die Prognose der Stadt anzweifelten und darauf hinwiesen, dass in Wallstadt überdurchschnittlich oft beide Elternteile arbeiten. „Wallstadt ist derzeit für junge Familien nicht attraktiv“, fasste Jens Weber, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Wallstadter Vereine (IWV), zusammen. Bestehende Kindergärten würden „gruppenweise Kinder schon mittags nach Hause schicken“, weil Personal fehle. Das, so entgegnete Bürgermeister Grunert, „gibt es derzeit fast überall“.
Kristin Klass, zweite Vorsitzende vom Reiterverein Mannheim Vogelstang-Wallstadt, machte das Angebot, auf ihrem Vereinsgelände eine Kinderbetreuung einzurichten. „Bis 15 Uhr passiert bei uns nicht viel, wir bräuchten nur einen Träger und Erzieher, die Fläche hätten wir“, sagte sie. Die Stadt so sagte Grunert zu, wolle das prüfen.
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