Mannheim. Aufstieg und Abstieg - das sind eigentlich Vokabeln aus dem Fußball. Sie passen zum Alten Waldhof, dem ursprünglichen Ortskern westlich der B 44, nach dem sich Mannheims bekanntester Fußballverein nennt. Einen Abstieg will niemand, weder im Fußball noch in einem Wohngebiet. Bei guten Leistungen und mit ein wenig Glück kann man im Sport eine Saison später wieder aufsteigen. Wenn ein Stadtteil jedoch erst einmal absteigt, ist eine Kehrtwende unverhältnismäßig schwieriger.
Bürger fühlen sich von der Stadt im Stich gelassen
Deshalb versammelten sich jetzt rund zehn Bewohner des Viertels, in dem einer der berühmtesten Söhne Mannheims geboren wurde und aufwuchs, am Platz, der nach ihm benannt ist, dem Seppl-Herberger-Platz. Zusammengetrommelt hat sie Jürgen Kurtz, Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Waldhof-West „Alter Waldhof“. Ihnen ist bewusst, dass es andere Stadtbezirke gibt, die ebenfalls große Probleme haben. Es geht um den Versuch, sich um sie zu kümmern, aber sie fühlen sich von der Verwaltung im Stich gelassen.
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Ratten, sieht man sie auf der Straße herumlaufen, erzeugen Ekel. Binnen zwei Stunden werden bei der Begegnung sogar zwei tote Tiere gesichtet, die einfach so auf dem Bürgersteig herumliegen. Fraßspuren, ja ganze Löcher an Mülltonnen - sie sind ja aus Plastik - zeugen von den alltäglichen Aktivitäten der Tiere. Die Anwohner möchten, dass die zuständigen Behörden sich gründlich dieser Plage annehmen. Wenn das Fernsehen kommt und sie filmt - wie kürzlich geschehen -, wird es für Mannheim peinlich. Den Alt-Waldhöfern ist es peinlich. Doch welcher Bürger könnte von sich aus was gegen Ratten tun? Man kann Beobachtungen an die Verwaltung melden, aber dann?
Problemimmobilien als Auslöser für die Missstände?
Sperrmüll und anderer Abfall liegt oft und an vielen Stellen herum, häufig wochenlang. Diese und andere Ursachen der Verwahrlosung wünschen sich die Bürger bekämpft. Nicht nur punktuell, sondern systematisch. Jürgen Kurtz fordert mehr als nur Symptombehandlung, „indem man zum Beispiel ab und zu mal eine Kehrmaschine mehr durch die Straßen schickt“.
Der Sprecher der Bürgerinitiative fordert: „Um dauerhaft eine Verbesserung zu erreichen, müssen auch grundsätzliche Struktur- und Verhaltensänderungen erfolgen.“ Als einer der Auslöser für die Missstände wird der Verkauf etlicher Immobilien genannt. Die neuen Besitzer unterhalten darin, so die beim Rundgang von den Anwohnern geschilderte Beobachtung, Massenunterkünfte mit Matratzenlagern. Zehn solcher Häuser soll es in dem kleinen Stadtteil geben. Konkret beobachtet werde, dass dort Männer morgens in Gruppen abgeholt und abends zurückgebracht werden.
Fremde kippen Müll einfach auf die Straße
Autos mit fremden Kennzeichen werden beobachtet, die anhalten und ihren Müll einfach auf die Straße kippen. Es gebe zudem sehr viele Menschen, die andere Verhaltensweisen gewöhnt sind und nicht erreicht werden mit Informationen über hiesige Gepflogenheiten. So kommt es etwa, dass auf dem Spielplatz um Mitternacht Fußball gespielt wird.
Stefan Karle, einer aus der Gruppe, hat einen umfangreichen Schriftverkehr mit der Stadt geführt. In einem Schreiben der Verwaltung vom 10. Oktober 2023 wird angegeben, die letzte Beschwerde bezüglich Lärmbelästigung auf dem Roggen- und Weizenplatz sei im Jahr 2020 eingegangen. Daher sehe man derzeit keine Notwendigkeit, Nutzungszeiten festzulegen. Die Teilnehmer am Rundgang versichern dagegen, dass sie schon oft die Polizei gerufen haben. Stefan Karle in seinem Antwortschreiben vom 16. November 2023 entgegnet, „dass wir in den Sommermonaten der letzten Jahre mindestens wöchentlich, wenn nicht sogar täglich, den Ordnungsdienst oder die Polizei wegen massiver Lärmbelästigung nach 22.00 Uhr anrufen mussten!“
Was die Stadt tut, reicht nicht für den kleinen Stadtteil
Karle hat inzwischen begonnen, die Missstände mit Fotos zu dokumentieren. In einer Antwort an die Verwaltung geht er detailliert auf einzelne Punkte ein, weist etwa auf den Umstand hin, dass im eigenen Garten die Ratten bereits seinen Kindern über die Füße liefen. Ein privat beauftragter Schädlingsbekämpfer habe bestätigt, dass das Problem vom Spielplatz her besteht, wo große offene Rattenlöcher zu sehen sind. Der Waldhöfer zieht das Fazit: „Die von Ihnen beschriebenen Maßnahmen reichen offensichtlich nicht mal aus, um in einem kleinen Stadtteil mit sechs Straßen für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen.“
In einem öffentlichen Brandbrief hat Jürgen Kurtz eine Liste von mehr als zehn erforderlichen Maßnahmen zusammengestellt, die aus Sicht der Bürgerinitiative unabdingbar sind, um das Viertel vor dem Abstieg zu retten. Mehr als einmal während des Rundganges wird von Wegzug geredet. Familien kehrten dem Waldhof den Rücken. „Wir sind die Letzten hier, aber alle schon über 50“, sagt eine Frau.
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