Awo-Ballett

Sombrero-Verbot auf der Buga in Mannheim: "Wollen doch nur tanzen und Freude bereiten"

Mit seinen Sombreros ist das Mannheimer Awo-Ballett wegen eines Auftritts auf der Buga 23 in eine hitzige öffentliche Auseinandersetzung geraten. Ein Besuch bei der Leiterin der Seniorinnengruppe, Erika Schmaltz

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Thorsten Langscheid
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Tanztrainerin Erika Schmaltz zeigt ein Kostüm, das sie vor einigen Jahren von einer Reise nach Ägypten mitgebracht hat. © Thorsten Langscheid

Mannheim. Erika Schmaltz ist die Leiterin des Awo-Balletts, das nach dem Sombrero-Verbot durch die Mannheimer Bundesgartenschau-Gesellschaft in den Mittelpunkt einer heftigen medialen Auseinandersetzung über kulturelle Aneignung geraten ist. Wir haben die 75-Jährige im Mannheimer Stadtteil Pfingstberg besucht.

Wenn die ein bisschen aus der Mode geratenen und als klischeehaft geltenden Bezeichnungen „Energiebündel“ oder „Powerfrau“ auf jemanden ohne Abstriche voll und ganz zutreffen, dann ist es Erika Schmaltz. Für das Gespräch mit dem „MM“-Reporter hat sie alte Fotoalben gerichtet und Kostüme bereit gelegt.

Beim Erzählen über ihr Leben als Tanztrainerin und vor allem über „ihre“ Frauen der Senioren-Tanzgruppe leuchten ihre Augen und sie sprudelt schier über von Geschichtchen und Anekdötchen aus mehr als vier Jahrzehnten „Awo-Ballett“.

Schmaltz erzählt von vergangenen Auftritten

Der Wirbel um den Sombrero-Eklat auf der Buga spielt dabei keine Rolle. „Das hätte ich mir gerne erspart", sagt sie nur und erzählt viel lieber, wie sie die Ideen für ihre Kostüme entwickelt hat, von wem sie dabei Unterstützung und Hilfe bekommen hat, wie sie mit einfachen Mitteln tolle, elegante und hinreißende Bühnenoutfits für ihre Tanzgruppe „zauberte“ - für regelmäßige Auftritte auf der Rheinauer Meile, für zahlreiche Gastspiele im Seniorenzentrum Waldhof und im Fritz-Esser-Haus auf der Vogelstang, beim Jim-Clark-Gedächtnisrennen auf dem Hockenheimring. Und im Jahr 2011 sogar auf der Buga in Koblenz.

Wir hatten gut und gerne 30 Auftritte im Jahr.
Erika Schmaltz Leiterin des Awo-Balletts

„Wir hatten gut und gerne 30 Auftritte im Jahr“, erinnert sie sich - „und einmal waren es 50 Termine in der Saison.“ Damals stand sie mit dem Awo-Ballett an einem einzigen Tag sogar sieben Mal auf der Bühne - auf sieben verschiedenen Bühnen wohlgemerkt. „Das war der absolute Höhepunkt“, strahlt Erika Schmaltz.

Awo-Ballet mit immer neuen Ideen

Dass die Corona-Pandemie all diesen Aktivitäten ein jähes Ende gesetzt hat, schmerzt die 75-Jährige. Und vor allem, dass der „Betrieb“ nur sehr schleppend wieder anläuft, nachdem nun auch für Senioreneinrichtungen die letzten Einschränkungen und die Maskenpflicht gefallen sind. „Ich mache das einfach gerne, ich habe eine blühende Fantasie und immer neue Ideen, wie man eine Tanznummer gestalten kann“, zeigt sie sich von der Bewegung und der Arbeit mit den Frauen im fortgeschrittenen Alter begeistert wie am ersten Tag.

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Der erste Tag, das war übrigens 1980 beim Sommerfest auf dem Pfingstberger Marktplatz. Die junge Tanztrainerin hatte damals die Seniorengruppe gegründet, nachdem sie Frauengruppen, Männer und Kinder gecoacht hatte. „Für die Alten wurde nichts gemacht, das wollte ich ändern“, erklärt sie. Mit diesem Projekt „landete“ sie seinerzeit ganz schnell bei der Arbeiterwohlfahrt, bei der sie dann eine ganze Reihe Aus- und Weiterbildungen in Sachen Choreografie, Tanz und Seniorenarbeit absolvierte.

So gestaltet sie bis heute die Kostüme für ihre Tanzgruppe und hat große Freude daran, so unterschiedliche Themen wie Märchen-Tänze, Geishas, Can-Can, My Fair Lady, A Chorus Line oder einen Holzschuhtanz mit Musik und den entsprechenden Kostümen umzusetzen, „als Heino, als Gutsel, als Mannheimer Waschweiber“, zählt sie auf.

Schmaltz kam über die Fastnacht zum Tanzen

Die Verkleidung, das Tanzen, die Auftritte, das war schon eine Herzensangelegenheit für die junge Mutter zweier Söhne, die selbst als Kind über die Fasnacht zum Tanzen kam. „Ich habe bei den Sandhase, bei der Pilwe und schließlich acht Jahre lang beim Feuerio in den Garden getanzt“, berichtet sie nicht ohne Stolz. Und dass sie 1966 im Gefolge der von der Pilwe gestellten Mannheimer Stadtprinzessin Ursel I. vom Kritzelministerium unterwegs war.

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Beim Feuerio wurde für das Tanzmariechen (das ist die Solo-Tänzerin) eine klassische Ballettausbildung verlangt - die sie mit 17 Jahren „reichlich spät“ begann. „Der Liebe wegen . . .“ wie sie ihren Wechsel von der Neckarauer Narrengilde zur großen Mannheimer Carnevalgesellschaft erklärt. Später, als Trainerin, coacht sie dann den TSV Rheinau und die Mobäre in Kronau.

Auszeichnungen für ehrenamtliches Engagement

Ihr vielfältiges, ehrenamtliches Engagement bleibt nicht unbemerkt: Oberbürgermeister Peter Kurz zeichnet sie für 40 Jahre im Ehrenamt aus, der Mannheimer Seniorenrat verleiht ihr in Anerkennung ihrer Verdienste den Seniorentaler, und die vom Gewerbeverein des Stadtteils begründete Initiative Rheinau sagt Dankeschön würdigt ihren selbstlosen Einsatz für die Menschen.

Nach Jahren der Berufstätigkeit bei der damaligen BBC und der Familiengründung mit ihrem Mann Gerald arbeitete sie im Eisgeschäft ihrer Mutter auf dem Pfingstberg mit. Den Stand gibt es zwar längst nicht mehr, die Eismaschine ist aber bis heute funktionstüchtig und kommt bei Festen und Feiern immer wieder zum Einsatz.

Awo-Ballet-Chefin reist viel: "Nach Mexiko haben wir es nicht geschafft"

Urlaub im Hochsommer - das war wegen des Geschäfts über Jahrzehnte tabu. Und doch lernten Erika und Gerald Schmaltz viele Länder der Welt kennen: „Frühjahr und Herbst sind sehr gute Reisezeiten.“ An die Elfenbeinküste, nach Kenia, Togo, Ägypten, und in all den Jahren immer wieder in die Türkei haben sie die Reisen geführt. Nur nach Mexiko, „dahin haben wir es nicht geschafft“, lacht sie.

Und dann berichtet sie doch noch von den unzähligen Emails und Anrufen, die ihr der Sombrero-Eklat eingebracht hat. Zuerst nur positive. Nachdem sie mit dem Awo-Ballett aber auf den Kompromiss in Sachen Sombrero und anderer Kostüme eingegangen ist, kamen auch heftige Beschimpfungen. „Die Leute werfen uns vor, dass wir eingeknickt sind“, berichtet sie. „Dabei wollen wir doch nur tanzen und Freude bereiten.“

Redaktion koordiniert die Berichte aus den Mannheimer Stadtteilen.

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