Aktionstag - Bürgerinitiativen bereiten sich auf juristische Auseinandersetzung vor / Aktionstag am 24. April auf dem Rheindamm

Warum Bürger in Mannheim-Lindenhof auf dem Rheindamm eine Menschenkette bilden wollen

Von 
Tanja Capuana
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Blick auf den Lindenhofer Rheindamm: Viele Menschen setzen sich im Stadtteil für die Erhaltung des alten Baumbestandes ein. © Thomas Tröster

Mannheim. Wie geht es eigentlich mit der geplanten Sanierung des Rheindamms weiter? Die Aktiven der Bürger-Interessengemeinschaft (BIG) Lindenhof um Vorsitzenden Ullrich Holl und seinen Stellvertreter Marc-Oliver Kuhse informierten im Vorfeld des Aktionstags am 24. April über den Stand des Genehmigungsverfahrens bei einer Info-Veranstaltung in der Lanzkapelle an der Meerfeldstraße.

Stadtverwaltung prüft Unterlagen

Bereits im Februar, ein Jahr nachdem 2021 die Unterlagen des Regierungspräsidiums zu dem Sanierungsvorhaben bei der Stadt eingegangen seien, wurden weitere Unterlagen nachgereicht, die die Kommune eingefordert hatte. „Jetzt ist die Untere Wasserbehörde wieder eingetreten in die Prüfung der Vollständigkeit“, sagt die Juristin Christine Gerner, die sich bei dem Thema stark engagiert. „Wie lange das dauert, wissen wir nicht.“

Wenn die Unterlagen dann offengelegt werden, können sich die Bürgerinnen und Bürger diese einen Monat lang im Internet oder im Technischen Rathaus anschauen, so Gerner. „Es gibt eine schöne Neuigkeit: Die Einwendungsfrist wird von der unteren Wasserbehörde freiwillig von sechs auf acht Wochen verlängert.“ So lange hätten die Bürgerinnen und Bürger ab der Offenlegung Zeit, um die Einwendungen anzufertigen. „Spätestens am letzten Tag der Frist müssen sie dann dort sein.“

Einwendungen, so Ullrich Holl, seien das wichtigste Instrument in der Auseinandersetzung um den Rheindamm. Holl: „Da gibt es emotionale Einwendungen.“ Etwa wenn ein Kind den Lieblingsspielplatz nicht mehr nutzen kann, da es durch den jahrelangen Bau zu laut wird: „Das sind emotionale Dinge, die sind total wichtig.“ Je mehr Einwendungen es sind, umso deutlicher wird, viele Menschen möchten einen sichereren Damm als den, der geplant ist. „Je mehr Einwendungen erhoben werden, umso besser.“

Dies sei nicht nur relevant für die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde, sondern auch ein politisches Signal an das Regierungspräsidium und das Umweltministerium Baden-Württemberg. Zudem gebe es weitere rechtliche Einwendungen, über die Christine Gerner referiert. Gründe für Einwendungen könnten etwa alle Bewohner der betroffenen Stadtteile vortragen, weil durch den drohenden Kahlschlag der Wohnwert allgemein, besonders aber auch in der Bauphase erheblich beeinträchtigt wäre.

Für Eigentümer kann auch wichtig sein, dass ihre Immobilie eine Wertminderung erleiden würde oder Mietminderungen riskiert werden. Die Beeinträchtigung des Freizeit- und Erholungswertes und der Naturschutzbelange mache aber alle zu Betroffenen, unabhängig vom Wohnort.

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Gerner erklärt den Interessenten, dass, sollte der Fall vor Gericht gehen, nur die Gründe Berücksichtigung finden, die bereits im Vorfeld als Einwendungen eingereicht wurden. Die Anwältin rät auch, die Einwendungen persönlich bei der unteren Wasserbehörde abzugeben oder sie per Einschreiben oder Fax zu versenden. Nur so erhalte man einen Nachweis für den Eingang.

Die Sanierung des Rheindamms ist ein Thema, das kontrovers diskutiert wird. Während das Regierungspräsidiums Karlsruhe den Damm in aufwändiger Erdbauweise erneuern möchte, setzt sich die Bürger-Interessengemeinschaft (BIG) Lindenhof für eine nachhaltigere Alternative ein. Holl und Kuhse erklärten, warum es wichtig ist, dass die Bürger Einwendungen formulieren. Die Rechtsanwältin Gerner erläuterte zudem, in welchem Zeitrahmen die einzelnen juristischen Schritte über die Bühne gehen.

Der Rheindamm sei sanierungsbedürftig, sagte Holl bei der Begrüßung. „Es gibt grundsätzlich zwei Alternativen: Erdbauweise oder mit einer Hochwasserschutzwand.“ Der Verein arbeite daran, dass eine Hochwasserschutzwand eingebaut werde, die aus verschiedenen Gründen sicherer als ein Erdbau sei. „Erddämme sind per se unsicherer“, sagt Holl. Im Falle von Sanierungen in Form eines Erddamms, müsste der Damm fast komplett abgetragen und wieder aufgebaut werden. Das bedeutet, dass auf einer Länge von fast vier Kilometern in einer Breite von 30 bis 50 Metern sieben Hektar Wald, und damit mehrere Tausend Bäume, gefällt werden müssten. Die BIG setzt sich daher seit 2018 mit einer Hochwasserschutzwand für eine nachhaltigere Alternative ein, die mehrere im Wasserbau erfahrene Ingenieure vorgeschlagen hatten. Mit einer Hochwasserschutzwand, die in den Damm eingelassen würde, könnte nicht nur der alte Damm erhalten werden, sondern auch die meisten Bäume. Gleichzeitig biete sie einen hohen Schutz vor Hochwasser und die Bauzeit würde zwischen einem Jahr und anderthalb Jahren dauern - im Gegensatz zu einer mindestens vierjährigen Bauzeit des Damms in Erdbauweise.

Regelwerk umfasst Wissen von Ingenieuren - und keinen Klimaforschern

Es gab verschiedene Anfragen ans Regierungspräsidium, was die Gründe angeht, warum sie einen Erddamm planen, sagt Holl. „Die Antworten der Umweltministerin sei gewesen, dass der Erdbau eine seit Jahrzehnten bewährte Bauweise sei. „Grundlage für diese Vorgehensweise ist das von der grüngeführten Landesregierung initiierte „Dammertüchtigungsprogramm Baden-Württemberg“ aus dem Jahr 2015, das im ganzen Land baumfreie Dämme vorsieht“, sagt Sabine Jinschek, Vorsitzende der Initiative Waldpark Mannheim. „Diese Dämme entsprechen nicht mehr den heutigen Regeln der Technik“, heißt es in dem Programm. Aber die „heutigen Regeln der Technik“, um die es hier geht - das ist in erster Linie die DIN 19712 „Flussdeiche“ - sind aus dem Jahr 2013. Verabschiedet wurde es also vor fast zehn Jahren. Wie wichtig Bäume für den Klimaschutz sind, wurden von den DIN-Mitgliedern damals nicht berücksichtigt“, sagt sie. „Entwickelt wurde dieses Regelwerk ausschließlich von Ingenieuren. Das Wissen und die Erfahrungen von Baumsachverständigen, insbesondere Baumstatikern, und von Klimaforschern sind darin nicht eingeflossen.“

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Die BIG steht im Dialog mit der Stadt: In einer Petition, bei der mehr als 45.000 Bürgerinnen und Bürger unterschrieben hatten, wurde gefordert, eine Hochwasserschutzwand in Betracht zu ziehen. Gute Gespräche gab es mit Oberbürgermeister Peter Kurz und Umweltdezernentin Diana Pretzell. Der Bürgerinitiative wurde zugesichert, dass die Schutzwand von einem Gutachter geprüft wird. Gleichzeitig hat das Regierungspräsidium seine Pläne im Februar 2021 bei der Stadt eingereicht, derzeit werden die Unterlagen auf Vollständigkeit geprüft und spätestens nach der Sommerpause öffentlich gemacht. Dann kann jeder, der sich in seinen Belangen betroffen fühlt, Einwendungen einreichen. Mitglieder der BIG, die sich für den Baumerhalt engagieren, haben sich zu einer Ortsgruppe des Umweltverbands „Bürgerinitiative für eine verträgliche Retention im Paminaraum“ zusammengeschlossen. Auf diese Weise ist es für die BIG möglich, falls der Planfeststellungsbeschluss der Stadt negativ sein sollte, dagegen zu klagen.

Starkes Zeichen für die Erhaltung der Bäume auf dem Damm

  • Zur Kulturmahnwache und Menschenkette laden die Initiative Waldpark Mannheim, die Gruppe „Konferenz der Bäume“ und die Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG) Lindenhof, unterstützt von SOS Stadtbaum, am Sonntag, 24. April, ein.
  • Um 14 Uhr beginnt die Kulturmahnwache auf dem Damm, Höhe Speyerer Straße, mit Musik, Lesungen und einem Baumquiz für Kinder.
  • Ab 16.15 Uhr wird die Menschenkette auf dem Damm von der Weinbietstraße bis zum Großkraftwerk gebildet. 1,50-Meter-Schal oder -Band zum Abstand halten mitbringen!

Freie Autorin Kulturredaktion, Lokalredaktion, Wochenende. Schwerpunkte: Bunte Themen, Reisereportagen, Interviews, Musik (von elektronischer Tanzmusik bis Pop), Comedy und Musicals

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