Mannheim gehörte im letzten Jahr zu den heißesten Städten der Republik. Mit einer Durchschnittstemperatur von 12,8 Grad teilte sich die Quadratestadt den deutschlandweiten dritten Platz mit Freiburg und Bad Bergzabern in der Südpfalz. Nur Waghäusel bei Karlsruhe und Köln-Stammheim hatten eine höhere Durchschnittstemperatur vorzuweisen. Wie die Stadt Mannheim auf ihrer Internetseite schreibt, liegt dies vor allem an der starken Flächenversiegelung, „maßgeblich verantwortlich für die steigenden Temperaturen in der Stadt“ seien jedoch auch die Treibhausgase, die im Verkehr verursacht werden. Die Stadt hat sich daher zum Ziel gemacht, den CO2-Ausstoß in Mannheim bis zum Jahr 2035 um 77,5 Prozent verglichen mit dem Jahr 2019 zu senken - ein ambitioniertes Ziel, das, wie das Ingenieursbüro IVAS errechnet hat, nur mit einer Vielzahl von Maßnahmen erreicht werden kann. Die Bevölkerung auf diesem Weg miteinzubeziehen war daher das Ziel des Stadtteilforums Süd zum Masterplan Mobilität 2035 im Technischen Rathaus.
Verhalten reflektieren
Bereits im Juni 2022 hatte es fünf Stadtteilforen gegeben, die der Sondierung erster Maßnahmen gedient hatten. Michael Glatthaar vom Büro Proloco, der die Veranstaltung moderierte, erklärte, es brauche einen öffentlichen Diskurs. Eine gesamtgesellschaftliche Diskussion sei nötig, um auch das eigene Mobilitätsverhalten zu reflektieren. Zusammen mit Hendrik Sander, Dirk Ohm und Ulrike Kleemann stellte Glatthaar den Klima-Mobilitätsplan der Stadt Mannheim vor. Eine Herausforderung dabei: das moderate aber stetige Bevölkerungswachstum der Stadt Mannheim, das auch mit Blick auf den demografischen Wandel zusätzliche Schwierigkeiten schaffe.
Das Büro IVAS hat dazu vier verschiedene Szenarien entwickelt, wobei das gravierendste Szenario eine CO2-Verringerung um 67 Prozent vorsieht. Die restlichen zehn Prozent seien durch staatliche und EU-weite Vorgaben zu bewerkstelligen. Das Ergebnis dieser Analyse sei die Implementierung von sogenannten Push- und Pull-Maßnahmen, also Maßnahmen, die den CO2-Ausstoß sanktionierten, etwa eine CO2-Bepreisung und die gleichzeitig Anreize zu klimafreundlicher Fortbewegung lieferten. Mögliche Pull-Maßnahmen seien Angebotsverbesserungen im ÖPNV und Radverkehr, auch die Dekarbonisierung von Autos sei wichtiger Bestandteil der Strategie.
Dirk Ohm stellte anschließend die Konzepte für Mannheim für die vier Bereiche Fahrradverkehr, Fußverkehr, ÖPNV und Automobile vor. Herausfordernd im Radverkehr sei, etwa verglichen mit einem Auto, dass Fahrradfahrer zu unterschiedlichen Geschwindigkeiten neigten. Diese Leistungsunterschiede machten die Schaffung von Überholmöglichkeiten nötig, was auf den dünnen Fahrradstreifen am Rande der Autofahrbahn schwerlich möglich sei. Zudem müssten die Radschnellwege ausgebaut werden und zusätzlich eine bessere Wahrnehmbarkeit dieser Wege geschaffen werden.
Urbane Plätze
Der oftmals vernachlässigte Fußverkehr könne derweil mit zusätzlicher Flächengewinnung rechnen. Konflikte zwischen Fahrradfahrern und Fußgängern seien zu vermeiden, „gemeinsame Führungsformen wollen wir künftig vermeiden“, so Ohm. Mit Blick auf das zunehmend heiße Klima sprach Dirk Ohm von urbanen und klimaangepassten Plätzen in Mannheim. Auch Dirk Ohm merkte an, Mannheim sei eine der heißesten Städte Deutschlands, ein Gegenmittel sei zusätzliche Entsiegelung, Beschattung und Begrünung von Flächen. Auch Trinkbrunnen sollen eingerichtet werden.
Der öffentliche Personennahverkehr stand zunächst im Zeichen der S-Bahn, die aufgewertet werden solle. Zudem sollen künftig neue Schnellbuslinien eingerichtet werden, die Mannheim von der Rheinau über Ilvesheim und Vogelstang mit Schönau verbinden sollen. Auf diese Weise soll der Verkehr zwischen den Stadtteilen erleichtert werden.
Im Bereich des Individualverkehrs wird künftig nicht mehr die Kapazitätssteigerung vordergründig sein. Vielmehr sei die „Entlastung sowie die Schaffung stadtverträglicher Infrastruktur“ oberstes Ziel. Auf Hauptverkehrsstraßen soll künftig weiterhin Tempo 50 gelten, abseits davon soll eine Begrenzung von 30 km/h Standard werden. Zudem sollen „Hochleistungsknoten“, wie die Brücke vom Jungbusch in die Neckarstadt saniert werden. Eine Ausweitung des gebührenpflichtigen Parkens soll Langzeitparker abschrecken und eine bessere Erreichbarkeit mit dem Auto sicherstellen.
Anschließend an den etwa 45-minütigen Vortrag fanden sich die ca. 50 Anwesenden in Gruppen zu den vier Themen zusammen, um zu beraten, was die Maßnahmen konkret für die südlichen Mannheimer Stadtteile zu bedeuten hatten.
In der Gruppe für den Fahrradverkehr erklärte Michael Glatthaar mögliche Auswirkungen. Der Trend gehe zu sogenannten Protected Bike Lanes, die separat und parallel zum Autoverkehr liefen und beispielsweise hohen Anklang in Paris finden. Eine Anwohnerin beklagte derweil die Enge der Radstreifen, etwa in der Augustaanlage. Ihr Wunsch: ein geschützter Radweg.
Die Gruppe für den Fußverkehr nahm sich der Erreichbarkeit von und durch Fußwege an. Demnach sei ein Umschwung der Priorisierung, etwa von Ampelschaltungen zu erwarten, die dem Fußverkehr künftig mehr Raum bieten sollen. Oft wurden die Niederlande als Beispiel genannt, wo Fahrradwege auf separaten Straßen verliefen und somit nicht den Fußgängern in die Quere kämen.
Ein oft angesprochenes Problem im ÖPNV war derweil die Erreichbarkeit der Haltestellen. Wie Dirk Ohm erklärte, habe das Personenbeförderungsgesetz einen barrierefreien Zustieg zum ÖPNV bis zum 1. Januar 2022 gefordert. In der Praxis sei dies jedoch nicht umgesetzt worden. Bestes Beispiel: der S-Bahnhof Mannheim-Seckenheim, bei dem auch die Google-Bewertung mit 2,6 Sternen (Vergleich: SAP-Arena 4,0 Sterne) vom großen Unmut der Nutzer der Haltestelle zeugt. Ein Bezirksbeiratsmitglied aus Seckenheim bezeichnete den Bahnhof als „katastrophal“, einen Aufzug gebe es nicht, mit einem Fahrrad komme man schon schwerlich aus dem Bahnhof raus, im Rollstuhl sei der Bahnhof überhaupt nicht zu erreichen.
Dem Auto Raum nehmen
Klar ist indes bei allen Planungen: „Dem Auto muss Raum genommen werden, es kann schlicht kein zusätzlicher Raum geschaffen werden.“, so Michael Glatthaar. Ein Diskussionspunkt war daher auch die Schaffung einer Fahrradspur auf der Neckarauer Straße und die gleichzeitige Wegnahme einer Spur für den Autoverkehr.
Giuseppe Randizi vom Bezirksbeirat Seckenheim lenkte den Fokus derweil auf ein anderes Angebot. Er äußerte den Wunsch, das Leihradgeschäft „NextBike“ auch auf die umliegenden Bezirke auszuweiten. Das Angebot, das etwa Studenten für eine halbe Stunde pro Leihe kostenlos angeboten wird, ist beliebt und schafft zusätzliche und vor allem umweltfreundliche Mobilität innerhalb Mannheims. Wer jedoch bis Seckenheim, Ilvesheim oder Schönau mit dem Leihrad fahren möchte, ist bedient.
Auch hier lohnt sich ein Blick in die Niederlande, wo diverse Angebote, wie die Ausleihe von Elektrorollern und Fahrrädern, zur Verfügung stehen. Eine Teilnehmerin bemerkt: „In den Niederlanden schauen die Menschen vor der Querung einer Straße auch nach rechts und links - aber das tun sie genauso auch bei Fahrradwegen!“
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