Kirche

So verabschieden die Mannheimer Katholiken ihre Kirche St. Hildegard

Sie wird zur Pflegeschule der Caritas umgebaut: die Kirche St. Hildegard in Käfertal-Süd. Viele Gemeindemitglieder sind traurig über den Abschied, andere gestalten ihn aktiv, damit das Gemeindeleben weitergeht

Von 
Peter W. Ragge
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Der Turm bleibt, die Kirche wird zur Pflegeschule umgebaut: St. Hildegard in Käfertal-Süd, wo an diesem Wochenende der Abschied beginnt. © Michael Ruffler

Käfertal. Es soll ein langsamer Abschied werden. An diesem Wochenende beginnt er. Und am Sonntag, 27. Oktober ab 11 Uhr ist es endgültig. Stadtdekan Karl Jung und Pfarrer Daniel Kunz feiern in St. Hildegard in Käfertal-Süd einen letzten Festgottesdienst, um dann bei der sogenannten Profanierung die Weihe der Kirche aufzuheben. Sie ist dann kein sakraler Ort mehr. Es ist die erste katholische Kirche, die in Mannheim aufgegeben wird. Die Gemeinde zieht anschließend in einer Prozession zur benachbarten evangelischen Philippuskirche, wo das kirchliche Leben vor Ort weitergehen soll.

Manche treue Katholiken wollen hier dann keine Gottesdienste mehr besuchen und auch der Prozession fernbleiben. „Es gibt Leute, die sehr mit der Entscheidung hadern“, räumt Silke Ostermeier ein, Mitglied des Gemeindeteams, „und die bedauern, dass es keinen größeren Kampf gab, dass es jetzt so schnell geht“, so die Leiterin des Liturgieausschusses der Gemeinde. Viele seien traurig, „und der 27. Oktober wird sicher noch mal hart werden für alle“, sagt Ostermeier. „Aber so ist halt die Entwicklung“, seufzt sie.

Die Caritas baut die Kirche St. Hildegard in Mannheim zur Pflegeschule um

Die Entwicklung – das ist der Zwang, dass die katholische Kirche wegen sinkender Mitgliederzahlen und zurückgehender Kirchensteuereinnahmen Gebäude abgeben, sich von Kirchen trennen muss. Schon im Vorgriff auf die Entscheidung, welche Kirchen das trifft, hat sich aber der Caritasverband der Erzdiözese Freiburg Ende 2022 an die Gemeinde gewandt. Er muss seine bisherige Pflegeschule in Schwetzingen räumen und nahm, auch wegen der Nachbarschaft zum Joseph-Bauer-Haus der Caritas und der besonders geeigneten Architektur, die Kirche St. Hildegard in den Blick. Er plant, bereits im Spätjahr die Kirche zu einer Schule für Erzieherinnen sowie Pflegerinnen umzubauen.

Wird künftig ökumenisch genutzt: die evangelische Philippuskirche in Käfertal-Süd. © Michael Ruffler

Im Januar hatte der Pfarrgemeinderat für die Umnutzung der Kirche gestimmt. Betroffen sind das Kirchengebäude inklusive Sakristei und Werktagskirche. Dabei werden in das Gebäude zwei Ebenen eingezogen, so dass es dann drei Stockwerke umfasst. Die Pläne von Architekt Christian Franck sehen vor, die Backsteinfassade aufzubrechen und dort Fenster einzubauen, aber am gesamten Charakter des Baus nichts zu ändern. Neben einigen Klassenzimmern soll es im Erdgeschoss einen Sozialraum mit Cafeteria geben. „Die Räume könnten nach Schulschluss natürlich auch für die Gemeinde genutzt werden“, so das Angebot von Susanne Hartmann, Leiterin der Abteilung Bildung, Qualifizierung & Befähigung des Verbands. Sie versichert: „Es bleibt eine soziale Mitte, das Stadtbild und größtenteils die Fassade der Kirche erhalten.“

Derzeit besitzt die gelb verklinkerte Hallenkirche keine Fenster, sondern unter dem sehr flachen Satteldach ein vierreihiges Band von Glaswaben und im Erdgeschoss Glaswände. Der stützenlose Innenraum hat Lochziegelwände.

Die Pfarrgemeinde St. Hildegard ist schon älter als die Kirche. Sie entstand nach dem Ersten Weltkrieg in der wachsenden Siedlung rund um den Bäckerweg in Käfertal-Süd. 1934/1935 wurden nach den Plänen des Architekten Josef Lutz an der Ecke Bäckerweg/Dürkheimer Straße eine Notkirche, ein Pfarrhaus und ein Schwesternhaus gebaut. Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, hat man es danach wieder aufgebaut. Es wird heute als Kindergarten genutzt. Weil das Wohngebiet weiter wuchs, begann 1959 der Neubau nach den Plänen von Heinz Heß, der unter anderem auch St. Konrad, St. Theresia, St. Michael und Zwölf Apostel entwarf. Am 21. Juni 1961 war die Weihe, 63 Jahre danach soll die Geschichte der Kirche enden.

Was aber bleibt, sind das Gemeindehaus mit Jugendräumen und Wohnungen, der Kindergarten sowie der freistehende Kirchturm mit dem Geläut. „Hier werden wir einen Gebetsraum einrichten“, kündigt Silke Ostermeier an, „der auch tagsüber offen ist“ – denn das wird die evangelische, künftig ökumenische Philippuskirche wegen des Kindergartens im gleichen Haus nicht sein.

Ostermeier ist mit dem Gemeindeteam um die beiden Sprecher Markus März und Jürgen Klenk die Verantwortliche der Abschieds-Aktionen unter dem Namen „Hilde zieht zu Philipp“. Die Initiativgruppe umfasse etwa 20 bis 25 Ehrenamtliche und bestehe aus Vertretern aller Gruppen der Gemeinde, von Senioren über Aktive der Katholischen Frauengemeinschaft (kfd) bis hin zu Ministranten. Bereits seit Anfang des Jahres planen sie Gespräche, Veranstaltungen und ökumenische Projekte mit den evangelischen Geschwistern der Philippusgemeinde.

„Natürlich fällt uns der Abschied schwer“, aber man habe ihn „so gut wie möglich organisieren und gestalten“ wollen. „Dabei sind wir aber auch noch mal zusammengewachsen“, hebt sie hervor. Andererseits gebe es Momente, wo „viele dann doch sehr traurig sind, da trägt man sich dann eben gegenseitig durch diese Phasen“, so Ostermeier – etwa als alle angepackt und gemeinsam entrümpelt haben. Wichtig sei allen, „dass die Gemeinde weiterlebt, wenn schon nicht das Gebäude weiterlebt“.

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Schließlich handelt es sich um eine sehr lebendige Gemeinde. Entsprechend viele Fragen, teils auch Proteste gab es bei zwei Gemeindeversammlungen im April und November 2023 zu dem Thema. Von einem „Schlag ins Gesicht“ war die Rede und vom „Boden, den wir unter den Füßen weggezogen bekommen“. Denn so empfanden viele der Gemeindemitglieder den Verkauf der Kirche. Mehrere Redner verwiesen darauf, dass St. Hildegard eine der wenigen Gemeinden bundesweit ist, die wächst – durch die Neubaugebiete Spinelli und Franklin. Und eine Dokumentation, wie lebendig die Gemeinde ist, umfasst immerhin 28 Seiten.

Pfarrer Daniel Kunz als Mitglied des Pfarrgemeinderats und Dekan Karl Jung argumentierten aber damit, der Umbau böte nicht nur der Caritas die Möglichkeit, ihre Bildungseinrichtungen zu modernisieren, sondern auch der Gemeinde die Chance, das Gebäude für einen kirchlichen Zweck zu erhalten. Denn klar sei, dass nicht alle Kirchen und Gemeindehäuser der Feudenheim, Käfertal, Vogelstang, Wallstadt, Straßenheim und Ilvesheim umfassenden Kirchengemeinde Maria Magdalena langfristig erhalten werden könnten. Die Trennung von St. Hildegard erfolgt nun aber, noch bevor das Gesamtkonzept für ganz Mannheim beschlossen ist.

Redaktion Chefreporter

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