Mannheim. Trist, dreckig, völlig wild verschmiert - so kennen die Spaziergänger, Jogger und Binnenschiffer viele der Brückenpfeiler am Neckar. Jetzt gibt es eine Ausnahme: Der international tätige Urban Art- und Graffitikünstler Christoph „JEROO“ Ganter hat einen Pfeiler der Brücke der Lauffener Straße zur Maulbeerinsel in Feudenheim mit einem Kunstwerk versehen - auf Initiative und finanziert von einer Feudenheimerin.
Es war der Lieblings-Angelplatz ihres Vaters Dieter Bordne. Als er im Januar 2017 starb, überlegte Jessica Bordne, diese eigentlich schöne, aber doch sehr vernachlässigte Stelle am Neckar mit Graffiti verschönern zu lassen - als bleibende Erinnerung an ihren Vater. Sie nahm Kontakt zum Stadtraumservice auf. Der habe ihr auch „unkompliziert eine Genehmigung für die Brückengestaltung erteilt“ und ihr die Kontaktdaten eines möglichen Künstlers zukommen lassen, berichtet Jessica Bordne. Doch „manche Themen müssen reifen“, sagte die Betriebswirtin und Mutter von zwei Söhnen. Sie tauschte Ideen mit Ganter aus, sparte für sein Honorar. Nun freut sich die Feudenheimerin darauf, „dass er diesen Ort aufwertet, mit dem ich sehr viele Erinnerungen verbinde“, sagt Bordne.
Für Christoph „JEROO“ Ganter ist es ein „mehr als ungewöhnlicher Auftrag“, sagt er. Auf solch eine Privatinitiative und mit diesem Hintergrund sei er erstmals tätig. „Ich werde viel gebucht, aber das ist schon eine außergewöhnliche Geschichte“, so Ganter. Sonst seien meist die Bahn, Kraftwerksbetreiber oder Firmen seine Auftraggeber.
In dem Metier tätig ist er schon seit seinem zwölften Lebensjahr. „Aber anfangs habe ich illegal gesprayt“, gesteht der 41-Jährige. Dann sei er „ein paar mal erwischt worden“, deshalb bekam er „Arbeitsstunden aufgebrummt“. Daraufhin habe er „entschieden, dass es nicht so weitergehen kann“, so Ganter. Der gebürtige Freiburger suchte nach Möglichkeiten, legal seine Werke zu platzieren.
Zudem studierte er, unterrichtete dann zehn Jahre Sport und Englisch an einem Stuttgarter Gymnasium. 2013 hat Ganter das erste Graffiti-Lehrbuch „»Graffiti School“ geschrieben, das in fünf Sprachen erschienen ist und sich zu einem Standardwerk entwickelt hat.
Eine idyllische Stelle
Vor zwei Jahren verabschiedete sich der 41-Jährige von der Schule, um nur noch als Künstler zu arbeiten. Er gestaltete Bahnhöfe, Brückenpfeiler, Wände im Stuttgarter Zoo Wilhelma, das Foyer von Bosch, war zu mehreren Ausstellungen im In- und Ausland und zur Kasseler Documenta eingeladen. „Die größte Ehre“ allerdings, wie er stolz berichtet, bescherte ihm die Post, denn für die Serie „Street Art“ durfte er gerade erst das Motiv der 160-Cent-Marke mit dem Pfau und dem Kranich versehen, die er an die Wand einer Sporthalle in Ostfildern gemalt hatte
Tiermotive verwendet er nun auch in Feudenheim. Der Brückenpfeiler zwischen Neckarkanal und Maulbeerinsel sei „eigentlich eine richtig schöne, idyllische Stelle, direkt am Fluss und mitten im Grünen“, freut er sich über die Aufgabe. Leider sei er aber „ziemlich runtergesifft und dreckig“ gewesen, bedauert er. Zunächst musste er die etwa acht Meter hohe und 20 Meter breite Fläche daher aufwendig reinigen und grundieren. Dabei habe er natürlich auch illegale Graffitis übermalen müssen. „Aber ich lasse denen einen Gruß da, sonst sind sie sauer - ich weiß das, ich habe ja auch mal so angefangen“, erklärt er.
Inzwischen setzt er auf ausgeklügelte Farb- und Formkonzepte, damit sich seine Arbeiten in die Umgebung einpassen und die Architektur der Fläche aufgreifen. Besonders mag er bunte Tierwelten, farbenfrohe Pflanzen und ornamentale Designs, die an den Jugendstil erinnern. Ein riesiger Fisch und ein großer Eisvogel - passend zum Lieblings-Anglerplatz von Dieter Bordne - sowie Blüten und Kristalle hat er für Feudenheim entworfen und mit mehr als 100 Spraydosen auf dem Brückenpfeiler gemalt.
„Da fehlen natürlich noch Licht-Schattierungen, Konturen und Linien, da passiert noch Einiges“, betont er, als diese Redaktion ihn bei der Arbeit besucht. Aber bis zum Wochenende, wenn viele Spaziergänger zur Maulbeerinsel laufen, sei alles fertig. „Ich hoffe, es bleibt lange bestehen“, wünscht sich Ganter.
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