Es fällt ihr nicht leicht, und emotional hängt sie noch sehr an dem Gebäude. „Aber ich musste jetzt eine Entscheidung treffen“, sagt Astrid Wiesenberger. Und diese Entscheidung lautet: Der Feudenheimer Wasserturm soll verkauft werden. Für 2,65 Millionen Euro bietet sie Mannheims wohl ungewöhnlichste, höchstgelegene Wohnung mit hervorragender Aussicht und dazu den den Turmschaft im Erdgeschoss angebauten Bungalow an.
„Für zwei Generationen war das perfekt“, schwärmt Wiesenberger – und so hat sie hier auch lange gelebt: Sie mit ihrer Familie oben im Turm in ungewöhnlichen, stilvoll-individuellen Ambiente, ihre Eltern in dem 218 Quadratmeter großen, barrierefreien Einfamilienhaus mit Sheddach und offenem Kamin, bei dem ein Teil der Außenmauer des Wasserturms die Wohnzimmerwand bildet.
Raffiniert konstruiert hat das alles ihr Vater, Architekt Hubertus Kirsch. Als in den 1970er Jahren die zahlreichen Wassertürme der – einst selbstständigen – Vororte ihre Funktion verloren, drohte der Abriss, denn der Denkmalschutz hatte noch nicht die gleiche Bedeutung wie heute. Kirsch ging das Wagnis ein, den Turm dauerhaft bewohnbar zu machen, und zwar auch oben in der Kuppel – das ist kein einziger der anderen, längst ebenfalls privat genutzten Mannheimer Wassertürme.
Zunächst baute Kirsch unten das Einfamilienhaus an, dann widmete er sich dem Turm und schuf hier mit vielen Ideen und Liebe zum Detail, aber auch Sinn für praktische Erfordernisse eine höchst ungewöhnliche Wohnlandschaft in rund 40 Metern Höhe. Anfangs wollte er den stählernen, kugelförmigen Wasserbehälter in der Kuppel herausschweißen – aber merkte plötzlich, dass Teile des Behälters auch die Statik des ganzen Turms zusammenhalten. Nun ist die stählerne Kugel Bestandteil des in drei Wohnebenen unterteilten, 216 Quadratmeter großen, sehr großzügigen und offenen Wohnbereichs.
Balkon und Aufzug
Was es nur nicht gibt, sind gerade Wände. Dafür fertigte Kirsch eben passgenaue Einbauschränke selbst an, kreierte – ein an den Jugendstil angelehnte – reich verzierte Handläufe der Messing-Spindeltreppen zwischen den Wohnebenen, spezielle Lichtschalter, verschnörkelte Lampen. Zudem verlegte er Parkett-, Marmor- und Teppichboden mit Fußbodenheizung, versah die Wände mit einer speziellen Spachtelung.
Die Kuppel des Turms ergänzte der Architekt mit einem stählernen Umgang, der als Balkon wie auch Arbeitsfläche und Rettungsweg dient – was einst bei Feuerwehr und Denkmalschutz nicht einfach durchzusetzen war, aber gelang und sich bewährte. Er ist mit einem beweglichen Tisch auf Schienen versehen – man kann jeweils dort sitzen, wo die Sonne scheint. Auch einen Aufzug hat der Architekt eingebaut, die vorher sehr schmalen Fenster vergrößert, im Erdgeschoss des Turms eine 75 Quadratmeter große weitere Wohn- oder Lagerfläche geschaffen sowie im Garten einen Teich mit Koi-Karpfen angelegt.
Der Wasserturm
- Der Wasserturm auf einer Anhöhe an der Ecke Talstraße/Andreas-Hofer-Straße im Mannheimer Stadtteil Feudenheim wurde 1905 von Architekt Julius Benzinger als Teil der eigenständigen Wasserversorgung des damals selbstständigen Orts gebaut.
- Er gilt als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung.
- Der aus roten Ziegeln mit gelben Klinkern gemauerte Turm ist 27,30 Meter hoch. Der Durchmesser beträgt unten 11,30 Meter, oben 7,20 Meter. Er hat ein Kupferdach mit darunterliegender, sechs Zentimeter dicker Spritzbetonschicht. Mit Kuppel, Dach und Dachlaterne ist der gesamte Turm 44,10 Meter hoch.
- Der Wasserbehälter hatte einen Durchmesser von 9,50 Meter. Er fasste 350 Kubikmeter.
- Versorgt wurde er vom Feudenheimer Wasserwerk an der Ilvesheimer Straße, ab 1906 in Betrieb, 1922 elektrifiziert und 1974 stillgelegt.
Lange lebte Kirsch selbst hier oben. Er zog dann im Alter in den Bungalow ins Erdgeschoss und wohnte hier bis zum Tod, während seine Tochter mit ihrem Mann und zwei Söhnen dann die luftige Höhe genoss. „Wir schweben hier über Feudenheim“, beschrieb sie mal begeistert die Aussicht.
Eine Einheit
Aber 2020 wechselte die Familie in die frisch sanierte Wohnung im Erdgeschoss. Für den Turm suchte sie seinerzeit jemand, „der diese besondere Lage zu würdigen weiß“. Die Wahl fiel auf eine Firma, die aber inzwischen wieder auszog. Der Turm steht daher leer, der Bungalow ist noch bewohnt. Findet sich ein Käufer, würde Wiesenberger und ihre Familie ausziehen. Beide Einheiten getrennt zu vermieten, sei schwer – „es ist letztlich eine Einheit“, sagt Michael Goelz von der Heidelberger Firma CM Immobilien, die mit dem Verkauf des ungewöhnlichen Objekts betraut ist und dafür nun einen Liebhaber sucht.
Schon seit März 2019 steht der Wallstadter Wasserturm, dessen Wasserbehälter im Gegensatz zu Feudenheim nicht ausgebaut ist, zum Verkauf. Der Preis sank von 1,2 Millionen auf eine Million und auf zuletzt 750 000 Euro. Seit Herbst wird die Immobilie aber nicht mehr aktiv vermarktet.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/feudenheim_artikel,-feudenheim-der-feudenheimer-wasserturm-sucht-kaeufer-_arid,1925822.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/feudenheim.html