Städteplanung

Spatenstich - was sich auf dem Bahnbetriebswerk in Heidelberg tut

Auf dem ehemaligen Bahngelände in Heidelberg soll bald ein neues Quartier aus dem Boden wachsen - teilweise auf Stahlbrücken und Stelen.

Von 
Jasper Rothfels
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Auf 18 000 Quadratmetern Nutzfläche sollen am ehemaligen Bahnbetriebswerk Büros, Werkstätten, Läden und Ateliers entstehen. © Christoph Blüthner

Heidelberg. Knapp eine Woche vor der Abschlusskonferenz der Internationalen Bauausstellung (IBA) Heidelberg ist am ehemaligen Bahnbetriebswerk der erste Spatenstich für ein weiteres großes Projekt mit IBA-Beteiligung gesetzt worden. Auf dem 13 554 Quadratmeter großen Grundstück des Betriebswerks, auf dem noch Altbauten wie Werkstätten und Verwaltung erhalten sind, sollen zusätzlich vier schlanke „Werkhäuser“, ein siebenstöckiger „Werkturm“, sieben Pavillons und ein Gästehaus entstehen. Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) griff am Freitag unter anderem mit zwei der Initiatoren, den Architekten Armin Schäfer und Stefan Loebner, sowie dem IBA-Direktor Prof. Michael Braum, zur Schaufel, um zu signalisieren, dass es losgeht.

Heim für 80 Loks

  • Bei seiner Indienstnahme 1927 war das Bahnbetriebswerk den heutigen Betreibern zufolge das modernste seiner Art in Europa.
  • 80 Dampfloks waren dort stationiert, die hinter dem Verwaltungsgebäude mit seinen gestuften Giebeln in fünf Hallen und der Werkstatt in Schuss gehalten wurden.
  • Mit dem 500 Meter entfernten „Tankturm“ war es bis in die 1970er Jahre funktionales Zentrum des Güter- und Bahnbetriebs für Stadt und Region, bis Anfang der 1980er Jahre wurde es allmählich stillgelegt.
  • In den 1990er Jahren quartierte das Heidelberger Sozialamt dort provisorisch etwa 40 Obdachlose ein, die 2021 in einen Neubau umzogen.

Auf 18 000 Quadratmetern Nutzfläche, davon 5000 Quadratmeter in denkmalgeschütztem Altbau, sollen Büros, Werkstätten, Läden und Ateliers entstehen, dazu Bühnen, eine Kita, Kommunikations-, Spiel-, und Sporträume sowie Gastronomie und ein Gästehaus - insgesamt etwa 620 Arbeitsplätze. „Zeitgemäßes Arbeiten - echt, menschlich, gemeinsam - das ist das Ziel“, umriss Architekt Schäfer vom Projektentwickler und Generalplaner AAg LoebnerSchäferWeber BDA - Freie Architekten GmbH die Idee. Die Architekten haben schon den nahen „Tankturm“ neu „erschlossen“ und dafür 2016 den Landesdenkmalpreis erhalten. Dort sitzt auch die Firmenzentrale der Experten, die auch andere Bahnhofsbauten wie die Halle 02 zu neuem Leben erweckten.

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„Schwebender“ Werkturm

Hinter den Altbauten des Betriebswerks erinnern Betonstelen an die großen Betriebshallen von einst. Fast alles soll bleiben. „Diese Struktur ist ja deswegen auch für uns interessant, weil sie die Geschichte transportiert und die Atmosphäre, deswegen wollen wir die erhalten“, so Schäfer. Lange habe man überlegt, wie man dort Neubauten hinsetzen könne, ohne die Struktur kaputtzumachen.

Die Lösung sieht so aus, dass Werkhäuser und Werkturm auf Betonpfeilern stehen und über dem Boden „schweben“, Pflanzen und Tiere, die sich seit der Stilllegung angesiedelt haben, können bleiben. Eine Brückenkonstruktion aus Stahl verbindet die Werkhäuser auf mehreren Ebenen.

Geplant ist, die Qualitätskriterien der deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen weitgehend umzusetzen - und einen „Passivhaus-Standard“ zu erreichen. Neben dem Erhalt der Altbauten ist vorgesehen, dass neue Gebäude mit Recyclingmaterialien wie Recyclingbeton gebaut werden, die einheitlich sind und deshalb in ferner Zukunft gut wiederverwendet werden können.

Ein weitgehender Verzicht auf Haustechnik („low tech“) soll den Energieverbrauch senken. So sollen die Fensteröffnungen so gestaltet werden, dass sie sich bei Sonne quasi selbst „verschatten“ und kein elektronischer Sonnenschutz nötig ist.

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Das Volumen des Projekts, dem zwei Banken unter die Arme greifen, beträgt 61,2 Millionen Euro. Baukostensteigerungen habe man einkalkuliert, sagte Michael Lehner, Vorsitzender des Beirates der Betriebswerk GmbH & Co. KG, des Projektträgers. Im Rohbaubereich habe man „Gott sei dank“ schon vor Beginn der Krise alles eingetütet. Die Situation sei spannend und herausfordernd, aber man sei „zuversichtlich optimistisch“. Nach einer gewissen Verzögerung wird die endgültige Fertigstellung für 2025 erwartet.

Kita will einziehen

Auch Mieter gibt es schon. Im „Denkmalbereich“ liege die Vermietungsquote bei 60 bis 70 Prozent, sagte Schäfer, im Neubau bei zehn Prozent - unter anderem für eine zweisprachige Kita und ein Unternehmen für Textildesign, das in ein Werkhaus einzieht. Nach seinen Worten werden die Heidelberger Sinfoniker ihre Geschäftsstelle und Probenräume im Betriebswerk haben.

„An dem Projekt hat uns insbesondere interessiert der Mut der Architekten, sich auf sowas einzulassen“, sagte der Direktor der IBA Heidelberg, Prof. Braum, der wie Würzner auch den Aspekt der Nachhaltigkeit betonte. Zudem habe die IBA interessiert, „dass aus einem fürchterlichen Ort zwischen Bahngleisen und großen Lagerhallen ein kultureller Ort entsteht, der so eine Kraft des Eigenlebens hat, dass es vielleicht einer der schönsten kreativen Orte hier in Heidelberg werden kann“.

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