Kommentar Wegbrechende Gewerbesteuer-Millionen in Ludwigshafen: Wie im falschen Film

"Schlimmer geht immer" oder "The Lost City" - viele Filmtitel könnten die derzeitige Haushaltslage in Ludwigshafen treffend beschreiben. Wie im falschen Film müssen sich dabei Kommunalpolitiker und Verwaltung fühlen

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Julian Eistetter
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Ludwigshafen. "Schlimmer geht immer“ - wenn es diesen Filmtitel nicht schon gäbe, so müsste er für die Stadt Ludwigshafen eigens erfunden werden. Seit Jahren reiht sich in Mannheims linksrheinischer Schwesterkommune eine finanzielle Hiobsbotschaft an die andere, die einst so wohlhabende Chemiestadt ist in einem üblen Teufelskreis gefangen. Der Blutdruck steigt deshalb bei neuerlichen Negativmeldungen eigentlich nicht mehr so schnell an. Diesmal ist das ob der schieren Summe etwas anders. 170 Millionen Euro Gewerbesteuer muss die Stadt nach einem Gerichtsurteil des Bundesfinanzhofs auf einen Schlag an Unternehmen zurückzahlen. Das ist in dieser Größenordnung ein nie dagewesener Vorgang. Ein „historisches Ereignis“, wie der Kämmerer Andreas Schwarz sagt.

Leidtun können einem bei der ganzen Sache vor allem die Menschen, die sich in der Kommunalpolitik engagieren. Die Stadtratsfraktionen, die in mühevollen Sparrunden und Konsolidierungskreisen jeden Cent zweimal umdrehen. Die um niedrige Tausenderbeträge streiten, damit die Stadt möglichst lebenswert bleibt - und dann solche Summen vor den Latz geknallt bekommen. Der Verdruss in den Reihen der Stadträtinnen und -räte ist mittlerweile förmlich greifbar. Und er ist allzu verständlich. Gestaltungsmöglichkeiten gibt es längst nicht mehr, nur noch Mangelverwaltung. Politikverdrossenheit unter Mandatsträgern ist auf Dauer die logische Folge.

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Mit diesem Problem steht Ludwigshafen auch nicht allein da. Vielen anderen Kommunen in Rheinland-Pfalz geht es genauso, das ist hinlänglich thematisiert. Dennoch nimmt Ludwigshafen mit seinem strukturellen Defizit im Sozialbereich, mit dem hohen Ausländeranteil und der hohen Arbeitslosigkeit eine Sonderrolle ein. In diesem Zusammenhang muss klar sein, dass die überraschend und unverschuldet wegbrechenden 170 Millionen Euro nicht an anderer Stelle eingespart werden können. Diese Last darf die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion der Stadt nicht aufbürden, sonst gehen die Lichter eher heute als morgen aus.

Die ganze Misere zeigt einmal mehr, dass diese Stadt mehr Hilfe braucht. In erster Linie ist da das Land gefragt, dessen Suppe Ludwigshafen nach den erfolgreichen Klagen der Unternehmen gegen die Berechnungen der Finanzbehörde nun quasi auslöffeln darf. Die angekündigte Altschuldenübernahme kann da nur der Anfang sein. Denn wenn nicht bald die Trendwende gelingt, passt ein Filmtitel aus dem Jahr 2022 wohl noch besser: „The Lost City“ - die verlorene Stadt.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur