Finanzen

Stadt Ludwigshafen muss 170 Millionen Euro Steuern zurückzahlen

Die Haushaltskrise in Ludwigshafen verschärft sich weiter. Nach einem Gerichtsurteil muss die Stadt Gewerbesteuern an Unternehmen zurückzahlen, die geklagt hatten. Das steckt dahinter

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Julian Eistetter
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Bei der Gewerbesteuer hat Ludwigshafen trotz großer Unternehmen „das Niveau einer Kleinstadt erreicht“, sagt Kämmerer Andreas Schwarz. © dpa

Ludwigshafen. Die Haushaltskrise in Ludwigshafen spitzt sich weiter zu. Wie Kämmerer Andreas Schwarz (SPD) am Montag bei einem Pressegespräch berichtete, steigt der Jahresfehlbetrag für 2023 um weitere 126 Millionen auf rund 200 Millionen Euro. Der Grund: Die Stadt muss Gewerbesteuerrückzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe an Unternehmen leisten.

Hiobsbotschaften folgen dicht aufeinander

Bereits im September war deshalb ein erster Nachtragshaushalt mit einer Verschlechterung um 45 Millionen Euro eingebracht worden. Nun folgte die nächste, noch gravierendere Hiobsbotschaft mit zusätzlich erforderlichen Rückzahlungen von 126 Millionen Euro. Insgesamt werden also rund 170 Millionen Euro fällig.

Schwarz ist alles andere als ein Neuling auf seinem Gebiet. Vor seiner Station als Wächter der Stadtkasse in Ludwigshafen war er schon einige Jahre Kämmerer in der Nachbarstadt Frankenthal. Er kennt sich aus auf seinem Gebiet und ist gut vernetzt. Was er derzeit in der Chemiestadt erleben muss, ist aber auch für ihn komplett neu. Innerhalb weniger Wochen ereilen die Stadt zwei gravierende Sondereffekte im Bereich der Gewerbesteuer. Die ohnehin schon finanziell stark gebeutelte Stadt muss also insgesamt 170 Millionen Euro an Unternehmen zurückzahlen. Der ursprünglich im Haushalt vorgesehene Jahresfehlbetrag von rund 31 Millionen Euro steigt auf insgesamt 200 Millionen Euro.

Kämmerer spricht von einem "historischen Ereignis"

„Mit dem Begriff historisch muss man vorsichtig sein. Aber das ist ein historisches Ereignis“, sagt Schwarz am Montag bei einem Pressegespräch. Gerade erst hatte er im September den ersten Nachtragshaushalt mit einer Verschlechterung von 45 Millionen Euro wegen eines gewerbesteuerlichen Sondereffekts in den Stadtrat eingebracht, da flatterte schon die nächste Hiobsbotschaft ins Haus.

Ein Urteil des Bundesfinanzhofs zwingt die Stadt Ludwigshafen, weitere Gewerbesteuern aus längst vergangenen Haushaltsjahren zurückzuzahlen. Unternehmen hatten gegen die Bescheide geklagt und nun nach vielen Jahren Recht bekommen. Neben den reinen Rückzahlungen von 93 Millionen Euro steigt der Zinsaufwand um 33 Millionen Euro - es brechen also auf einen Schlag zu den 45 Millionen aus dem September weitere 126 Millionen Euro weg.

„Für uns kam diese Nachricht völlig überraschend“, sagt Schwarz, der betont, dass die Stadt für diese Entwicklungen keinerlei Verantwortung trage und sie nicht habe absehen können. Zu den anhängigen Klagen gegen Steuerzahlungen erhalte man seitens der Finanzbehörde keine Informationen, auf drohende Rückzahlungen könne man sich also nicht vorbereiten.

Klagen richten sich gegen die vom Finanzamt festgesetzten Bescheide

Auch Mimmo Scarmato, Leiter des städtischen Bereichs Finanzen, weist darauf hin, dass sich die Klagen der Betriebe gegen die Finanzbehörde, und eben nicht gegen die Stadt richten. „Die Berechnung der Beträge übernehmen die Finanzbehörden, darauf haben die Gemeinden keinen Einfluss. Sie bekommen die Beträge nur mitgeteilt und multiplizieren sie mit dem gültigen Hebesatz.“

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Die sprichwörtliche Suppe auslöffeln muss nun die Stadt. „Einen Sondereffekt in dieser Größenordnung habe ich noch nicht erlebt“, sagt Schwarz dazu. Lediglich den umgekehrten Fall habe es mit dem Geldsegen für die Stadt Mainz durch den Imfpstoff-Hersteller Biontech gegeben.

Gewerbesteuererträge in Ludwigshafen schrumpfen auf 11,8 Millionen Euro

Durch die Rückzahlungen schrumpfen die Gewerbesteuererträge der Stadt Ludwigshafen im Jahr 2023 auf 11,8 Millionen Euro zusammen. „Wir haben hier als Großstadt das Niveau einer Kleinstadt erreicht“, konstatiert der Kämmerer ernüchtert. Und das trotz eines Weltkonzerns wie der BASF in der Stadt. Scarmato weist jedoch darauf hin, dass die geringe Zahl nicht bedeute, dass die Wirtschaft derzeit schlecht laufe, da sich die Rückzahlungen eben auf vergangene Jahre beziehen.

Dennoch stellt sich die Situation in Ludwigshafen aktuell sogar noch deutlich schlechter dar als zu Zeiten der Corona-Pandemie (2020) oder der Finanzkrise (2008), als die Gewerbesteuereinnahmen in den folgenden Haushalten auf 75 beziehungsweise 67 Millionen Euro einbrachen.

Zu den Unternehmen macht die Stadt keine Angaben

Welche und wie viele Unternehmen im aktuellen Fall erfolgreich gegen die Gewerbesteuerbescheide geklagt haben, darüber machen Schwarz und Scarmato mit Verweis auf das Steuergeheimnis keine Angaben. Die enorme Summe lässt jedoch darauf schließen, dass die BASF als größter Ludwigshafener Gewerbesteuerzahler dabei gewesen sein muss. „Dass Unternehmen hinsichtlich der Steuerabgaben versuchen zu optimieren, ist legitim“, sagt Schwarz dazu. Für die Stadt bedeutet das jedoch weitere Herausforderungen.

Für den kommenden Haushalt 2024 bedeutet die aktuelle Misere eine deutliche Verschlechterung im Finanzhaushalt, der quasi das „laufende Geschäft“ abbildet. „Wir haben das Geld für die Rückzahlungen natürlich nicht und müssen es uns von Banken holen“, kündigt Schwarz die Aufnahme neuer Kredite an. Der Schuldenstand, der zum Jahresende 1,5 Milliarden Euro betragen soll, wird also weiter ansteigen.

Der Konsolidierungsplan der Stadt soll nicht gefährdet sein

Auf der anderen Seite rechnet die Stadt im kommenden Jahr aber auch mit der angekündigten Übernahme von Liquiditätskrediten in Höhe von 500 Millionen Euro durch das Land Rheinland-Pfalz. Ende 2024 soll die Gesamtverschuldung also bei rund 1,2 Milliarden Euro liegen. Den Konsolidierungsplan, der einen ausgeglichenen Haushalt in zehn Jahren vorsieht, will die Stadt trotz des Rückschlags weiter verfolgen. Für den Etat 2024 wird nach wie vor mit einem Defizit von „nur“ 28 Millionen Euro gerechnet.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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