Ludwigshafen. Mehr als zwei Dutzend Polizeibeamte setzen sich in Zweierteams vor der Ludwigshafener Eberthalle in Bewegung - bereit für einen lebensbedrohlichen Einsatz. Statt der gängigen Maschinenpistole MP5 aus dem Hause Heckler & Koch halten sie heute nur Schreckschuss-Maschinenpistolen in den Händen. Fast 20 Kilogramm wiegt die Ausrüstung inklusive der dicken Westen, die alle tragen. Sie schützen im Ernstfall vor gezielten Treffern am Körper. Dunkle Schutzhelme und Sturmhauben lassen nur noch Sehschlitze offen. So geht es in die Halle.
Dort lief bis vor wenigen Minuten eine Musikveranstaltung von Schülern ab - jäh unterbrochen von mehreren Knall- oder Schussgeräuschen. Mehrere Anrufer bei der Polizei berichten von einer unübersichtlichen Lage und Schüssen. Jemand habe vor der Tribüne hysterisch geschrien. Die panische Menge strebt nun in alle Richtungen. Als die Beamten das Innere des Gebäudes durch den Haupteingang erreichen, stoßen die Interventionsteams bereits auf teils schwerstverletzte Menschen. Neben der Garderobe liegt ein Toter. Er hat offenbar Schusswunden. Die Beamten rücken vor, um die Eberthalle nach potenziellen Tätern zu durchforsten.
Wer die Berichte angesehen hat über das, was sich am 13. November des Jahres 2015 im Pariser Konzertsaal Bataclan zugetragen hat, der hat ein recht genaues Bild davon, welches Szenario sich insgesamt 27 Polizisten und acht dazugehörigen Statisten aus Ludwigshafen und Frankenthal am Dienstag bietet - eine große Einsatzlage, körperlich, psychisch sowie taktisch herausfordernd und belastend. Die Lage ist unübersichtlich. Spezialkräfte oder ein Sondereinsatzkommando sind noch weit entfernt.
Sicherheitsempfinden hat gelitten
Polizeioberrat Johannes Freundorfer ist erst seit einigen Wochen Leiter der Polizeiinspektion Ludwigshafen 2. Aber den Tag, der sich seither wie kaum ein anderer ins kollektive Gedächtnis der Stadt eingebrannt hat, hat der 39-Jährige an vorderster Stelle miterleben müssen - zwei Wochen nach seinem Dienstantritt. Als am 18. Oktober zwei Männer in Oggersheim einen sinnlosen Tod sterben, weil ein Wahnsinniger mit einem Messer auf sie einsticht, richtet sich der Blick im weiteren Verlauf vor allem auf die Einsatzkräfte von Freundorfers Polizeiinspektion. Sie verhindern durch gezielten Einsatz der Dienstwaffe weiteres Leid. Der Täter kann unschädlich gemacht und festgenommen werden.
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Was nach einer solchen Tat beeinträchtigt ist - und das weiß Freundorfer -, ist das subjektive Sicherheitsempfinden in der in Teilen traumatisierten Bevölkerung vor Ort. Die Betroffenheit im Stadtteil sei groß, merkt er im Anschluss an die Übung an. Schließlich lebten auch viele seiner Beamten und Beamtinnen dort. Und so mag das ein Grund dafür sein, dass die Übung dieses Mal nicht in der Abgeschiedenheit des Schieß- und Trainingszentrums in Enkenbach-Alsenborn bei Kaiserslautern abläuft, sondern an einem Veranstaltungsort, den fast jeder in der Region kennt - als Zeichen der Nähe quasi. „Wir wollen in lebensbedrohlichen Einsatzlagen professionell agieren - sowohl im Bereich Taktik und Strategie wie auch in Sachen Ausrüstung“, sagt der Polizeioberrat. Wichtig sei es - und das sei auch die erneute Erkenntnis aus der Bluttat in Oggersheim - schnell und koordiniert vorzugehen. Das müsse regelmäßig geübt werden.
Polizeitaktik bleibt geheim
Hinter die Kulissen - also in die Eberthalle selbst - lässt man die Fotografen- und Kamerateams der Journalisten am Dienstag nicht schauen. Zu groß ist der Respekt vor zu viel Öffentlichkeit und der Preisgabe polizeitaktischen Verhaltens. Das würden dann auch Leute sehen, von denen man nicht wolle, dass sie über das Vorgehen der Einsatzkräfte bescheid wissen, sagt Freundorfer. „Die Einsatzkräfte müssen zudem die Möglichkeit haben, in einem abgeschirmten Bereich Fehler zu machen“, fügt er hinzu. Gleichzeitig betont er, dass an der Übung ausschließlich Leute beteiligt seien, die bereits in dieser Weise geschult worden seien. Für sie gehe es um Wiederholung und Auffrischung bereits erlernter Inhalte. Es erfordere intensives Training und routinierte Abläufe, mit dieser Ausrüstung in einer Extremsituation zu agieren,
Terroranschläge, Amokläufe und Geiselnahmen - das sind die lebensbedrohlichen Einsatzlagen, von denen am Dienstag die Rede ist. Sind die Streifenbeamten aus Ludwigshafen für die Erfordernisse dieser Formen des Verbrechens gut genug ausgerüstet? Johannes Freundorfer sagt, dass er überzeugt sei, dass die der Polizei zur Verfügung gestellte Ausrüstung die richtige ist, sie aber auch regelmäßig in Übungen zur Anwendung kommen müsse.
Optimierungsbedarfe habe man in manchen Teilbereichen dennoch erkannt. Diese müssten eingearbeitet werden, heißt es in einer abschließenden Stellungnahme des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, die schon vor Ablauf der Übung in der Eberthalle verbreitet wurde.
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