Warnstreik - Rund 900 Beschäftigte aus Kitas und Einrichtungen ziehen durch die Innenstadt / Kundgebung auf Europaplatz

Streik in Pfälzer Kitas - 900 Erzieherinnen bei Kundgebung in Ludwigshafen

Von 
Julian Eistetter
Lesedauer: 
Bei der zentralen Streik-Veranstaltung in Ludwigshafen zieht zunächst ein Protestzug durch die Innenstadt, ehe eine Kundgebung auf dem Europaplatz folgt. © Thomas Tröster

Ludwigshafen.  „Don’t stop believin’“ schallt am Mittwochvormittag um kurz vor 11 Uhr von den Lautsprecherboxen an der Bühne über den da noch menschenleeren Europaplatz in Ludwigshafen. Den Glauben nicht zu verlieren, darum geht es im Liedtext der Band Journey. Ein treffendes Motto für die rund 900 Menschen, die kurze Zeit später mit Transparenten, Schildern, gelben Warnwesten und Trillerpfeifen ausgestattet in einem langen Zug aus Richtung Innenstadt angelaufen kommen. „Unterbezahlt, überlastet, unbemerkt“ steht etwa auf einem großen Banner. „Kita - come in & burn out“ auf einem anderen. Erzieherinnen und Erzieher aus der gesamten Pfalz haben sich an diesem Tag in Ludwigshafen zusammengefunden, um in den laufenden Tarifverhandlungen gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen zu streiken.

Große Personalsorgen

Neben Ludwigshafen sind am Mittwoch etwa in Frankenthal, Speyer, Worms, Schifferstadt und Limburgerhof Einrichtungen geschlossen. Und auch am Donnerstag bleiben die Kitas noch zu. Sogar aus Pirmasens und Zweibrücken sind Erzieherinnen zur zentralen Veranstaltung in der Chemiestadt gekommen, wie Jürgen Knoll, Geschäftsführer des Bezirks Pfalz von verdi im Gespräch mit dieser Redaktion sagt. Insgesamt hätten in der gesamten Pfalz rund 1000 Betreuerinnen und Betreuer die Arbeit niedergelegt.

Mehr zum Thema

Betreuung

Personal von Mannheimer Kitas, Krippen und Horten im Streik

Veröffentlicht
Von
Bertram Bähr
Mehr erfahren
Gewerkschaft

Hunderte Erziehende fordern bei Warnstreik in Mannheim mehr Anerkennung

Veröffentlicht
Von
Tanja Capuana
Mehr erfahren
Wettbewerb

Ludwigshafener Kita "Regenbogen" im Rennen um den Deutschen Kita-Preis

Veröffentlicht
Von
Julian Eistetter
Mehr erfahren

Drei von ihnen lassen sich bei der Abschlusskundgebung auf der Eingangstreppe vor dem Stadthaus Nord nieder. Die Frauen arbeiten in einer Einrichtung im Ludwigshafener Stadtteil Süd. Ihnen geht es in erster Linie um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, sagen sie. „Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen. Es mangelt überall am Personal“, sagt eine der Erzieherinnen, die bereits seit 25 Jahren dieser Tätigkeit nachgeht. Das neue Kita-Gesetz, das in Rheinland-Pfalz vor einem knappen Jahr in Kraft getreten war, habe die Situation noch verschlechtert. „Wir haben in unserer Kita derzeit rund 50 Kinder, die Mittagessen bekommen. Das machen wir teilweise mit zwei Leuten. Das gleicht eher einer Abfertigung und da bleibt viel auf der Strecke“, sagt eine Kollegin, die seit drei Jahren im Beruf ist. Ihren Namen wollen alle drei nicht in den Medien lesen.

Für sie ist es wichtig, den Beruf gerade für Einsteiger attraktiver zu machen. „Sonst finden wir niemals den Nachwuchs, den wir benötigen“, sagt eine. Das könne insbesondere durch eine höhere Vergütung und eine gestraffte Ausbildung gelingen, sind die Frauen überzeugt. Deshalb seien sie dem Aufruf von Verdi gefolgt und auf die Straße gegangen.

Eltern und Kinder „in Geiselhaft“

Bei vielen Ludwigshafener Eltern kommen die Warnstreiks - zwei Verhandlungsrunden sind bereits ohne Abschluss durch, die dritte steht am 16. und 17. Mai an - nicht gut an. So ist der Stadtelternausschuss (StEA) zwar der Auffassung, dass es eine generelle Aufwertung des Berufs der Erzieherin und bessere Arbeitsbedingungen geben müsse, er kritisiert aber die Form der Tarifauseinandersetzung. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass regelmäßig jede Tarifrunde in der Branche von Verdi durch Warnstreiks begleitet wird“, heißt es in einem Schreiben des Vorstands. „Dabei werden die am stärksten von der Pandemie betroffenen Gruppen - Kinder und Eltern - bewusst getroffen und in Geiselhaft genommen.“

Zwar seien die Rahmenbedingungen für die Gewerkschaft angesichts stark eingeschränkter Betreuungsangebote in der Stadt durch massiven Personalmangel und Langzeiterkrankte derzeit optimal. „Nach den Corona-Einschränkungen der letzten Jahre gehen Familien und Kinder jedoch derart auf dem Zahnfleisch, dass kein Platz mehr für eine solche ,Tarif-Folklore“ ist“, appellieren die Eltern.

Die Taktung des Streiks lasse bezweifelnd, dass es den Streikführern um eine Lösung des Konflikts gehe. Deshalb fordert der StEA, dass sich die Tarifparteien unter Anleitung eines Mediators zusammensetzen und eine konstruktive Lösung finden. „Weitere Streiktage in den Kitas darf es in dieser Tarifrunde auf keinen Fall geben“, so die unmissverständliche Forderung.

Jürgen Knoll kann die Kritik nachvollziehen. „Dass die Eltern gefrustet sind, ist verständlich“, sagt er. „Aber auf freiwilliger Basis wird sich leider nichts tun. Wir müssen Druck auf die Arbeitgeberseite ausüben“, betont er. Und auch Verdi-Landesleiter Michael Blug stellt die Forderung in Richtung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, dass sie das Kita-Personal nicht nur loben sollen, sondern dass endlich „etwas rüberkommen“ müsse. Deshalb sollten die Stadtoberhäupter Druck auf die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) ausüben, die die Verhandlungen führt.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen