Gewerkschaft - Warnstreik der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst auf dem Alten Messplatz

Hunderte Erziehende fordern bei Warnstreik in Mannheim mehr Anerkennung

Von 
Tanja Capuana
Lesedauer: 
Mit einem ganztägigen Warnstreik verleihen die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst ihren Forderungen Nachdruck. © Tanja Capuana

Mannheim. Auf dem Alten Meßplatz ist an diesem Dienstagmittag viel Betrieb: Die Mitarbeiterinnen aus dem sozialen Sektor nehmen an einer Kundgebung von Verdi Rhein-Neckar teil. Mehr als 1000 Demonstranten haben sich auf dem Platz eingefunden, um für bessere Arbeitsbedingungen und gerechte Löhne in sozialen Berufen ein Zeichen zu setzen. Sie tragen Fahnen und Transparente mit Aussagen wie „Wir sind mehr wert“.

Die einen sind unter anderem für die Betreuung und Bildung von Kindern zuständig. Die anderen sorgen in Sozialen Diensten dafür, dass Kinder, die Gewalt und Misshandlung ausgesetzt sind, in einem sicheren Umfeld untergebracht werden. Zugleich leiden sie unter Personalnotstand und Arbeitsbedingungen, die sie an die Belastungsgrenze bringt. Sie wünschen sich daher nicht nur höhere Löhne, sondern auch Rahmenbedingungen, die es ihnen erlauben, ihre Arbeit so zu erledigen, dass die Kinder weiterhin in guten Händen sind. Außerdem wünschen sie sich mehr Anerkennung für ihre Arbeit, die auch gesellschaftlich wichtig ist. Bei der Kundgebung lobten unter anderem Stefanie Heß (Grüne) und Reinhold Götz (SPD) das Engagement.

Lokales

Warnstreik der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst

Veröffentlicht
Laufzeit
Mehr erfahren

„Heute ist nicht nur Streik, sondern auch der internationale Frauentag“, sagt Jürgen Lippl, Geschäftsführer von Verdi Rhein-Neckar, bei der Begrüßung. Schließlich arbeiten überwiegend Frauen in sozialen Berufen, erklärt Hansi Weber, Vorsitzende der Verdi-Fachgruppe Sozial, -Kinder und Jugend. „Ihr seid wichtig, ihr seid richtig, ihr seid da.“

Mehr zum Thema

Tarifverhandlungen

Streik in Mannheimer Kitas und bei der RNV

Veröffentlicht
Von
kpl
Mehr erfahren

„Wir stehen hinter euren Forderungen“, sagt Dennis Ulas von der Fraktion Li.Part.Tie. „Während der Corona-Pandemie habt ihr jeden Tag eure Gesundheit riskiert.“ Die angespannte Haushaltssituation können keine Ausrede sein, dass man keine besseren Bedingungen und höhere Löhne umsetzt.

Forderung nach Entlastung

Ralf Heller, Betriebsratsvorsitzender der Universitätsklinik Mannheim, erklärt, dass es nicht nur ums Geld geht. „Klar, Kohle ist wichtig“, sagt er. Aber ebenso wichtig sei auch die Forderung nach Entlastung. „Euer Streik ist unser Streik.“ Erzieherin Sabine Leber-Hoischen findet: „Corona ist wie ein Brennglas.“ Sie fordert: „Wir brauchen dringend eine Aufwertung des Berufs.“ In ihrer Branche sei der Fachkräftemangel eklatant, was zu einem Teufelskreis führe. „Wir sind am Limit, und wir haben mehr verdient.“

Ulrike Kahlert vertritt die Seite der Schülerbetreuung. „Bildung ist Frieden“, sagt sie und spielt auf die aktuelle Situation in der Ukraine an. Auch Christine Behle, Stellvertretende Verdi-Vorsitzende, setzt sich für die Forderungen der Erzieherinnen und Erzieher ein. Sie betont, dass mehr Gleichstellung nötig sei und nicht erwartet werden könne, dass Frauen ihre Arbeit im sozialen Bereich nur aus reiner Nächstenliebe tun. Schließlich müssten diese auch ihre Miete bezahlen, ihre Kinder ernähren und für ihre Rente arbeiten. Sie moniert, dass Angestellte im sozialen Sektor darum kämpfen müssten, wenn es um den Schutz ihrer Gesundheit ginge, etwa bei kostenlosen FFP2-Masken oder der Impfpriorisierung.

Mannheim

Beschäftigte fordern bessere Bedingungen - Hunderte bei Kita-Streik

Veröffentlicht
Bilder in Galerie
10
Mehr erfahren

Verena und Martina arbeiten im sozialen Dienst. Sie beklagen den Fachkräftemangel und dass sie den Kindern, die zu ihnen kommen, weil sie Hilfe brauchen, nicht so helfen können, wie sie es eigentlich möchten. Andrea, Kathrin und Johann arbeiten in einem Mannheimer Kindergarten. „Wir können unsere Standards nicht mehr erfüllen“, sagt der junge Mann im Anerkennungsjahr. „Deswegen streike ich heute.“ Kathrin bemängelt, dass auch die Qualität der Ausbildung leide, wenn man ins kalte Wasser geworfen werde. Dörte Roßbach-Tanke, Leiterin des Kindergartens Ladenburger Straße, erklärt, dass durch Corona der Personalmangel erkennbar geworden sei. „Uns laufen die Leute davon.“ Sie wünscht sich auch mehr Anerkennung. „Wir sind keine Basteltanten“, betont sie. Eine andere Erzieherin aus Mannheim, die anonym bleiben möchte, fragt sich, was mit den Kolleginnen und Kollegen passiert, die nicht mehr arbeiten können, deren Rente aber noch fern ist.

Streikschwerpunkt in Mannheim

  • Bundesweit hat die Gewerkschaft Verdi Erzieherinnen und Erzieher sowie Angestellte aus anderen sozialen Berufen zu Warnstreiks aufgerufen. Mehr als 1000 Beschäftigte haben am Weltfrauentag in Mannheim die ihre Arbeit niedergelegt.
  • Durch den Fachkräftemangel müssen sie häufig mehr Aufgaben und mehr Verantwortung übernehmen. Gleichzeitig befürchten sie, dass die Lange noch schlimmer wird, wenn Beschäftigte in Rente gehen und weniger Kräfte nachrücken.
  • Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im sozialen Sektor fordern nicht nur mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Sie wünschen sich mehr Entlastung und mehr Anerkennung. Bei der Tarifrunde steht auch das Thema Eingruppierung des Gehalts im Öffentlichen Dienst zur Debatte.
  • Verdi hatte nicht nur zur Kundgebung auf dem Alten Meßplatz eingeladen. Im Hauptquartier der IG Metall ging es nach der Kundgebung mit Workshops weiter. 

„Wir Eltern sehen den Streik zwiegespalten“, sagt Stefan Schwanke, Pressesprecher des städtischen Elternbeirats (STEB). „Auf der einen Seite unterstützen wir die Forderung und auch das, was Verdi gemacht hat. Die Erzieher haben viel geleistet, und gute Arbeit soll auch gut bezahlt werden.“ Auf der anderen Seite befinde man sich noch immer in der Pandemie. „Die Kinder haben sowieso massiv zurückgesteckt. Oft waren Häuser zu oder nur begrenzt offen. Und jetzt fällt noch mal ein Tag weg. Das ist die Kehrseite der Medaille.“ Er und seine Frau arbeiten im Homeoffice. „Heute ist es allerdings so, dass meine Frau sich Urlaub genommen, um der Sache Herr zu werden“, sagt er. Zeitlich so flexibel wie Schwanke seien aber nicht alle Eltern. „Entsprechend ist ein Tag wie heute schwierig.“

Freie Autorin Kulturredaktion, Lokalredaktion, Wochenende. Schwerpunkte: Bunte Themen, Reisereportagen, Interviews, Musik (von elektronischer Tanzmusik bis Pop), Comedy und Musicals

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen