Ludwigshafen. Jürgen Soltau gehört in der Ludwigshafener Stadtteilbibliothek Friesenheim zum ehrenamtlichen Team. Er weiß, dass dort viele Kinder, aber auch Erwachsene und ganze Familien regelmäßig Bücher ausleihen, deren Anschaffung sie sich nicht leisten könnten. Weil die Einrichtung auf einer der kursierenden Sparlisten der überschuldeten Kommune aufgetaucht ist, hat der Pensionär über die Internetplattform „openPetion“ eine Unterstützeraktion gestartet: „Wir wehren uns gegen Schließung von Stadtteilbibliotheken.“
Die Unterschriftenkampagne setzt sich nicht nur für die Bücherei in Friesenheim ein, sondern für all jene wohnortnahen Ausleihstellen, die vom Rotstift bedroht sind. In etwas mehr als einer Woche sei bei der Petition die Tausender-Marke geknackt worden, erzählt der Systemprogrammierer, der fast vier Jahrzehnte bei der BASF tätig war.
Gelebte Integration in der Stadtteilbibliothek Friesenheim
Als Jürgen Soltau vor einigen Jahren in Ruhestand ging, wollte er etwas Sinnvolles machen. Da hörte der Oggersheimer von Freunden, dass in einem ganz anderen Stadtteil, nämlich dort, wo der Ebert-Park liegt, die Stadtteilbibliothek vor dem Aus nur bewahrt werden könne, wenn es gelingt, das damals zweiköpfige hauptamtliche Teilzeit-Team auf eine bezahlte Kraft zu reduzieren.
Inzwischen ermöglichen Ehrenamtliche wie Jürgen Soltau, dass die in Schulräumen untergebrachte Bücherei, die längst auch so etwas wie eine Begegnungsstätte ist, jeweils mittwochs und freitags an Vormittagen wie Nachmittagen bis 18 Uhr geöffnet ist.
Es kommen Lehrerinnen mit ganzen Schulklassen, um Mädchen und Jungen mit dem Ausleihen von Büchern vertraut zu machen, erzählt der Ehrenamtliche und berichtet von Müttern mit Migrationshintergrund, die vermutlich kaum Deutsch lesen und schreiben können, aber gleichwohl ihre Sprösslinge mit Lesestoff versorgen. „Das ist gelebte Integration“, sagt der Pensionär, dem nicht einleuchtet, dass ein solches Potenzial für einen geringen Sparbetrag aufgegeben werden soll.
Mit diesem Unverständnis ist er nicht allein. Die von ihm am 12. Februar gestartete Online-Petition wies am Dienstagmittag – Stand 12.30 Uhr – bereits 1861 Unterstützende aus, davon die überwiegende Mehrheit aus Ludwigshafen.
An wen sich die Petition wendet
In dem Text heißt es: „Die Bibliotheken sind ein wesentlicher Teil des sozialen Umfeldes in den Stadtteilen.“ Bildungschancen, die in solchen wohnnahen Einrichtungen Kindern – mit und ohne Migrationshintergrund – geboten werden, so lautet die Botschaft, dürften genauso wenig „weggespart werden“ wie das Fördern von Lesen im Erwachsenenalter.
Auch wenn sich die Petition (www.openpetition.de/!zqsvv) offiziell an Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck richtet, wendet sie sich auch an den Stadtrat – denn der wird voraussichtlich Mitte März über das entscheiden, was angesichts leerer Kassen bei sogenannten „Kann-Leistungen“ eingespart und was aber gleichwohl als soziales beziehungsweise kulturelles „Muss“ vom Rotstift verschont werden sollte.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Ärger um Sparliste in Ludwigshafen: OB Steinruck hat sich selbst geschadet