Etatplan - Der Stadtrat soll die Grundsteuer erhöhen, um den Haushalt für das Jahr 2022 von der ADD genehmigt zu bekommen

Stadt Ludwigshafen zahlt jeden Tag 75.000 Euro an Zinsen - und will nun Grundsteuer erhöhen

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Stephan Alfter
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Sieht seinem Endeentgegen: Im Rathaus-Center gehen bald die Lichter aus. Die Abrisskosten stehen im Haushaltsplan 2022 schon drin. © picture alliance / Uwe Anspach/dpa

Ludwigshafen. Begoña Hermann will nicht mehr zuschauen, wie Ludwigshafen ins völlige finanzielle Verderben rennt. Die Vizepräsidentin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier hat den Mitgliedern des Ludwigshafener Hauptausschusses anlässlich der Beratungen des Haushaltsplans am Dienstmorgen ab 10 Uhr recht deutlich ins Stammbuch geschrieben, dass sie entweder die Ausgaben ab dem Jahr 2022 verringern oder neue Einnahmen generieren müssen.

Quasi in vorauseilendem Gehorsam hat Kämmerer Andreas Schwarz eine Anhebung der Grundsteuer im vorliegenden Etatplan schon eingepreist. 7,8 Millionen zusätzliche Einnahmen sollen hier fließen. Die Reaktionen auf die Forderungen der ADD-Vizepräsidentin fielen in Teilen heftig aus. Thomas Schell sprach für die FDP, die auf Steuererhöhungen per se allergisch reagiert, gar von der Aufgabe des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung. Das sei ein ungeheuerlicher Vorgang. Die Stadt habe keine Einnahmeprobleme, sondern ein Ausgabenproblem. „Man lässt uns schlichtweg verhungern“, machte er seinem Ärger über die Politik von Bund und Land Luft.

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Steinruck fühlt sich allein gelassen

Zuvor hatte Rainer Metz für die Freien Wähler gesagt, dass Ludwigshafen ständig Leistungen für Gesetze erbringe, die im Land und im Bund gemacht würden. Es sei vollkommen unrealistisch, was Hermann fordere. CDU-Fraktionsvorsitzender Peter Uebel wandte ein, dass eine Erhöhung der Grundsteuer von Hausbesitzern an die Mieter einfach weitergegeben würde. Nicht zuletzt Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck und Kämmerer Andreas Schwarz sagten, dass man in Ludwigshafen alles tue, um die Haushaltssituation zu verbessern, aber man werde zum Beispiel bei der Digitalisierung alleine gelassen. Steinruck führte auch den zeitlichen und personellen Aufwand ins Feld, den Ludwigshafen für die Hochstraßensanierung betreiben müsse. Das tue man nicht nur für die Stadt, sondern für eine ganze Region. Auch das koste Geld. Es dürfe nicht alles ans Ende der Kette abgewälzt werden, so die Oberbürgermeisterin.

Was macht die ADD?

Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ist die zentrale Verwaltungsbehörde in Rheinland-Pfalz.

Die Behörde agiert als Mittler zwischen der Landesregierung und der kommunalen Selbstverwaltung. Sie wirkt beispielsweise in der Schulaufsicht bis hin zur Landwirtschaft, dem Weinbau und dem Wirtschaftsrecht.

Die Haushaltsplanungen von Städten und Landkreisen werden nach dem Beschluss durch die kommunalen Gremien zur Genehmigung zum Sitz der ADD geschickt.

Pro Tag 75 000 Euro Zinsen

Hermann ging nach einer ersten Reaktion der Fraktionen weiter auf Konfrontation: Ludwigshafen habe nicht genug gegeben bisher. Im Land Rheinland-Pfalz verzeichne die Stadt die höchsten Schulden und nehme die geringsten Grundsteuern ein. Das müsse sich ändern. Sie räumte eine gewisse Mitverantwortung der ADD ein. Aber die Stadt habe von sich aus zu wenig getan, um zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen. Dass dies möglich sei, bewiesen immer mehr verschuldete Kommunen in Rheinland-Pfalz - unter anderem sehe Kaiserslautern inzwischen den Horizont. Inwiefern soziale Strukturen und Zusammensetzung der Bevölkerung tatsächlich vergleichbar sind, ist weiter offen. Eine entsprechende Auflistung gibt es bisher nach Auskunft von Hermann nicht. Fest steht, dass in Ludwigshafen die Ausgaben für Jugend und Soziales seit Jahren aus dem Ruder laufen. Auch das Eigenkapital der Stadt nimmt ab: Lag es im Jahr 2009 noch bei über einer Milliarde Euro, sind es nach aktuellen Zahlen noch 340 Millionen Euro. Wie Ludwigshafens Altschulden von rund 1,4 Milliarden Euro verschwinden sollen, darauf hatte gestern auch die ADD-Vizepräsidentin keine adäquate Antwort. Wie Kämmerer Andreas Schwarz bestätigte, zahlt die Stadt für diese Schulden pro Tag 75 000 Euro Zinsen.

Als der Hauptausschuss am Mittag schließlich über den Etatplan abstimmen sollte, wurde klar, wie schwer sich das Gremium mit einer einhelligen Entscheidung tut. Die vierköpfige CDU-Fraktion kündigte in Person von Peter Uebel Enthaltung an. FDP, Grüne im Rat, Linke und AfD stimmten gegen den Entwurf, und die SPD war mit sechs Leuten für den Haushalt. Bestätigen muss dieses Ergebnis der Stadtrat. Steinruck warnte davor, den Plan dort „durchfallen“ zu lassen. Das würde bedeuten, sagte sie, dass viele Einrichtungen wie Schwimmbäder und Theater ab 1. Januar geschlossen bleiben müssten. Das müsse man dann den Bürgern erklären. . .

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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