Ludwigshafen. „Ludwigshafen: Wie hältst du das bloß aus? Das ist Provinz, finstere Provinz.“ Der Satz sitzt. Gleich zu Beginn des neuen Ludwigshafener Tatorts „Lenas Tante“ geht eben jene hart mit der Wahlheimat ihrer Nichte, Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), ins Gericht. Und doch markiert ihr Sätzchen bloß den seichten Einstieg in den Streifen. Einer, der über viele leichte und fast schon boulevardeske Momente in einen Film hineinziehen will, der zunehmend an Schwere gewinnt, der tiefgründig harte Themen transportieren will, während Gianna Nanninis „Bello e impossibile“ immer lauter wird.
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Einblicke in Dreharbeiten
Am Sonntag war die SWR-Produktion erstmals auf dem Festival des Deutschen Films auf der Parkinsel zu sehen. Am Montag sind Drehbuchautor Stefan Dähnert, die TV-Kommissarinnen Ulrike Folkerts und Lisa Bitter sowie Schauspieler Niklas Korth zum Filmgespräch an den Rhein gekommen. Und: Schauspielerin Ursula Werner, die Tante. Eine, die sie alle an die Wand gespielt habe, sagt Folkerts. Mit ihrer Mimik, ihrer Erfahrung aus den vielen Theater- und Filmrollen. In „Der Junge muss an die frische Luft“, spielte Werner etwa Hape Kerkelings Großmutter Bertha.
Schon lange sei im Team der Wunsch gereift, der Figur der Lena Odenthal mehr Schärfe zu geben, in ihre Herkunftsgeschichte einzutauchen, sagt Dähnert. Nach 32 Jahren, schiebt er hinterher und lacht. „Die Idee, eine Tante auftauchen zu lassen, stammte dabei von Ulrike.“ Und was für eine Tante. Eine Staatsanwältin, die Nazis jagt. Eine, die Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, als Desktop-Hintergrund eingestellt hat, „und die Lena an ihre Grenzen bringt“, resümiert Folkerts beim Filmgespräch.
Denn just in dem Moment, in dem die Tante auftaucht, kommt ein Mann auf der Bahre ins Krematorium auf dem Ludwigshafener Friedhof - obwohl er noch lebt. In den Ermittlungen tauchen Odenthal und ihre Kollegin Stern in einen Sumpf aus alten Verbrechen ein - und mitten hinein in die Gräueltaten der NS-Zeit, während im Jetzt Szenen aus dem Pflegealltag aufleuchten. Der Film entwirft das Bild einer Gesellschaft, die ihre Alten in Heimen zusammenpfercht, in einer Welt der Pflegestufen und der kassenärztlichen Begutachtung.
Dass alle Tatort-Ausgaben so unterschiedlich seien und jeder Film für sich ein bisschen anders daher komme, macht für Folkerts den Charme der Reihe aus. „Der Tatort ist mein Baby - für ihn würde ich immer in die Bresche springen.“ Auch wenn dem Abendprogramm anfangs höchstens eine Halbwertszeit von ein, zwei Jahren prognostiziert wurde, erinnert sich die Darstellerin. Die Zuhörer im Zelt bekommen am Montagnachmittag auch vage Einblicke, was es heißt, einen „Tatort“ zu produzieren. Etwa ein Jahr lang wird am Drehbuch gearbeitet, 26 Drehtage sind im Schnitt für einen 90-Minüter eingeplant. „In der Regel drehen wir etwa eine Woche davon in Ludwigshafen“, sagt Folkerts. Aus Budget- und Logistikgründen. Die Filmcrew über den gesamten Drehzeitraum unterzubringen und zu versorgen, würde den Filmetat sprengen. Außerdem würden alle Revierszenen in Baden-Baden gefilmt, in einem eigens ausgebauten Haus, das auch die Stuttgarter und die Freiburger Kollegen beherberge. Und: die Pathologie. „Während wir früher tatsächlich noch in ,echten’ Pathologien gedreht haben.“
Und dann ist er da, der Moment, in dem die Zuschauer ihre Fragen loswerden können. „Nächstes Jahr findet in Mannheim die Bundesgartenschau statt, wäre das nicht mal eine Kulisse für den Tatort“, fragt ein Zuschauer. Gelächter, Applaus. Ulrike Folkerts schmunzelt. Die Drehplanung für 2023 stehe längst. Und doch sprudelt es aus ihr heraus. „Interessanter Vorschlag: Wie wäre es mit ,dem Blumenmörder’“. Wieder erntet sie Lacher, gewinnt Sympathien mit ihren nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag. Und weitere, als sie auf die nächste Frage antwortet. Auf die Frage danach, was ihr die Stadt nach 32 Jahren „Tatort“ bedeute. „Für mich ist das ein Heimspiel hier. Wenn ich in Ludwigshafen bin, fühle ich eine tiefe Verbundenheit.“
Und ein bisschen erinnert ihre Antwort dabei an die eingangs beschriebene Szene. An ihre Figur Lena Odenthal, die auf die Frage ihrer Tante, wie sie es in der „finsteren Provinz“ nur aushalte, antwortet: „Ich werde der Stadt halt immer ähnlicher.“
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