Ludwigshafen. Frau Oberstleutnant oder Oberstleutnantin? Eine kleine Frage mit viel Aussagekraft. Erst seit etwas mehr als 20 Jahren dürfen Frauen in Deutschland Dienst an der Waffe leisten. Lange galt die Bundeswehr als letzte Männerdomäne - neben der Polizei. Um weibliche Führungskräfte in diesen traditionellen Männerwelten geht es im neuen Ludwigshafener „Tatort“-Fall „Das Verhör“. Aber auch um starke Frauen in der Gesellschaft generell, um die Wirkung, die sie erzeugen, um den Hass, dem sie ausgesetzt sind. Selten war ein Thema der dienstältesten „Tatort“-Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) so nah wie in diesem Krimi, der am Sonntag, 4. September, um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt wird.
Überzeugender Götz Otto
Der 75. Odenthal-Fall beginnt mit einem brutalen Mord an der Investmentbankerin Ann-Kathrin Werfel. Der Verdacht fällt zunächst auf ihren Ex-Mann Patrick Werfel, der jedoch ein wasserdichtes Alibi vorweisen kann. Die Indizien führen Lena Odenthal und ihre Partnerin Johanna Stern (Lisa Bitter) schließlich zu Hajo Kessler (Götz Otto), Hauptmann bei der Bundeswehr. Er gibt an, das Opfer nicht gekannt zu haben, doch sein Wagen wurde von einer Kamera an einer Tankstelle in der Nähe des Tatorts aufgezeichnet.
„Lenas Tante“ feiert bei Filmfestival Premiere
- Bevor am Sonntagabend im Ersten der Jubiläums-„Tatort: Das Verhör“ läuft, feiert beim Filmfestival auf der Ludwigshafener Parkinsel Fall Nummer 76 Premiere. „Lenas Tante“ heißt der Krimi, der am Sonntag, 4. September, um 18.15 Uhr im Freiluftkino gezeigt wird.
- Die „Tatort“-Kommissarin Lena Odenthal erhält diesmal Besuch von ihrer Tante Niki. Mit der Zeit kommt der Verdacht auf, dass der Besuch der pensionierten Staatsanwältin andere Gründe hat, als zunächst angegeben. Als die Ermittlerinen Odenthal und Johanna Stern dann ein mysteriöser Mordfall in einem Altenstift beschäftigt, tauchen Schatten aus der Vergangenheit auf. Was haben frühere Naziverbrechen mit der Sache zu tun, die Lenas Tante einst als Staatsanwältin beschäftigt haben? Es muss ermittelt werden – ohne Rücksicht auf Verwandte.
- Ulrike Folkerts und Lisa Bitter sind am Montag, 5. September, ab 13.40 Uhr zu einer Filmvorführung und einem Filmgespräch beim Filmfestival zu Gast.
Kessler ist ein Soldat der alten Schule. Seine Vorgesetzte, Oberstleutnant Limbach (Katrin Röver), kritisiert ihn für seinen Führungsstil und die veralteten Methoden. In der Befragung durch die Ermittlerinnen gibt er sich korrekt, anfangs nahezu charmant. Doch seine Gesinnung kann er nicht lange verbergen, wenn er etwa zu Johanna Stern sagt: „Sie sind ganz schön jung für eine Hauptkommissarin. Sagen Sie, was mussten Sie dafür tun?“
Als dann Odenthal die Befragung übernimmt, kommt es 25 Jahre nach ihrem ersten gemeinsamen „Tatort: Nahkampf“ wieder zum Aufeinandertreffen von Ulrike Folkerts und Götz Otto. Mit der Zeit entwickelt sich ein Schlagabtausch, in dem Otto als arroganter Verdächtiger überzeugt und die Kommissarin mit seinen selbstgefälligen Bemerkungen mehr als ein Mal zur Weißglut bringt. Obwohl die Indizienlage dünn bleibt, ist Odenthal überzeugt, dass ihr mit Kessler der Täter gegenübersitzt. Der Krimi lebt von diesem Katz- und Mausspiel in der oft beklemmenden Atmosphäre der polizeilichen Vernehmung, die dem Film seinen Namen gibt.
Dabei lotet Regisseurin Esther Wenger nach einem Buch von Stefan Dähnert das Thema Gewalt gegen Frauen mit starken Dialogen aus. „Testosteron ist doch Ihr ganz spezieller Treibstoff“, ruft Odenthal einmal, als der Hauptmann ihr Vorwirft, ihm „ein ganz dumpfes Männerbild anzudichten“. Und als die Ermittlerin dem Soldaten bissig an den Kopf wirft, dass er mit seiner herablassenden Sicht auf Frauen in der Gesellschaft ziemlich allein dastehe, da antwortet dieser nur kühl: „Nein Frau Odenthal. Da irren Sie sich.“
Für lokale Anspielungen ist zumindest ein wenig Raum, etwa wenn Kessler sagt, dass der nächtliche Fackelschein bei der Anilin mittlerweile niemanden mehr aufschrecke. Oder wenn der junge türkische Rechtsanwalt des Tatverdächtigen, von Gewissenskonflikten geplagt, betont, dass er es als Einziger aus der Familie geschafft habe, „aus dem Hemshof rauszukommen“.
Rennen gegen die Zeit
Frauenhass als Motiv für einen Mord, einen Femizid also, beschreibt Autor Stefan Dähnert als „ungeheuerlich“ und „den Nerv der Zeit“ treffend. Im vergangenen Jahr habe es in Deutschland 137 Todesopfer nach solchen Taten gegeben. Mit der Genderdebatte, sexualisierter Gewalt und Feminismus fließen weitere hochaktuelle Themen ein - was zuweilen ein wenig bemüht wirkt. Einige Szenen in „Das Verhör“ strapazieren die Grenzen der Plausibilität dann doch arg, was das Fernsehvergnügen etwas mindert.
Insgesamt kann der 75. Odenthal-„Tatort“ aber überzeugen, was insbesondere am „Duell“ im Verhörraum liegt. Als noch während dieses Schlagabtauschs die Vorgesetzte des Hauptmanns entführt wird, entwickelt sich ein Rennen gegen die Zeit, in dem sich für Lena Odenthal irgendwann die Frage stellt, wie weit sie zu gehen bereit ist, um an Informationen zu kommen. (mit dpa)
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