Ludwigshafen. Der kleine Mann mit der Schiebermütze auf dem Kopf schaut ungläubig auf die verschlossenen Eingangstüren des Ludwigshafener Rathaus-Centers. „Für wie lange zu?“, ruft er in gebrochenem Deutsch. Für immer. „Für immer?“, fragt er fassungslos. Ja, für immer. Er habe stets auf dem Parkdeck geparkt und die Western Union-Filiale für Geldtransfers genutzt, berichtet der Mann jetzt mit lauter Stimme. Nun müsse er sich eine andere Bank suchen. Aufgebracht geht er davon.
So wie dem Mundenheimer geht es einigen Bürgerinnen und Bürgern an diesem Montagvormittag. Die endgültige Schließung des Rathaus-Centers zum Jahresende 2021 ist längst nicht zu allen durchgedrungen. Seit Freitagnachmittag ist der Zugang von Rathausplatz aus verschlossen. Fußgänger, die von der City in den Hemshof wollen oder umgekehrt, müssen über den Europaplatz ausweichen. Die Verwaltung ist vollständig aus dem Rathaus ausgezogen und dezentral im Stadtgebiet untergebracht.
„Ich habe hier heute einen Termin“, sagt ein junger Mann, der vergeblich an einer der Türen rüttelt. Er wolle sein Führungszeugnis abholen, erklärt der Ludwigshafener, der seinen Namen nicht in den Medien lesen möchte. Eljub Omerovic klärt den inzwischen hektischen Mann auf. „Das Center ist geschlossen, Sie müssen in die Bismarckstraße“, sagt der Friesenheimer und deutet auf einen Aushang hinter der Glastüre. Der gebürtige Bosnier Omerovic lebt seit 47 Jahren in Ludwigshafen. Von der Schließung des Centers hat er im Fernsehen erfahren, am Montag habe er sich interessehalber ein Bild vor Ort machen wollen. „Ich bin oft hier gewesen, auch schon als Kind“, erinnert er sich.
Infopoint wird eingerichtet
Kurz darauf kommt ein älterer Mann mit einem Stapel Briefe. Ihm sei telefonisch gesagt worden, dass er die Post weiterhin am Rathaus einwerfen könne. Doch der Aushang verweist auch diesbezüglich in die Bismarckstraße, wo die Bürgerdienste mit Bürgerbüro, Standesamt, Einbürgerung und Rentenstelle seit diesem Jahr untergebracht sind. Auch ein weiterer Bürger hat den Weg zum Rathaus umsonst auf sich genommen. Er wolle aufs Amt, sagt der Türke. Dass das Rathaus-Center endgültig geschlossen ist und abgerissen werden soll - für ihn neu.
Sind die Schließung des Centers und die Ausweichroute über den Europaplatz in der Bevölkerung nicht ausreichend gestreut worden? Die Verwaltung sieht das nicht so. „Um die Informationen barrierearm zugänglich zu machen, setzt die Stadtverwaltung auf eine Visualisierungsgrafik“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. „Auf einer Karte ist die Laufrichtung eingezeichnet. In den nächsten Tagen wird zudem ein Infopoint am Rathaus-Center eingerichtet, in dem ein Mitarbeiter für die Fragen der Passantinnen und Passanten bereitsteht“, kündigt sie an. Daneben setze die Stadt auf eine umfangreiche Informationspolitik mit Flyern, Aushängen, Pressemitteilungen und Informationen auf der Webseite www.ludwigshafen.de sowie in den Sozialen Netzwerken. Anfragen zum geschlossenen Center hätten am Montag nicht vorgelegen.
Probleme bereitet der Verwaltung vielmehr Advar Tolu, Betreiber eines kleinen Schuh- und Schlüsseldienstes in dem Center. Weil er das Abfindungsangebot nicht akzeptieren will und auf seinen Mietvertrag besteht, muss der Zugang zum Center vom Carl-Wurster-Platz vorerst geöffnet bleiben, damit Kunden ihn erreichen können. Vom Hemshof aus können Passanten das verwaiste Einkaufszentrum also noch gut 100 Meter weit betreten, ehe eine braune Metallwand den Weg versperrt. Von dort aus geht es dann durch einen kleinen Seitenausgang ins Freie.
Vertrag bis 2023?
Wie Tolu im Gespräch mit dieser Redaktion berichtet, sei das ihm unterbreitete Angebot „ein Witz“ gewesen. Er fordert die Einhaltung seines bis 2023 laufenden Vertrags. Daneben verlangt er von der Stadt, wieder alle Zugänge zu dem Center zu öffnen, das stehe ihm als Mieter zu. Ansonsten behalte er sich rechtliche Schritte vor. Die Stadt macht zu dem Sachverhalt mit Verweis auf das laufende Verfahren keine Angaben.
Wie sich der Streit in den kommenden Wochen weiterentwickelt, wird sich zeigen. Bereits im Frühjahr sollen Bauzäune um den Gebäudekomplex aufgestellt werden. Schadstoffuntersuchungen in der Mall stehen an, und erste Abbrucharbeiten sind für 2022 auch geplant. Der Zeitplan ist also straff, und Verzögerungen könnten teuer werden.
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