Ludwigshafen. Am 1. März 1979 wurde das Rathaus-Center als neuer Nordpol der Ludwigshafener Innenstadt eröffnet. 42 Jahre und zehn Monate später schließt das Einkaufszentrum am Freitagnachmittag nun für immer seine Pforten. Zugunsten einer optimierten Planung für die ebenerdige Stadtstraße wird der Gebäudekomplex in den kommenden Jahren abgerissen. Die oberen Stockwerke des maroden Rathaus-Turms wurden bereits vor Jahren geräumt. Von einst 75 Geschäften in der Mall waren zum Schluss nur noch wenige übrig. Für viele Ludwigshafenerinnen und Ludwigshafener ist das Aus des Rathaus-Centers ein großer emotionaler Verlust. Eine Kundin, ein Verwaltungsmitarbeiter, eine Händlerin und der letzte Centermanager haben mit dieser Redaktion über ihre Erinnerungen gesprochen.
Die Kundin: Ein Passfoto fürs Herz
Annette Walter verbindet viele schöne Jugenderinnerungen mit dem Rathaus-Center. Die 52-Jährige wurde in Ludwigshafen geboren und wuchs in der Bismarckstraße auf. „Dabei habe ich den Bau des Rathaus-Centers live miterlebt“, schreibt sie dieser Redaktion. Mit ihrer Mutter habe sie sich in der Mall einst den gleichen Rock gekauft, die Familie sei immer wieder gerne im China-Restaurant essen gewesen. Auch ihr Passfoto habe Walter als Jugendliche im Rathaus-Center machen lassen. Bis heute ziert es ihren rosafarbenen Führerschein. In der Schule schenkte sie das Bildchen ihrem Schwarm. „In der analogen Zeit musste man sich noch echte Briefchen schreiben und Fotos verschenken“, erinnert sich Walter. Zu einer Hochzeit hat die Avance zwar nicht geführt. Eine solche ist aber die schönste Erinnerung der 52-Jährigen an das Rathaus-Center. Denn bei der Trauung ihrer Schwester Birgit mit deren Mann Christian Henssler am 2. Juni 1989 war die damals 20-Jährige Trauzeugin. „Vor vielen Gästen durfte ich am großen Marmortisch unterschreiben.“
Der Mitarbeiter: Ein toller Blick
Als Schüler besuchte Günther Hummrich das Carl-Bosch-Gymnasium, das heute schräg gegenüber dem Rathaus-Center liegt. In der Zeit seines Abiturs 1973 war gerade der alte Bahnhof abgerissen worden. Die Straßenbahn wurde in einen Tunnel verlegt. „Gut in Erinnerung ist mir, dass Oberbürgermeister Werner Ludwig in Schaffner-Uniform einer Straßenbahn voranschritt, bis sie aus dem Tunnel kam“, berichtet er. Damals sei noch nicht daran zu denken gewesen, dass Hummrich einmal im Rathaus-Center ein- und ausgehen würde.
Ab 1985 arbeitete er im Amt für Öffentlichkeitsarbeit. „Das Arbeiten im 13. Stock des Rathauses hatte einen besonderen Reiz. Unser Zimmer war nach Westen ausgerichtet, so dass wir oft den Sonnenuntergang über der Haardt erleben durften. Der Blick über den Friedenspark war atemberaubend.“ Sein liebster Ort sei aber das Stadtmuseum gewesen – „mit dem großartigen Modell meiner Heimatstadt“. Heute arbeitet Hummrich an einem Buch über Alt-OB Ludwig, unter dem das Center eröffnet wurde.
Die Händlerin: Ein optimaler Standort
Besonders gerne denkt Andrea Glock-Hemrich an die verkaufsoffenen Sonntage zurück. „Da haben sich die Leute hier förmlich durchgeschoben, weil es so voll war“, sagt sie im Gespräch mit dieser Redaktion. Glock-Hemrich ist Filialleiterin des Reformhauses Escher, einem Geschäft, das von der Eröffnung im Jahr 1979 bis zur Schließung durchgehend im Rathaus-Center ansässig gewesen ist. Vor einigen Wochen ist das Reformhaus nun in die Ludwigstraße umgezogen. „Es gab sehr viele schöne Momente im Center. Etwa zu Weihnachten oder Ostern gab es immer besondere Aktionen. Die Betreiber waren wie eine Familie, man kannte sich untereinander“, berichtet die 50-Jährige, die mehr als acht Jahre lang in dem Einkaufszentrum arbeitete. Durch die günstige Lage und die gute Anbindung sei das Rathaus-Center sehr gut gelaufen und Escher konnte sich einen großen Kreis von Stammkunden aufbauen. „Für Ludwigshafen ist die Schließung ein großer Verlust. Und auch mir persönlich wird etwas fehlen. Das Rathaus-Center kenne ich, seit ich denken kann.“
Der Manager: Ein Fest zum Einstand
Christoph Feige wurde gleich zwei Mal zum Manager des Ludwigshafener Rathaus-Centers – erstmals im April 2014 und dann noch einmal im April 2018 nach einer Zwischenstation in Kaiserslautern. Bis zuletzt hat der Niederbayer die Geschicke des Einkaufszentrums gelenkt. Seine schönste Erinnerung stammt direkt aus der Anfangszeit. „Es war eine glückliche Fügung: Als ich im Jahr 2014 erstmals nach Ludwigshafen gekommen bin, ist das Center gerade 35 Jahre alt geworden“, berichtet Feige. Dieses Jubiläum wurde mit einem 14-tägigen Festprogramm gefeiert. Gemeinsam mit Bäcker Peter Görtz und der damaligen Oberbürgermeisterin Eva Lohse schnitt Feige eine gigantische Torte an. „Wir hatten eine tolle Ballonausstellung für Kinder und zum großen Finale ein Gewinnspiel. Die Mall war rappelvoll“, erinnert er sich. Mit den drei Gewinnern streifte Feige schließlich durch die Läden im Zentrum und bezahlte deren Einkäufe. „Das war damals ein wunderbarer Auftakt“, sagt der Centermanager, der die Schließung als „Ende eine Ära“ bezeichnet.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Rathaus-Center-Abriss in Ludwigshafen: Eine zweite Chance für die Stadtentwicklung