Ludwigshafen. „Tod dem Wahlausschuss! Tod dem Innenministerium! Das grün-rot-schwarze Ungeziefer werden wir ausmerzen!“ Der Ludwigshafener Kreisverband der Alternative für Deutschland (AfD) sah sich unter anderem wegen dieser Zeilen am Mittwochmorgen zu einer Pressemitteilung veranlasst. Nach tagelangen eigenen Tiraden und Hetzkampagnen in den sozialen Medien, gegen ein vermeintlich undemokratisches System mit einer durch die Landespolitik gesteuerten Oberbürgermeisterin, war es zuletzt zu anonymen Morddrohungen gegen die parteilose Stadtchefin Jutta Steinruck und weitere Lokalpolitiker gekommen. Wie diese Redaktion am Mittwoch recherchierte, stammen die eingangs genannten Zitate von einem Absender mit der Mailadresse leckmichamarsch@lmaa.de.
Anlass für die Drohung, die nach unseren Informationen an die Stadt geschickt wurde, ist der Ausschluss des AfD-Kandidaten Joachim Paul aus der Reihe der Bewerber um das Amt des Oberbürgermeisters. Der Wahlausschuss unter Steinrucks Vorsitz hatte dies mehrheitlich beschlossen. Ein Eilantrag von Joachim Paul beim Verwaltungsgericht Neustadt scheiterte letztlich am Montag. Seither steht Steinruck unter permanentem Polizeischutz.
Im Mailpostfach von Jutta Steinruck häufen sich wüste Beschimpfungen
„Mit Bestürzung“, so der AfD-Kreisvorsitzende Johannes Thiedig, habe man erfahren, dass die Mitglieder des Wahlausschusses Morddrohungen erhalten haben und von der Polizei beschützt werden müssen. Von dieser Gewaltandrohung distanziere man sich auf das Schärfste. Politische Gewalt könne in einer demokratisch-freiheitlich verfassten Gesellschaft niemals ein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Sie sei vielmehr prägendes Merkmal terroristischer Bewegungen und autoritärer Regime und führt zwingend in Diktatur oder Bürgerkrieg.
Der Ausschluss des AfD-Kandidaten für die Ludwigshafener Oberbürgermeisterwahl am 21. September macht derzeit bundesweit Schlagzeilen. Die Folgen dieses Beschlusses vom 5. August bekommt die Vorsitzende des Wahlausschusses, die parteilose Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck, derzeit mit voller Wucht zu spüren. In ihrem Mailpostfach häufen sich ihren Angaben zufolge Zuschriften mit wüsten Beschimpfungen bis hin zu Morddrohungen. Aber auch weiteren Mitgliedern des Wahlausschusses galten die Drohungen. Auch sie sind von der Polizei darüber informiert worden. Weitere Maßnahmen wurden hier bisher aber nicht unternommen.
Polizei hat bei öffentlichen Veranstaltungen ein Auge auf die Oberbürgermeisterin
Die Flut an Drohmails habe unmittelbar nach der Entscheidung begonnen und sei bis heute nicht abgeebbt, sagt die Rathauschefin im Gespräch mit dieser Redaktion. Das Ganze habe sogar solch drastische Ausmaße angenommen, dass sie bei ihren kommenden öffentlichen Terminen unter Polizeischutz stehen werde, so Steinruck. „Wir haben gesprochen und die haben ein Auge auf mich“, sagt sie. „Es ist nicht so, dass ich panische Angst habe, aber das alles sorgt für ein ungutes Gefühl.“
Der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) sagte auf Anfrage dieser Redaktion: „Aufs Schärfste verurteile ich die Anfeindungen, denen die Wahlleiterin und die Mitglieder des Wahlausschusses in den vergangenen Tagen ausgesetzt waren. Angriffe auf Menschen, die in Verantwortung für unsere Demokratie handeln, sind Angriffe auf die Demokratie selbst – und in keiner Weise hinnehmbar. Ich fordere Joachim Paul nun auf, die gerichtliche Entscheidung zu akzeptieren, die weitere Aufheizung der Stimmung und bewusste Falschdarstellungen zu unterlassen und dafür zu sorgen, dass seine Anhänger die Angriffe gegen die Oberbürgermeisterin und die Mitglieder des Wahlausschusses einstellen.“
Joachim Paul (AfD) begreift sich weiter als OB-Kandidat
Von Joachim Paul wollte diese Redaktion am Mittwoch telefonisch eine Stellungnahme einholen. Doch der AfD-Mann, der sich weiterhin als OB-Kandidat begreift und vor dem Koblenzer Oberverwaltungsgericht eine Beschwerde gegen den Neustadter Beschluss vorbringen will, legt seit Tagen nach wenigen Sekunden den Hörer wieder auf. Er erweckt in den sozialen Netzwerken weiter den Eindruck, dass es sich bei der OB-Wahl aufgrund seines Ausschlusses um keine demokratische Wahl handle. Ein Wort des Bedauerns oder gar die Bitte, weitere Morddrohungen zu unterlassen, sind von ihm nicht zu sehen oder zu hören. Stattdessen weitere Posts, die von „rot lackierten“ Gerichten erzählen.
Eine derartige Welle des Hasses hat die ehemalige SPD-Politikerin nach eigener Aussage bislang noch nicht erlebt. „Wenn ich dachte, in der Corona-Zeit war es schlimm, dann war das noch gar nichts dagegen“, sagt sie. Inzwischen schiebe sie die Nachrichten nur noch ungelesen in einen Ordner. „Ich will das nicht mehr so an mich heranlassen, das macht was mit einem.“
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