Finanzen

Nach beispielloser Kritik am Etat: So reagiert Ludwigshafens Oberbürgermeisterin

Eine wichtige Frage stellte OB Jutta Steinruck (SPD) selbst: "Will man hier noch leben", fragte sie angesichts der Auflagen der Kommunalaufsicht, den Haushaltsplan 2023 noch weiter zu beschneiden. Doch wo wird jetzt gespart?

Von 
Stephan Alfter
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Haben bis Ende Januar viel Arbeit mit einem neuen Hauhaltsentwurf: Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck und Kämmerer Andreas Schwarz am Montag im Pfalzbau. © Bild sal

Ludwigshafen. Es gehört zur Jobbeschreibung eines jeden Journalisten, dass er die Dinge beim Namen nennt und nicht im Nebel stochert. Und so war eine der Hauptfragen, denen sich Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck und ihr Dezernent für Finanzen, Andreas Schwarz, am Montagnachmittag stellen mussten, eigentlich sehr einfach. Nämlich: Wo genau und wie - ganz konkret - will die Stadt so viel Geld sparen, dass sie am Ende ihren Haushaltsplan für das Jahr 2023 genehmigt bekommt? Dieser weist bisher einen Fehlbetrag von knapp 100 Millionen Euro auf. Der Schuldenberg hat sich Ende 2022 zu einer Summe von 1,28 Milliarden Euro aufgetürmt. Zuviel für die ADD in Trier. Dass die Kommunalaufsicht den vor wenigen Wochen von Schwarz fertiggestellten Etat „kassiert“ hat, ehe er überhaupt im Stadtrat diskutiert werden konnte, ist in Rheinland-Pfalz ein bisher beispielloser Vorgang.

Was ist die ADD?

  • Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) ist eine zentrale Verwaltungsbehörde des Landes Rheinland-Pfalz mit Hauptsitz in Trier. In ihrer Struktur ist sie vergleichbar mit den Regierungspräsidien in Baden-Württemberg.
  • Die ADD besteht in ihrer heutigen Form seit dem Jahr 2000 und wirkt als Mittler zwischen Landesregierung und der kommunalen Selbstverwaltung. Sie agiert dabei unter anderem als Finanzaufsicht.
  • Die ADD entstand im Rahmen der Umstrukturierung durch die Verwaltungsreform aus den damaligen Bezirksregierungen der drei Regierungsbezirke (Koblenz, Rheinhessen-Pfalz, Trier). Die ADD ist heute nicht auf regionale, sondern auf funktionale Bündelung von Aufgaben und Zuständigkeiten angelegt. 

Nicht zuletzt deshalb hatte Steinruck eigens eine Pressekonferenz im Pfalzbau im Vorfeld der Hauptausschusssitzung anberaumt. Einfache Antworten auf logische Fragen gab es dort aber erwartungsgemäß nicht. Vielmehr bestand eine weitere, ziemlich spannende Frage darin, wie Steinruck und Schwarz nach außen damit umgehen würden, dass sie von der Kommunalaufsicht derart öffentlich vorgeführt wurden. Die Oberbürgermeisterin bemängelte durchaus, dass es aus Trier nicht mal ein Zeichen gegeben habe, sondern lediglich einen kurzen telefonischen Hinweis an Schwarz - und zwar in jenem Moment, da man in Trier auf „E-Mail senden“ drückte. Der Inhalt der Mail, die wenige Sekunden später in Ludwigshafen aufploppte, sorgt seit Donnerstag für noch größere Unruhe in einer Stadt, die finanziell nicht auf der Insel der Glückseligen liegt. Den letzten ausgeglichenen Haushalt konnte man dort vor 25 Jahren vorlegen. Seither befindet sich die Stadt im Strudel.

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Freiwillige Leistung: 32 Millionen

Jedenfalls hat der Inhalt des Schreibens bei der Stadtspitze einen sensiblen Punkt getroffen. Zwar - so Steinruck - nehme man die Rüge der Kommunalaufsicht an, und man werde auch weitere Anstrengungen vornehmen, aber die Frage stelle sich dann, ob Menschen hier noch leben wollten?

Steinruck und Schwarz zeigten sich neben aller Einsicht auch trotzig. Ihr Ehrgeiz sei geweckt, sagte die 60-Jährige. Nämlich zu zeigen, zu welchen Bedingungen ein ausgeglichener Haushalt in einer Stadt wie Ludwigshafen führe. Dass man eine Schwarze Null kurzfristig erreichen könne, bezweifelt Kämmerer Schwarz weiterhin. Ziel sei es nun, diesem Ziel so nahe wie möglich zu kommen. Die wenigsten Einsparpotenziale sind indessen bei den größten Posten im Haushalt zu finden. Das sind Sozialausgaben im Kinder- und Jugendbereich - die sogenannten Wiedereingliederungshilfen. Zu diesen Ausgaben ist die Stadt schon per Gesetz verpflichtet. Addiert man die Freiwilligen Leistungen, so kommt eine Summe von 32 Millionen Euro zusammen. Schafft man also die Städtische Musikschule ab? Oder die Unterstützung für eine freie Kunstszene?

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Noch immer blieben 66 Millionen Euro Fehlbetrag. „Es gibt keine Tabus mehr“, kündigte Steinruck am Montag an. Insofern sind auch Zukunftsinvestitionen wieder auf den Prüfstand? Ohnehin sind es Sanierungskosten an Bauwerken der Stadt, die einen großen Teil ausmachen. Die Hochstraße Süd sei ja quasi auf der Zielgerade, sagte Steinruck, dass man das nun nicht mehr in Frage stellen könne. Anders ist die Lage bei anderen Investitionen in der Stadt. „Keine Tabus“, heißt es auch hier. Und weiter: „Wir müssen die Wirtschaftlichkeit von Investitionen abwägen.“ Konkreter wird Steinruck trotz aller weiteren Fragen nicht.

Neujahrsempfang abgesagt

Ein Hauptkostenfaktor bei der Stadt ist das Personal. Kurzfristig gelten insofern Einstellungsstopps. Unmittelbare Folgen für die Stadtgesellschaft hat der nicht genehmigungsfähige Haushalt für die Stadt noch nicht. Der Zeitplan ist nun straff. Bis 31. Januar wollen Kämmerer und Oberbürgermeisterin dem Stadtrat einen genehmigungsfähigen Etat vorlegen. Dieser soll Anfang Februar beraten und in einer Sitzung am 13. Februar beschlossen werden. Dann könnte es - paradoxerweise - zu einer schnelleren Genehmigung als in den vorangegangenen Jahren kommen, als der Etat von der Kommunalaufsicht erst im Sommer ein Plazet bekam. Sparen will sich Jutta Steinruck dieses Jahr den Neujahrsempfang - 35 000 Euro hat man dafür 2020 ausgegeben.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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