Ludwigshafen. Als wäre Ludwigshafen an sich nicht schon in einer herausfordernden Lage, erwartet der Kämmerer Andreas Schwarz (SPD) für den Haushalt 2023 eines der schwierigsten Jahre, die er während seiner Tätigkeit bisher erlebt hat. Zu den strukturell und chronisch existierenden Defiziten, die vor allem aus riesigen Sozialleistungen resultieren, haben die Krisen dieser Zeit weitere negative Auswirkungen auf die Stadt und damit die Lebensqualität der Ludwigshafener. Das zeigt sich deutlich an einem erneut gestiegenen Jahresfehlbetrag und der weiter steigenden Verschuldung der Stadt. Bewahrheiten sich die Annahmen, die Schwarz im Entwurf zusammengetragen hat, dann hat die Stadt zum einen 98 Millionen Euro weniger zur Verfügung als sie bräuchte, um die vielbeschworene Schwarze Null zu erreichen. Zum anderen summieren sich die Schulden am Ende auf einen Betrag von 1,48 Milliarden Euro.
Eigentlich wollte sich Schwarz auf einen Konsolidierungskurs begeben. Begoña Hermann, Vizepräsidentin der Trierer Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, hat im vergangenen Jahr dazu deutliche Mahnungen ausgesprochen und mehr Sparwillen seitens der Verwaltung eingefordert. Der Aufschrei war groß im Stadtrat. Man wolle sich nicht von der ADD erpressen lassen, so der Tenor. Schon jetzt habe die Stadt quasi keinen politischen Handlungsspielraum mehr. Dieser wird im Jahr 2023 nun noch geringer ausfallen. Und dies trotz der Tatsache, dass beispielsweise der Hebesatz zur Grundsteuer B von 525 auf 540 Prozent steigt. Für ein Einfamilienhaus - etwa in der Oggersheimer Schillerstraße - sind das 20 Euro mehr pro Jahr. Im Vergleich zum Jahr 2010 nimmt die Stadt hier fast 9,5 Millionen Euro mehr ein. Das Problem: Die Mehreinnahmen fallen in ein ungleich größeres Loch an Pflichtausgaben. Auch die Mehreinnahmen aus Zuwendungen des Kommunalen Finanzausgleichs in Höhe von 37 Millionen Euro tragen nicht zu einer Zeitenwende im Ludwigshafener Etat bei, denn in der Stadt wohnen immer mehr Leute, die Grundsicherung beziehen. Gestiegen sind die Kosten bei Wiedereingliederungshilfen und beim Ausbau von Kita-Plätzen. Fast 20 Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr musste Schwarz hier in den Etatplan schreiben, insgesamt 273 Millionen Euro.
Problemstadtteil Hemshof
- Einmal mehr spielte das Thema „Müll im Hemshof“ am Montag eine Rolle im Stadtrat. Ein dort lebender Mann fragte in einer Bürgerfrage ironisch, ob die Stadtverwaltung einen Masterplan gegen den Hemshof beschlossen habe. Er kritisierte eine vermeintlich fehlende Initiative der Verwaltung.
- Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck sagte, dass es diesen „Masterplan“ nicht gebe, dass es aber in großen Teilen an den Bürgern im Stadtteil liege, sich an die Regeln zu halten. Sie riet dem Kritiker, regelmäßig den Mängelmelder, eine App der Stadtverwaltung fürs Mobiltelefon, zu nutzen.
- Ein Störenfried bahnte sich den Weg durch den Sitzungssaal im Pfalzbau fast bis zur OB. Er wollte ein Nachbarschaftsproblem im Hemshof diskutiert sehen. Er wurde – auch wegen der aggressiven Weise seines Vortrags – des Saals verwiesen.
Mehr Fälle von Grundsicherung
Nicht eben besser wird die Situation durch den enormen Investitionsbedarf in der Stadt, 219 Millionen Euro stehen im Plan. 50 Millionen Euro beispielsweise für den Ersatzneubau der Hochstraße Nord. 41 Millionen Euro für die Hochstraße Süd. Die Generalplanung und Projektsteuerung für ein neues Rathaus steht dort mit 24 Millionen Euro. Es sind Investitionen, die Ludwigshafen für die Zukunft braucht, und die von allen als unverzichtbar angesehen werden.
Als unverzichtbar gelten den Stadträten vielfach die sogenannten freiwilligen Leistungen - also die Unterstützung von Vereinen, Verbänden und freier Kulturszene. Sie seien der Klebstoff für eine Stadtgesellschaft, heißt es dazu oft. Um in diesem Bild zu bleiben: Viel Klebstoff hat Ludwigshafen im kommenden Jahr erneut nicht. Die Ausgaben dafür sind auf 32 Millionen gedeckelt. Schwarz hat trotzdem 32,8 Millionen Euro in den Plan geschrieben, weil er weiß, dass auch für diese Betroffenen beispielsweise Energiekosten in Clubheimen gestiegen sind. Ob das in Trier gutgeheißen wird?
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Einbruch bei Gewerbesteuer
Die totale Krise zeigt sich noch an anderen Stellen. Die Zinsen, die Schwarz für die hohen Kassenkredite aufbringen muss, steigen gerade wieder. 20,3 Millionen fallen hier wahrscheinlich an, 16,5 Millionen waren es im ablaufenden Jahr. Jahrelang profitierte man hier von niedrigen Sätzen. Außerdem sei damit zu rechnen, dass die Wirtschaftskrise sich niederschlage, so Schwarz, der mindestens mit deutlichen Rückschlägen bei den Einnahmen aus der Gewerbesteuer rechnet. Dass für die Stadtverwaltung selbst höhere Beschaffungskosten für Energie anfallen, ist ebenfalls ein Faktor. Zu dieser Gemengelage gesellen sich die aktuellen Transformationen auf vielen Gebieten. Angesichts des Klimawandels verwies Schwarz etwa auf die zu schulternde Verkehrswende, die weitere Kosten verursache.
Wie der Stadtrat seinen Entwurf aufnimmt, wird in der dazugehörigen Sitzung im Dezember zu sehen sein. OB Jutta Steinruck verzichtete am Montag noch auf eine ihrer Blut-, Schweiß-, und Tränenreden.
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