Ludwigshafen. An diesem Mittwoch eröffnet in Ludwigshafen auf der Parkinsel das 21. Festival des deutschen Films. Über Besonderheiten der Veranstaltung und das diesjährige Programm spricht Intendant Michael Kötz im Interview mit dieser Redaktion.
Herr Kötz, das nach Besuchszahlen zweitgrößte Filmfestival Deutschlands nach der Berlinale beginnt wieder auf der Parkinsel. 123.000 Kartenverkäufe wurden im Vorjahr vermeldet. Werden es dieses Jahr noch mehr, - und rechnen Sie also mit einem neuen Besucherrekord?
Michael Kötz: Wir sind erfolgsverwöhnt, das stimmt. Aber tatsächlich zeichnet sich ein neuer Rekord ab und es werden wohl mindestens so viele Besucher sein wie letztes Jahr. Der Vorverkauf läuft jedenfalls sehr vielversprechend.
Der ebenfalls von Ihrem Team erstmals auch in Ludwigshafen, an der Rheingalerie, veranstaltete „Filmfrühling“ lief dagegen eher verhalten. Das bestätigt wohl, dass es zum besonderen Veranstaltungsort des Sommerfestivals, der Parkinsel, keine wirkliche Alternative gibt, oder?
Kötz: Unser kleines Nebenfestival, der „Filmfrühling“, hat im Mai tatsächlich an der Rhein-Galerie nicht so gut funktioniert. Dafür lief der zweite „Filmfrühling´25“ danach in Bad Dürkheim ganz großartig. Aber fürs große Festival suchen wir sowieso keine Alternative zur Parkinsel. Warum sollten wir? Jetzt hat ja sogar das Verwaltungsgericht gesagt, es gäbe keinen Grund, dass wir nicht dort stattfinden. Zwei Anwohner hatten geklagt und wir müssen ihnen in Zukunft etwas entgegenkommen mit Ruhezeiten. Aber im Endeffekt ist der Standort damit zugleich gesichert – Filmfestival und Parkinsel sind eine Einheit.
Das Festival vergibt dieses Jahr noch mehr Auszeichnungen, zwei Schauspielpreise, je einen für Regie und Drehbuch und einen Ehrenpreis an den Filmemacher Edgar Reitz – und zum Abschluss die Preise für hier gezeigte neue Filme. Soll das den filmkünstlerischen Anspruch des Festivals weiter unterstreichen?
Kötz: Wir sind ein Festival der Filmkunst. Allerdings eines ohne diesen Dünkel, dass man etwas Erlesenes nur für Cineasten bieten will. Die kriegen bei uns zwar fraglos so viel wie anderswo, aber für die sogenannten normalen Besucher sind wir eben auch da, und zwar sehr gerne. Nur Menschen mit dem ganz besonderen Filmgeschmack noch ein weiteres Zusatzvergnügen zu bieten, das ist doch langweilig. Es ist uns jedenfalls deutlich weniger wichtig, als so viele Menschen wie möglich zur Filmkunst zu verführen, dass die sich bei uns etwas anschauen, das sie zuhause eher weggeklickt hätten.
Michael Kötz und das Festival
Michael Kötz (74) ist promovierter Filmwissenschaftler und leitete das Filmfestival Mannheim-Heidelberg. Das Festival des deutschen Films in Ludwigshafen hat er initiiert und leitet es als Intendant.
Das 21. Festival findet von Mittwoch, 20.8., bis Sonntag, 7. 9., auf der Parkinsel statt. Die Filmpreise werden am Samstag, 6. September, verliehen.
Auf der Parkinsel dürfen nur Anwohner parken. Ein kostenloser Shuttle-Bus fährt zur Insel (von einer Haltestelle in der Ludwigsstraße und der Walzmühle aus). Wer mit dem Auto kommt, kann das Parkhaus in der Walzmühle oder das der BASF in der Nähe anfahren.
Das Beste eines Jahrgangs wird laut Ankündigung gezeigt, allerdings verzeichnen eher sperrige Werke in der Regel keine großen Besuchszahlen. Etwa drei Viertel des Etats müssen Sie aber durch Eigeneinnahmen bestreiten, den Rest geben Stadt, Land und Sponsoren dazu. Ein schwieriger Spagat, oder?
Kötz: Nein, das ist gar nicht schwierig. Es ist ja keine Notlage, wenn man von der Zustimmung seiner Festivalbesucher abhängt. Es ist Demokratie im Kulturbereich. Man muss sich eben Mühe geben, größere Kreise für anspruchsvolle Werke zu begeistern. Ich finde das eine sehr schöne Herausforderung. Es ist kein Zwang, keine lästige Notlage, ganz im Gegenteil: Es macht sehr viel Freude, mit Qualität zu überzeugen.
Das Festival boomt, die Kinos dagegen verzeichnen weiterhin eher mäßige Besucherzahlen, obwohl der Film ja ein sehr beliebtes, geradewegs alltägliches Medium ist. Welche Gründe sehen Sie für dieses Ungleichgewicht?
Kötz: Auch zu uns kommt niemand, weil er mal einen Film sehen will. Die gibt es überall und jeden Tag sehr leicht zu sehen. Die Kinos müssen begreifen, dass sie eine neue Aufgabe haben statt der, nur neue Filme zu zeigen. Die Kinos könnten so gut besucht sein wie unser Filmfestival, wenn sie akzeptieren würden, wofür sie heute eigentlich da sind, nämlich ein Treffpunkt zu sein, keine Abspielstätte.
Erfolgreiche Kulturevents legitimieren sich leichter. Und der Legitimationsdruck, der auf kulturellen Institutionen lastet, steigt angesichts der klammen öffentlichen Haushalte. Wie blicken Sie auf diese Entwicklung? Sorgen Sie sich um die Kultur im Land?
Kötz: Nein, ich sorge mich gar nicht. Die Kultur hat heute rund doppelt so viel Fördergelder wie vor 20 Jahren. Jetzt muss sie lernen, damit auszukommen, muss kreativ werden, aber in der viel zu lange vernachlässigten Sekundärkunst, Besucher für die Künste zu gewinnen. Wenn die Kulturvermittler weiter wie bisher auf steigende Zuschüsse warten, die nicht kommen werden, weil der ökologische Umbau der Gesellschaft deutlich wichtiger ist, dann wird das nicht funktionieren. Eher ruiniert sich die Kultur auf diese Weise selber, während sie mit moralischem Zeigefinger auf die böse Politik zeigt, statt umzudenken. Ich plädiere also für „action“ anstelle des Klagens und Jammerns. Wir sind alle reich genug.
Erfahrung mit der Leitung einer hauptsächlich öffentlich finanzierten Institution haben Sie als ehemaliger Direktor des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg ja auch. Haben Sie eine Empfehlung für die Direktionen anderer Institutionen?
Kötz: Ja. Man muss umdenken. Man muss weniger ein Programm machen, das einem selber gefällt, und mehr ein Programm, das auch diejenigen haben wollen, die sich nicht so gut auskennen im Metier wie man selbst. Das wiederum klappt aber nur dann, wenn man endlich aufhört, als Kulturvermittler heimlich eigentlich für den Beifall der Kollegen zu arbeiten, also im Grunde für die eigene Reputation und Karriere anstatt fürs Publikum. Diese psychologische Wahrheit muss man bei sich selbst zulassen, dann ist der Weg frei für neues Handeln mit echter Verantwortung für die Gesellschaft. Zur Belohnung steigen dann die Einnahmen und damit auch die Unabhängigkeit von Zuschüssen. So war mein eigener Weg und ich kann ihn nur empfehlen.
Noch ein Blick aufs diesjährige Programm: Worauf freuen Sie sich selbst am meisten?
Kötz: Auf die vielen Hundert Gäste aus der Film- und Fernsehwelt Deutschlands, für die wir mittlerweile ein echter Anziehungspunkt sind; egal wie berühmt und gefragt zum Beispiel Schauspieler woanders sind, zu uns auf die Parkinsel wollen sie auf jeden Fall kommen. Das freut uns genauso, wie wenn bestimmt wieder 125.000 Menschen sich mit großer Freude auf unser Programm stürzen. Deren Lebensfreude im Gesicht zu sehen, die strahlenden Augen, dass sie in diesem schönen „Kurzurlaub“ auf der Parkinsel sein können – das macht mich und uns alle im Team wirklich sehr zufrieden und glücklich.
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