Interview - Jutta Steinruck spricht über die Pandemie, die Hochstraßen, das Rathaus-Center und einen neuen Standort für den Verwaltungssitz.

Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck: „Mein Traum-Rathaus steht am Berliner Platz“

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Julian Eistetter
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Wenn es nach Rathauschefin Jutta Steinruck geht, dann ist das Metropol-Areal am Berliner Platz der optimale Rathaus-Standort. Ein Wunsch, der wohl unerfüllt bleibt. © Christoph Blüthner

Ludwigshafen. Seit vier Jahren ist Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck im Amt. Zur Halbzeit spricht sie über die Pandemie, die Hochstraßen, das Rathaus-Center und einen neuen Standort für den Verwaltungssitz.

Frau Steinruck, welche Schulnote würden Sie sich zur Halbzeit Ihrer Amtsperiode selbst geben?

Jutta Steinruck: (lacht) Ich würde mir eine gute Note 2 verpassen. Aber es ist ja nicht nur Jutta Steinruck allein. Jutta Steinruck ist der Kopf einer Verwaltung, der nie alles ganz allein erfindet und auf den Weg bringt. Ich bringe Dinge zusammen und hinterfrage Dinge. Ich finde, wir haben dezernatsübergreifend hervorragend zusammengearbeitet. Wir haben unter sehr schwierigen Bedingungen Projekte auf den Weg gebracht. Wenn ich etwa an die Pilzhochstraße denke, wo nach dem Anruf des Prüfers innerhalb einer Stunde die richtigen Konsequenzen für die Region und die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer gezogen werden mussten. Nach dem Abriss haben wir jetzt den Neubau vor Augen - in einer grandiosen Zeit.

Was fehlt zur Note 1?

Steinruck: Niemand ist perfekt. Für mich geht immer alles zu langsam. Entwicklungen brauchen aber ihre Zeit. Manchmal wünschte ich mir, wir hätten diese ganzen langen formalen Planungsprozesse nicht und könnten einfach anfangen zu buddeln oder zu pflanzen. Unter den Bürgerinnen und Bürgern sowie in der Politik gibt es diese Erwartungshaltung. Aber wir machen unsere Arbeit so gut und so schnell wie möglich. Ich bin mir sicher, ohne die Corona-Pandemie wären wir ein gutes Stück weiter des Weges.

Jutta Steinruck ist seit vier Jahren Chefin im Rathaus. © Stadtverwaltung

Hätte Ihnen vor Amtsantritt jemand gesagt, dass Sie es mit einer Pandemie zu tun bekommen und die meiste Zeit als Krisenmanagerin agieren müssen - hätten Sie diese Person für verrückt erklärt?

Steinruck: Dass Oberbürgermeister immer auch Krisenmanager sind, war mir schon bewusst. Mit einer Pandemie habe ich jetzt nicht unbedingt gerechnet. Für verrückt hätte ich aber niemanden erklärt, denn es war absehbar, dass dies in der globalisierten Welt irgendwann einmal passieren kann. Ich habe die Auswirkungen der Pandemie vielleicht sogar ein bisschen früher wahrgenommen als andere, weil ich noch gute Beziehungen zu Mandatsträgern in anderen EU-Ländern habe. Wir waren in Deutschland ja später betroffen, während in Italien schon die Menschen zum Sterben in Kirchen abgelegt wurden. Unter diesen Eindrücken haben wir sehr früh einen Koordinierungskreis einberufen, der täglich zusammenkam. Wir haben in die Zukunft gedacht, das hat Ludwigshafen gutgetan.

Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Arbeit in der Verwaltung?

Steinruck: Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten am Limit. Teilweise weit darüber. Ich weiß nicht, wie lange das manche noch durchhalten. Das hängt auch damit zusammen, dass wir viele unbesetzte Stellen haben wegen des demografischen Wandels einerseits und des Fachkräftemangels andererseits. In diesen Jahren gehen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pension. Und leider ist der Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst weit weg von dem, was die freie Wirtschaft zahlt. Da müssen wir besser aufzeigen, wo die Vorteile in der Verwaltung liegen. Es gibt aber auch Dinge, da waren wir nicht gut. Da hat Corona uns aufgezeigt, dass wir uns schon viel früher hätten entwickeln müssen. Das ganze Thema Digitalisierung etwa. Aber da gehen wir gerade mit Riesenschritten in die Zukunft.

Auch der gesellschaftliche Zusammenhalt leidet in der Pandemie. In Ludwigshafen sind Feuerwehrleute, Politiker und Ärzte bedroht und beleidigt worden. Wie gehen Sie damit um?

Steinruck: Die Herausforderungen, vor denen wir durch die Corona-Pandemie stehen, sind sehr groß. Zu Anfang war Corona noch der Kitt, die Menschen haben zusammengestanden und wollten sich einsetzen für die Schwächeren. Da wurde auf dem Balkon gesungen und geklatscht für die Pflegekräfte und das medizinische Personal. Heute muss ich hören, dass sich medizinisches Personal bedroht fühlt. Das ist in zwei Jahren ziemlich gekippt. Da ist ein Bruch entstanden, der uns als Gesellschaft sehr anfällig macht. Neben vielen Infrastrukturmaßnahmen und der Klimakrise sehe ich es als Hauptaufgabe, das zu kitten. Wie bringen wir Menschen wieder zusammen trotz dieser fundamentalen Unterschiede? Darin sehe ich auch meine persönliche Aufgabe: Zuhören, Dialog führen, versuchen zu verstehen.

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Kann es überhaupt noch einmal so werden wie vor Corona? Oder wird da immer etwas hängenbleiben?

Steinruck: Unsere Gesellschaft hat schon Schlimmeres überstanden. Bei vielen Menschen sind die Ansichten auch gar nicht so fundamental. Es ist das A und O, dass wir weiter informieren. Dann bin ich guter Hoffnung, dass die Gesellschaft wieder zusammenfindet. Wir müssen alle daran arbeiten. Wir dürfen nicht das Trennende suchen, sondern das Verbindende. Wir dürfen nicht müde werden und nicht abstumpfen. Wir müssen wieder Vertrauen zueinander finden und zuversichtlich werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir diese Pandemie überwinden werden.

Bis Ende 2022 steigt die Verschuldung Ludwigshafens auf 1,6 Milliarden Euro. Wie stark hat die Pandemie die Stadt zusätzlich finanziell belastet?

Steinruck: Die Pandemie hat sicher Auswirkungen auf den Haushalt, aber nicht in dem Maße, dass eine besondere Delle in irgendeine Richtung entstanden ist. Wir haben ein grundsätzliches und ein strukturelles Problem - und Ludwigshafen ist damit nicht alleine. Das Land hat angekündigt, möglicherweise die Hälfte unserer Liquiditätskredite zu übernehmen. Das ist ein Weg - die Übernahme der Altschulden durch Bund und Land. Gleich zeitig muss aber eine konsequente Gesetzgebung her, die verhindert, dass wir weiter Leistungen selbst finanzieren müssen, die uns Bund und Land aufzwingen. Und wir müssen auch als Stadt schauen, wo wir sparen oder Einnahmen erhöhen können.

Ist die zuletzt beschlossene moderate Erhöhung der Grundsteuer ausreichend? Die Verwaltung wollte die Hebesätze stärker anheben.

Steinruck: Die Aufsichtsbehörde war uns und dem Stadtrat gegenüber sehr deutlich. Sie erwartet von der Stadt, alles dazu beizutragen, das Defizit zu reduzieren. Auch bei den Einnahmen muss sie auf das Niveau anderer Gebietskörperschaften kommen. Das fordert die Aufsichtsbehörde ein und wird das auch bei der Haushaltsgenehmigung als ein Hauptkriterium ansetzen. Wir müssen genauso unsere Hausaufgaben machen, wie wir sie von Bund und Land einfordern.

Mit den Hochstraßen-Projekten kommen auf die Stadt weitere finanzielle Herausforderungen zu. Wann ist mit einer klaren Aussage zur Finanzierung zu rechnen?

Steinruck: Sobald wir die Kosten auf den Tisch legen können. Wir wissen jetzt, wie wir die Hochstraße Süd bauen wollen und werden entsprechende Ausschreibungen vornehmen. Wenn wir die Kosten für beide Projekte haben, dann können wir in die Verhandlungen mit Bund und Land einsteigen. Das Land hat schon sehr deutlich gesagt, es steht hinter uns. Mit dem Bund bin ich nach der Regierungsbildung weiter im Gespräch. Fest steht: Das sind keine Ludwigshafener Straßen, die nur Ludwigshafener von A nach B bringen. Das gesamte Hochstraßensystem ist ein Komplex, der Bürger, Wirtschaft und Pendler weit über die Stadt hinaus verbindet. Anhand dieser regionalen Bedeutung muss auch die Finanzierung durch Bund und Land gesichert werden.

Ist es von Vorteil, dass mit Volker Wissing nun einen Bundesverkehrsminister gibt, der die Probleme vor Ort sehr gut kennt?

Steinruck: Das ist ein riesengroßer Vorteil. Volker Wissing hat mich als rheinland-pfälzischer Verkehrsminister beim Thema Hochstraße Süd begleitet, seit ich im Amt bin. Uns verbindet seit Jahren ein vertrauensvolles Verhältnis. Jeder wusste, dass ich mir ihn für dieses Amt wünsche. Ich hoffe, dass ich nicht enttäuscht werde. Als Pfälzer kennt er die Region und die Bedeutung dieser Straßen. Würden die Verkehrsverbindungen nicht so wiederhergestellt werden können wie geplant, wäre das eine Katastrophe für die Region. Gemeinsam mit unserem Kämmerer werde ich das Bestmögliche heraushandeln.

Seit Ende des Jahres ist das Rathaus-Center geschlossen. Welches Gefühl haben Sie beim Anblick der verschlossenen Türen?

Steinruck: Mir geht es wie vielen Ludwigshafenerinnen und Ludwigshafenern. Ich verspüre Wehmut, wenn ich daran denke, dass dort, wo heute der Rathaus-Turm ragt, keiner mehr sein soll. Er ist so vertraut, gefühlt war er immer da. Aber ich freue mich auch auf das, was kommt. Was passiert, wenn die Helmut-Kohl-Allee gebaut ist? Wie entwickelt sich das umliegende Areal? Es soll ein modernes, nachhaltiges Quartier werden. Lebensqualität mitten in der Stadt. Eine Verbindung von Innenstadt und Hemshof. Ich verspüre Freude auf das Neue. Das wird toll!

Neu gebaut werden muss auch das Rathaus. Bedauern Sie, dass der Stadtrat Ihre Überlegungen abgeschmettert hat, den Verwaltungssitz in das Metropol-Hochhaus zu integrieren?

Steinruck: Ich habe immer versucht, dem Stadtrat alle möglichen Alternativen aufzuzeigen. Und ich bin schon der Meinung, dass die Gegend rund um den Berliner Platz ein sehr guter Standort für das Rathaus wäre. Deshalb habe ich nach dem Angebot des Investors gefragt, ob ich verhandeln soll. Der Stadtrat wollte das nicht. In meinem Hinterkopf war zu diesem Zeitpunkt auch, dass ich unbedingt will, dass es mit dem Metropol-Projekt schneller vorangeht.

Sie favorisieren klar ein Rathaus im Bereich des Berliner Platzes?

Steinruck: Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann verkauft uns der Investor das Areal und wir planen ein Rathaus darauf. Man darf ja noch träumen. (lacht) Ich sehe das im Moment aber nicht in diese Richtung gehen. Wir werden dem Stadtrat im Frühjahr oder Sommer valide Alternativen vorlegen. Aber mein Traum-Rathaus, das sage ich ganz öffentlich, steht am Berliner Platz.

Wo wir schon bei Träumen sind. Wie sieht Ihre Innenstadt in 20 Jahren aus? In den vergangenen Jahren hat sie sehr gelitten.

Steinruck: Ich träume von einer kleinen, feinen Innenstadt, ausgehend vom Berliner Platz über die Ludwigstraße bis zum Ludwigsplatz, mit Fachgeschäften und Gastronomie. Die Menschen schlendern durch die Ludwigstraße in die Rhein-Galerie und an der Rheinpromenade wieder zurück. Wir müssen das bestehende Ladenpotenzial nutzen und die Ludwigsstraße mit so viel Einzelhandel wie möglich ausstatten. In der Bahnhofstraße sehe ich eine kleine Chance auf eine Kneipenszene. Klar ist, dass die Innenstadt ein neues Gesicht bekommt - und da haben wir mit der Ansiedlung von Pfalzwerken und TWL sowie dem GAG-Neubau am Bürgerhof bereits begonnen.

Beim Thema Sauberkeit gibt es viel Verbesserungsbedarf. Insbesondere im Hemshof. Wie gelingt das?

Steinruck: Der Müll im öffentlichen Raum hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht, nicht nur im Hemshof. Wir haben sehr viel unternommen: Mehr Mülltonnen, höhere Reinigungsintervalle, zusätzliche Hundekotbeutel, Müllsherriffs. Wir merken aber, dass das noch lange nicht genug ist. Deshalb kam etwa die Idee der Videoüberwachung gegen Müllsünder auf. Da erarbeiten wir derzeit ein Projekt mit dem Landesdatenschutzbeauftragten und klären die Rahmenbedingungen, unter denen wir das in Ludwigshafen an zwei bis drei Stellen testen können. Vielleicht auch als Pilotprojekt für Rheinland Pfalz.

Die Videoüberwachung wird also definitiv kommen?

Steinruck: Es ist nicht an mir, so etwas zu verkünden, wenn andere es genehmigen müssen. Aber wir sind auf einem guten Weg. Dennoch schlagen bei dem Thema zwei Herzen in meiner Brust: Auf der einen Seite schränkt es die Freiheit des Einzelnen ein. Auf der anderen Seite können wir aber nicht an jeder Ecke rund um die Uhr Personal haben, um Müllsünder zu ertappen. Das können wir einfach nicht leisten.

Kommen wir zu Ihnen persönlich. Werden Sie in vier Jahren erneut um das Oberbürgermeisteramt kandidieren?

Steinruck: Ja. Es tut sich so viel in der Stadt, was in den vergangenen Jahren auf den Weg gesetzt wurde. Das ist total spannend. Da kommt so viel die nächsten acht bis zwölf Jahre, das auf dem Papier bereits angeschoben ist. Ich will selbst als Oberbürgermeisterin erleben, wie das zum Leben erwacht.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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