Vertrag bis 2023 - Ladenbetreiber Advar Tolu besteht auf seinem Vertrag und verhindert die endgültige Schließung / Kritik an „Witzangebot“

Wie ein Ladenbetreiber die komplette Schließung des Ludwigshafener Rathaus-Centers verhindert

Von 
Julian Eistetter
Lesedauer: 
Advar Tolu vor seinem Laden im Ludwigshafener Rathaus-Center. Es ist das letzte geöffnete Geschäft in dem eigentlich geschlossenen Einkaufszentrum © Julian Eistetter

Ludwigshafen. Advar Tolu sitzt auf einem Klappstuhl in seinem Geschäft und zieht an einer Zigarette. An der Wand hängt ein großes Brett, an dem wiederum Dutzende Schlüssel baumeln. Auf den Regalen in dem kleinen Raum stapeln sich Schuhe neben Dosen und Werkzeug. Seit 2008 betreibt der 44-Jährige den Rapid Schuh- und Schlüsselservice im Ludwigshafener Rathaus-Center. Aktuell macht er mit seinem Laden besonders viele Schlagzeilen. Trotz der Schließung des Centers zum Jahresende 2021 besteht Tolu auf seinen Vertrag, der eigenen Angaben nach bis August 2023 läuft. Mit seinem 18 Quadratmeter großen Betrieb verhindert er, dass das Einkaufszentrum vollständig dicht gemacht wird. Während aus Richtung Innenstadt alle Tore verriegelt sind, bleibt der Zugang vom Carl-Wurster-Platz geöffnet, damit Kunden den Laden erreichen können.

Doch wie konnte es dazu kommen, dass ein einzelner Ladenbetreiber womöglich die Pläne der Stadt durchkreuzt, das Rathaus-Center zügig für den Abriss vorzubereiten? Im Gespräch mit dieser Redaktion zeichnet Tolu das Bild eines Kampfes von David gegen Goliath. Man habe versucht, ihn mit einem „Witzangebot“ abzuspeisen, habe ihm gedroht und wolle ihn zermürben. Im Jahr 2018 hätten DWS, Verwalter des Eigentümerfonds des Rathaus-Centers, und ECE, Betreiber des Einkaufszentrums, versäumt, seinen Vertrag zu kündigen, berichtet der 44-Jährige. „Dadurch hat er sich automatisch um fünf Jahre verlängert“, sagt er. Bis 2023.

Lokales

Rathaus-Center-Abriss: "Seit die Tür zu ist, ist das Geschäft kaputt"

Veröffentlicht
Laufzeit
Mehr erfahren

Ende 2019 oder Anfang 2020 sei der Betreiber des Centers erstmals auf ihn zugekommen und habe ihm ein Abfindungsangebot von 3000 Euro gemacht, wenn er seinen Laden aufgibt. „Wie soll ich für das Geld einen neuen Laden aufmachen? Den Rückbau hier hätte ich selbst zahlen müssen. Allein das hätte 5000 bis 7000 Euro gekostet“, sagt Tolu und deutet auf die Maschinen für die Schusterarbeit und die Fliesen im Boden. Und so willigte er auch nicht ein, als das Angebot auf 5000 Euro, 20 000 Euro und zuletzt Ende 2021 auf 30 000 Euro erhöht wurde. „Für mich war die Art und Weise des Vorgehens einfach nicht akzeptabel, und ich fühle mich ehrlich gesagt verarscht“, sagt der Betreiber. „Dieser Laden hier existiert seit mehr als 40 Jahren, seit das Center 1979 eröffnet wurde. Jahrelang wurden Miete und Werbekosten gezahlt. Werbekosten sogar dann noch, als nur noch zehn Geschäfte drin waren und das Center schon runtergewirtschaftet war“, klagt Tolu über mangelnde Wertschätzung. „Hätte man mir von Anfang an ein ordentliches Angebot gemacht, wäre ich gegangen. Stattdessen wurde uns mit Enteignung gedroht.“

Bürger sollen abstimmen

Nun sind die Fronten verhärtet. Seit 1. Januar 2022 ist die Stadt Ludwigshafen Eigentümerin des Centers. Eigentlich hätte sie es ohne Mieter übernehmen sollen, so war es im Kaufvertrag mit der Fondsgesellschaft DWS geregelt. Doch Advar Tolu ist noch da - und zahlt seit Januar seine Miete auf ein Konto der Stadt. Von der mehrfach in den Raum gestellten Enteignung habe er nichts mehr gehört. „So ein Prozess würde sich über Monate hinziehen. Ich glaube, die Stadt hofft, dass mir irgendwann die Luft ausgeht und ich von alleine aufgebe“, sagt er.

Das hat Tolu aber nicht vor. Per einstweiliger Verfügung will er erreichen, dass sämtliche Zugänge zum Center wieder geöffnet werden. Viele seiner Kunden seien verunsichert und wüssten nicht, ob er noch geöffnet hat. Wie zum Beweis klingelt das Telefon und eine Frau fragt, wie sie zu dem Laden gelangen könne. Der Antrag auf einstweilige Verfügung sei gestellt, so Tolu.

Mehr zum Thema

Justiz

Ludwigshafener Rathaus-Center: Warum der letzte Mieter jetzt vor Gericht zieht

Veröffentlicht
Von
Julian Eistetter
Mehr erfahren
Handel (mit Video)

Diese neuen Läden stehen in der Ludwigshafener Rhein-Galerie in den Startlöchern

Veröffentlicht
Von
Julian Eistetter
Mehr erfahren
Seit 31. Dezember zu

Rathaus-Center in Ludwigshafen: Viele Passanten von verschlossenen Türen überrascht

Veröffentlicht
Von
Julian Eistetter
Mehr erfahren

Die Stadt äußert sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht zu dem Sachverhalt. Mit Blick auf drohende Verzögerungen beim Ablauf sagt ein Sprecher: „Die Verwaltung wird wie geplant vorgehen und den Rückbau vorbereiten.“ In den ersten Wochen 2022 stünden vor allem Schadstofferkundungen an. „Solange ich hier bin, können sie den Nordflügel nicht abreißen“, sagt Tolu aber selbstsicher. Er sei kein schlechter Mensch, der auf Ärger aus sei, betont der vierfache Vater. Ihm gehe es um einen fairen Umgang. Von seinen Kunden erhalte er Unterstützung. Seine Geschichte möchte Tolu bald im Internet publik machen. Dann sollen die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, ob er im Rathaus-Center bleiben oder aufgeben soll. „Ich verlasse mich auf die Bürger, sie sollen abstimmen“, sagt er - und zündet sich eine neue Zigarette an.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen