Ludwigshafen. Einst war hier die Bahnbusverkehrsstelle Ludwigshafen untergebracht, heute verfallen die Gebäude nördlich des Hauptbahnhofs allmählich. Wegen der illegalen Nutzung durch Obdachlose sind die Behörden dort öfter im Einsatz. Der Tod einer 64-jährigen Frau wirft nun Fragen nach der Sicherheit auf dem Areal auf.
Die verbogenen Zeiger der runden Uhr mit dem kleinen roten DB-Logo zeigen 8.19 Uhr an. Oder 20.19 Uhr. Ganz egal, denn die Zeit ist an diesem Ort ohnehin schon lange stehen geblieben. Die Uhr hängt an einem massiven Stahlträger einer Backsteinhalle, fast alle Fenster sind eingeschlagen, Scherben und andere Trümmer liegen auf dem Boden. An den Wänden Graffiti. Kabel und Leitungen verlaufen noch an den Decken, sie sind teilweise heruntergerissen.
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Auf dem weitläufigen Platz vor der Halle befindet sich eine Tankstelle, auch sie schon längst nicht mehr in Betrieb, die Verkleidung des Dachs fehlt in Teilen, die Zapfsäulen sind nur noch Gerippe. Daneben steht ein Haus, das inzwischen mehr eine Ruine ist. Auch hier ist kein Fenster heil geblieben, das Dach ist löchrig. Die gesamte Szenerie erinnert an Endzeit-Serien wie „The Walking Dead“ oder „The Last of Us“, in denen die Menschheit durch eine Zombie-Apokalypse beziehungsweise ein Pilzepidemie nahezu ausgerottet wurde.
Ehemaliges Busdepot in der Nähe des Hauptbahnhofs Ludwigshafen steht seit Jahren leer
Tatsächlich befinden wir uns nur wenige hundert Meter vom Ludwigshafener Hauptbahnhof entfernt. Zwischen den Gleisanlagen nördlich des Haltepunkts war früher die Bahnbusverkehrsstelle angesiedelt. Von dort aus kamen die Bahnbusse zum Einsatz, hier wurden sie repariert und gereinigt. Inzwischen ist das ehemalige Busdepot im Verfall begriffen. Ein „Lost Place“ nur wenige Gehminuten von der Innenstadt entfernt. Das Gelände ist durch ein unverschlossenes Tor zugänglich, die verlassenen Gebäude sind durch Bauzäune gesichert. Schilder weisen darauf hin, dass das Betreten verboten ist. „Einsturzgefahr“ ist auf anderen zu lesen.
Dass diese Schilder gerne mal ignoriert werden, zeigen mehrere Vorfälle aus den vergangenen Monaten. Immer wieder haben sich wohnsitzlose Menschen Zutritt zu den Gebäuden verschafft und dort gehaust. Im Januar traf der Kommunale Vollzugsdienst der Stadt auf sechs Personen, von denen einige der aggressiven Bettlerszene zugeordnet werden konnten. Im Februar hielten sich erneut drei Personen unrechtmäßig auf dem Areal auf.
Suchte auch die leblos im Gleisbereich gefundene 64-Jährige in den Gebäuden Unterschlupf?
Zuletzt gerieten die verlassenen Mauern in den Fokus, als eine 64 Jahre alte Frau in unmittelbarer Nähe leblos im Gleisbereich gefunden wurde. Auch bei dieser Frau handelte es sich laut Polizei um eine Obdachlose, die möglicherweise in dem ehemaligen Depot Unterschlupf gesucht hatte.
Wie berichtet, gibt es keinerlei Zeugen des Vorfalls. Die Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass die Frau von einem Zug erfasst wurde. Neue Ermittlungsansätze haben sich laut einer Polizeisprecherin bislang nicht ergeben. Die Ergebnisse der in Auftrag gegebenen toxikologischen Untersuchungen sollen demnach frühestens in zwei Monaten vorliegen. Diese sollen zeigen, ob die 64-Jährige Alkohol oder andere Substanzen im Blut hatte.
Sind die leerstehenden Gebäude ausreichend gegen Unbefugte gesichert? Die Bahn als Eigentümerin schweigt
Der tödliche Unfall wirft die Frage auf, ob die Gebäude ausreichend gegen die Nutzung durch Unbefugte gesichert sind. Nach Angaben eines Rathaussprechers handelt es sich bei dem verlassenen Busdepot um Eigentum der Deutschen Bahn, weshalb diese dafür zuständig sei.
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Die Bahn selbst erweist sich als sperrige Ansprechpartnerin. „Mit Verweis auf die laufenden polizeilichen Ermittlungen bitten wir um Verständnis, dass DB-seitig derzeit keine Äußerungen in dieser Sache erfolgen können“, sagt eine Sprecherin. Dabei zielten die meisten Fragen dieser Redaktion auf die Gebäude an sich ab: seit wann sie leerstehen, was mit ihnen geschehen soll und inwiefern sie möglicherweise noch besser gesichert werden könnten.
Was die Bundespolizei über das verlassene Busdepot in Ludwigshafen sagt
Dass dies geboten ist, zeigt eine Anfrage bei der für Anwesen der Bahn zuständigen Bundespolizei. In den vergangenen zwölf Monaten seien in den leerstehenden Gebäuden nördlich des Ludwigshafener Hauptbahnhofs acht „polizeilich relevante Sachverhalte“ festgestellt worden. Genauer ausgeführt werden diese nicht. In zwei Fällen seien Personen angetroffen worden, die die Häuser als Schlafplatz nutzten - die zwei Fälle, über die auch die Stadt berichtet hatte.
Wie häufig das Areal durch Beamte der Bundespolizei kontrolliert wird, darüber macht die Behörde keine Angaben. „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Bundespolizei in der Öffentlichkeit nicht zu ihrem einsatztaktischen Vorgehen äußert“, heißt es.
Zerfallende Bahngebäude stehen der neuen Westbrücke über die Gleise nicht im Weg
In einigen Jahren soll sich über die Gleisanlagen nördlich des Hauptbahnhofs die neue Westbrücke als Verlängerung der Stadtstraße spannen. Diesem Projekt stehen die verlassenen Gebäude jedoch nicht im Wege, wie der Stadtsprecher sagt. Gut möglich, dass die Zeit an diesem postapokalyptisch anmutendem Ort also noch weitere Jahre stillsteht.
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