Ludwigshafen. „Er ist kein 08/15-Typ und keiner, von dem man im Alter von 14 Jahren gesagt hätte, der wird mal OB-Kandidat.“ Gesagt hat das Alexander Schweitzer, seines Zeichens Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Dass es nun doch so kommt, dass „so einer“ OB-Kandidat wird, liegt daran, dass sich das Anforderungsprofil an Manager oder Managerinnen einer Stadt womöglich in diesen Zeiten verändert. Neue Denkweisen scheinen genauso gefragt wie – Achtung – Suppenköche.
In großer Einigkeit haben sich die Ludwigshafener Sozialdemokraten am Freitagabend für Jens Peter „JP“ Gotter als OB-Kandidaten ausgesprochen. Mit 93,5 Prozent Zustimmung bescherten die Mitglieder dem 53-jährigen IT-Unternehmer, der derzeit in Speyer zu Hause ist, ein Traumergebnis. 124 Mitglieder ließen die Stühle im Ruchheimer Gemeinschaftshaus knapp werden. 116 Genossinnen und Genossen votierten nach einer gelungenen Rede Gotters für den gebürtigen Ludwigshafener. Kaum mehr etwas zu spüren von den Irritationen der ersten Tage, als mit Martin Wegner im April plötzlich ein zweiter Kandidat mit SPD-Parteibuch seine Bewerbung für das höchste Amt der Stadt abgab. Hatte man da jemanden bewusst übersehen?
Wahlkampf-Slogan: „Der Mann kann“
Ein sichtlich stolzer Stadtverbandsvorsitzender David Guthier schrie um 19.10 Uhr in den Saal, was für „ein starkes Bild“ das sei, dass so viele SPD‘ler den Weg nach Ruchheim auf sich genommen haben. Tosender Applaus. Alle waren sie da - die Barnetts, die van Vliets, die Schreiders und natürlich die Verbandsvertreter von VdK und DGB. Das fühlte sich etwas an wie 80er Jahre. Und mittendrin ein designierter OB-Kandidat, den noch vor wenigen Monaten kaum jemand kannte, den inzwischen aber schon viele schätzen. Jens Peter Gotter ist tatsächlich keiner, der so aussieht, als habe er die letzten 30 Jahre Kreisvorstandssitzungen am Montagabend im Hinterzimmer von irgendeiner Pizzeria da Carlo hinter sich gebracht. Dass die Leute in der SPD ihn dennoch schnell in ihr Herz geschlossen zu haben scheinen, liegt an seinem Auftritt.
„Der Mann kann“, heißt der Slogan auf dem großen Wahlplakat, das am Ende des Abends auf die Bühne geschoben werden wird. Dass er zumindest privatwirtschaftlich kann, hat Gotter insofern bewiesen, als er ein eigenes Unternehmen erfolgreich führt. Nun ist er sich sicher, dass er auch eine Stadtverwaltung führen kann. Er wolle einen „Brief an Lars“ schreiben, sagte Gotter. Lars, das ist Lars Klingbeil, seines Zeichens Vizekanzler und SPD-Chef. Einen Brief deshalb, weil er ihm Geld vom Bund aus den Rippen leiern will. Mehr von der Mehrwertsteuer für Ludwigshafen, mehr von der Einkommensteuer für Ludwigshafen. Mehr Geld aus Berlin für Ludwigshafen – für alle diese Aufgaben, die die Bundesregierung den Kommunen überträgt, ohne dafür anständig zu bezahlen.
Wie sehr die kommunale Selbstverwaltung dadurch gefährdet ist, hat nicht zuletzt die amtierende Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck kürzlich bei Markus Lanz erzählt. 60 Millionen Euro mehr wären das, sagte Gotter, würde man nur wenige Prozente dieser Gemeinschaftssteuern mehr bei den Kommunen belassen. Welche Schulen und Kitas könnte man da bauen, mutmaßte Gotter in seiner rund 40-minütigen Vorstellungsrede, die bei den Sozialdemokraten Kuschelgefühle ausgelöst haben muss.
Haustürwahlkampf mit roten Laufschuhen
Jedenfalls sprechen 93,5 Prozent, die Gotter um 21.21 Uhr einheimste, eine deutliche Sprache. „Wenn wir zusammen marschieren, dann können wir unsere Ziele erreichen“, sagte nicht nur Guthier. Und wie wörtlich das Marschieren gemeint war, wurde deutlich, nachdem der nun offizielle OB-Kandidat sich für das Vertrauen bedankt hatte. Rote Laufschuhe überreichte man ihm angesichts vieler Kilometer, die Gotter an den Haustüren der Menschen in Ludwigshafen zurücklegen will. Wie ernstzunehmen die Aussage des Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer ist, Gotter dabei zu unterstützen, muss sich noch zeigen.
Woher kommt der Begriff 08/15?
- Es gibt mehrere Erklärungsansätze, die im Zusammenhang mit dem Maschinengewehr 08/15 stehen. Es entstand 1908 und wurde 1915 weiterentwickelt.
- Der erste Ansatz geht auf die Soldaten im Ersten Weltkrieg zurück, die täglich mit diesem Maschinengewehr ein langwieriges und eintöniges Training zu absolvieren hatten. So habe die Bezeichnung 08/15 bei den Soldaten irgendwann für langweilige Routine gestanden.
- Eine andere Erklärung hängt mit der Qualität der Waffen zusammen. Mit der Produktionsmenge des MG 08/15 nahm die Materialqualität ab und die Fehlerhäufigkeit zu. sal
Apropos Unterstützung: Kleine kritische Zwischenrufe gab es dann doch. Zum Beispiel darüber, dass man sich an der Basis nicht genug mitgenommen gefühlt habe auf dem Weg der Kandidaten-Auswahl. Dass man einen Kandidaten im kleinen Kreis ausgewählt habe und ihn der Öffentlichkeit präsentierte, ohne zuvor die Mitglieder adäquat mitzunehmen, gefiel nicht alle. Das ging an die Adresse von David Guthier, der sich gegen die Kritik verwahrte und sagte, dass jeder die Möglichkeit gehabt habe, sich an dem Prozess zu beteiligen. Am Ende waren offensichtlich die meisten Genossen sehr einverstanden mit der Auswahl. Dass Jens Peter Gotter seit langer Zeit freitags und samstags Suppe kocht und sie in Ludwigshafen an die Haustüren von älteren Menschen bringt, ist aus ihrer Sicht soviel sozialdemokratische DNA. Wer kann da schon nein sagen?
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