Festival des deutschen Films

In Ludwigshafen Zeichen gegen Massenware gesetzt

Von 
Thomas Groß
Lesedauer: 

Ludwigshafen. Hier wird ein Festival fürs Publikum gemacht, und Zuschauer und Festivalverantwortliche teilen offenbar auch ihre filmischen Präferenzen, zumindest manchmal. Wie sonst soll man es deuten, dass der Publikumspreis „Rheingold“ am Samstagabend auf der Ludwigshafener Parkinsel an den sympathischen und originellen Beziehungsfilm „303“ von Hans Weingartner (Bild im Artikel unten) verliehen wurde, der tags zuvor vom Festival für dasselbe Werk schon mit dem neuen Regiepreis geehrt worden war? Die Fachjury indes hatte einen anderen Favoriten und verlieh den Filmkunstpreis des Festivals des deutschen Films an den skurrilen Fernsehkrimi „Murot und das Murmeltier“.

Die von Dietrich Brüggemann (kleines Bild) inszenierte Produktion des Hessischen Rundfunks aus der Krimireihe „Tatort“ würdigte die Jury mit den medien- und fernsehkritischen Worten, sie zeige „in überzeugender und raffinierter Weise die Zeitschleife, in der das Überangebot der Krimi-Produktion des Fernsehens steckt“. Die von Ulrich Tukur verkörperte Titelfigur erlebt darin stets erneut den gleichen Morgen, an dem der Kommissar einen Banküberfall aufzuklären hat. Leicht erkennbar schon durch den Titel steht der bekannte amerikanische Spielfilm „Und täglich grüßt das Murmeltier“ als Muster im Hintergrund. Der „Murot“-Film zeige, dass „Filmglück an ästhetische Brillanz und nicht an Mord und Verbrechen gekoppelt“ sei, befand die Jury, der die Regisseurin Jutta Brückner, Schauspielerin Esther Zimmering sowie Christiane von Wahlert, Geschäftsführerin der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft (SPIO), angehörten.

Der Filmkunstpreis ist mit 20 000 Euro dotiert, ebenso der vom Verein der Freunde und Förderer des Festivals gestiftete Publikumspreis, der seit diesem Jahr „Rheingold“ heißt. Der Gewinner ergibt sich aus der Auswertung von Fragebögen, die vor jeder Filmvorführung ans Publikum verteilt worden waren. Die Preissumme ist in beiden Fällen aufgeteilt, je 5000 Euro sind für Regisseure und Produzenten bestimmt, 10 000 sollen als Verleihförderung dienen. Da der „Murot“-Film eine reine Fernsehproduktion ist, wird diese Summe im Falle des Filmkunstpreises aufgespart.

Blick aufs Obdachlosenmilieu

Die Festivaljury vergab zudem zwei „lobende Erwähnungen“ - an den Spielfilm „Styx“ von Regisseur Wolfgang Fischer, in dem eine Ärztin auf hoher See auf ein Flüchtlingsschiff in Not trifft, sowie den Spielfilm „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?“ von Regisseurin Kerstin Polte. Auch der undotierte Medienkulturpreis wurde am Samstag verliehen. Der Filmpublizist Wolfram Schütte entschied sich als Juror für den ebenfalls vom HR produzierten sozialkritischen Fernsehfilm „Frankfurt, Dezember 17“, in dem die Regisseurin Petra K. Wagner einen Blick ins Milieu der Obdachlosen wirft.

Wie das Festival am Sonntag bekanntgab, lag die Besucherzahl in diesem Jahr bei 115 000. 110 000 Kinokarten seien verkauft worden, die restlichen Besuche entfallen auf Fach- und Ehrengäste. Die Zahl der Fachbesucher wurde mit 377 angegeben, darunter 21 Regisseure und 65 Schauspieler. Diese engagierten sich auch erneut in nicht-öffentlichen „Inselgesprächen“, die sich Fragen nach der Lage und Zukunft der Filmbranche widmeten. Auch die deutsche Filmförderung wurde dabei diskutiert, was in die Formulierung einer kritischen „Ludwigshafener Petition“ mündete. Ihre zentrale Forderung: „Die kulturelle Filmförderung muss vom Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit befreit werden - die wirtschaftlich orientierte Filmförderung dagegen von künstlerischen Gesichtspunkten bei der Förderentscheidung“. Man verspricht sich davon eine bessere Unterstützung anspruchsvoller Filme und als weitere Folge eine Sicherung des Fortbestands sogenannter Arthouse-Kinos, die sich auf solche Filme spezialisiert haben. Festival-Direktor Michael Kötz kündigte an, zu diesem Thema auch einen Fachkongress organisieren zu wollen. Das Filmfestival verantwortet die Ludwigshafener Initiative und wirbt um weitere Unterstützer.

Das 14. Festival des deutschen Films ist am Sonntagabend zu Ende gegangen. Außer den Gewinnerfilmen waren den ganzen Tag über noch weitere Beiträge aus den einzelnen Festivalsektionen zu sehen. Nächstes Jahr soll das Festival von 21. August bis 8. September zum dann 15. Mal auf der Parkinsel veranstaltet werden.

Preisträger des 14. Festivals des deutschen Films

Filmkunstpreis (20 000 Euro): „Tatort - Murot und das Murmeltier“, Regie: Dietrich Brüggemann, Produzent: Hessischer Rundfunk (Jörg Himstedt).

Publikumspreis „Rheingold“ (20 000 Euro): „303“, Regie: Hans Weingartner, Produzent: Hans Weingartner, Kahuuna Films.

Lobende Erwähnungen (undotiert): „Styx“ (Regie: Wolfgang Fischer); „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden“ (Regie: Kerstin Polte).

Medienkulturpreis (undotiert): „Frankfurt, Dezember 17“, Regie: Petra K. Glaser, Produzent: Hessischer Rundfunk (Lili Kobbe).

Zuvor schon wurden auf dem Festival Iris Berben mit dem Schauspielpreis und Filmemacher Hans Weingartner mit dem Regiepreis geehrt (beide undotiert). tog

Preisträger des 14. Festivals des deutschen Films



  • Filmkunstpreis (20 000 Euro): „Tatort - Murot und das Murmeltier“, Regie: Dietrich Brüggemann, Produzent: Hessischer Rundfunk (Jörg Himstedt).
  • Publikumspreis „Rheingold“ (20 000 Euro): „303“, Regie: Hans Weingartner, Produzent: Hans Weingartner, Kahuuna Films.
  • Lobende Erwähnungen (undotiert): „Styx“ (Regie: Wolfgang Fischer); „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden“ (Regie: Kerstin Polte).
  • Medienkulturpreis (undotiert): „Frankfurt, Dezember 17“, Regie: Petra K. Glaser, Produzent: Hessischer Rundfunk (Lili Kobbe).
  • Zuvor schon wurden auf dem Festival Iris Berben mit dem Schauspielpreis und Filmemacher Hans Weingartner mit dem Regiepreis geehrt (beide undotiert). tog
Filmfestival Ludwigshafen

Preisverleihung auf der Parkinsel

Veröffentlicht
Bilder in Galerie
6
Mehr erfahren

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

Thema : Festival des deutschen Films

  • Ludwigshafen Spielfilm über KZ-Arzt Josef Mengele gewinnt in Ludwigshafen

    „Das Verschwinden des Josef Mengele“ ist beim Festival des deutschen Films mit dem Filmkunstpreis geehrt worden. Am Sonntag endet die 21. Festival-Ausgabe.

    Mehr erfahren
  • Ludwigshafen „The Outrun“, „Das Licht“, „Chaos und Stille“ beim Filmfestival Ludwigshafen

    „The Outrun“, „Das Licht“ und „Chaos und Stille“: Alle drei Filme sind in Ludwigshafen beim Filmfestival für den Publikumspreis nominiert. Und alle drei behandeln große Themen.

    Mehr erfahren
  • Ludwigshafen Filmfestival in Ludwigshafen: Rainer Bock erhält Preis für Schauspielkunst

    Der Schauspieler Rainer Bock erhält beim Filmfestival in Ludwigshafen den Preis für Schauspielkunst. Die Festivalmitarbeiter müssen Heranstürmende im Zaum halten.

    Mehr erfahren

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen