Ludwigshafen. Beim Kellereifest der BASF geht es um guten Wein, um Musik, um Geselligkeit. Was hat dieses Fest dann mit Inklusion zu tun? Sehr viel, sagt Andreas Platz, Inklusionsbeauftragter der BASF. Weil nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch beim gemeinsamen Feiern die Barrierefreiheit wichtig ist.
Und da genügt es eben nicht, dass Extra-Parkplätze für behinderte Besucher der Veranstaltung in Ludwigshafen angeboten werden. In diesem Jahr hat BASF deshalb auch einen Gebärdendolmetscher für Menschen mit starken Höreinschränkungen engagiert. Für das kommende Kellereifest ist sogar ein Musikdolmetscher geplant, der die Rhythmen, Liedtexte und Melodien in Gebärden sichtbar machen soll.
So sieht der verbindliche Aktionsplan aus
Für Platz ist dieses Angebot ein gutes Beispiel, wie Inklusion funktionieren kann - und dass ein Arbeitgeber immer noch mehr dafür tun kann. Deshalb hat er auch vor rund einem Jahr den Aktionsplan Inklusion für die BASF-Belegschaft im Stammwerk Ludwigshafen mitentwickelt.
Der Aktionsplan hat sechs Handlungsfelder festgelegt, in denen die inklusive Beschäftigung innerhalb von fünf Jahren vorangebracht werden soll. Die Vereinbarungen sind verbindlich.
Inklusion bei der BASF
- Die Fachstelle Schwerbehinderung koordiniert die Behindertenarbeit von Arbeitgeberseite. Die Schwerbehindertenvertretung ist die gewählte Interessenvertretung vonseiten der Belegschaft.
- Ein Schwerpunkt ist, während des Berufslebens erkrankte Menschen dabei zu unterstützen, an einen Arbeitsplatz bei BASF zurückzukehren.
- Dafür gibt es mehrere Angebote und Programme, um die sich das Betriebliche Eingliederungsmanagement beim Personalwesen kümmert.
- Auch die Sozial- und Lebensberatung als Teil der BASF Stiftung unterstützt Betroffene, etwa beim Ausfüllen der vielen Formulare und Anträge nach einem Unfall oder einer schweren Krankheit. be
Als Inklusionsbeauftragter am Standort Ludwigshafen lobt Platz ausdrücklich, was der Chemiekonzern bisher schon für Menschen mit Schwerbehinderung tut. Als bundesweit einzigartig bezeichnet er zum Beispiel den Integrationsbetrieb der BASF, den er leitet. Dort arbeiten Menschen, die nach einem Unfall oder einer schweren Krankheit nicht mehr an ihren alten Arbeitsplatz zurückkönnen - und auf eine neue Tätigkeit im Werk vorbereitet werden.
Nach einem Unfall querschnittsgelähmt
Im Idealfall bleiben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur vorübergehend im Integrationsbetrieb, bis sie wieder in ihren früheren Betrieb - mit einer neuen Aufgabe - zurückkehren können.
Ronny Joseph zum Beispiel hat bis 2017 als Chemikant im Schichtbetrieb gearbeitet. Nach einem Unfall ist er querschnittsgelähmt und sitzt im Rollstuhl. Inzwischen arbeitet er wieder in seiner alten Einheit, aber in einem Bürojob. Dort ist er für Chemiezulassungen zuständig.
Er hat eine Spezialerlaubnis, damit er mit dem Auto ins Werk fahren und direkt vor dem Gebäude parken kann. Weil er vom Rollstuhl aus die schweren Türen nicht öffnen konnte, wurden diese mit einem speziellen Mechanismus ausgestattet.
Mehr Sichtbarkeit von Behinderung in der Belegschaft
„Die BASF hat einen tollen Job gemacht“, sagt er im Rückblick auf die Zeit nach dem Unfall. Etwa bei der Unterstützung für die vielen Anträge oder der Zusicherung, dass er im Unternehmen weiterarbeiten könne. Trotzdem findet er den Aktionsplan hilfreich: „Er ist ein gutes Zeichen für die Betroffenen. Er zeigt, dass sich die Firma Gedanken macht.“ Ganz wichtig sei aber auch, dass die neuen Projekte den schwerbehinderten Kollegen „mehr Sichtbarkeit in der Gesamtbelegschaft bringen“.
Das sieht Cristina Freire Erdbruegger ähnlich. „Ich erhoffe mir von dem Aktionsplan, dass man mit Themen rund um Krankheit und Behinderung offener umgehen kann, dass es leichter fällt, Dinge anzusprechen.“ Sie ist Diabetikerin und findet es zum Beispiel beruhigend, dass die direkten Kollegen vorbereitet sind, „falls ich einmal umfalle“. Über solche Fragen und Probleme zu sprechen, falle aber nicht jedem leicht.
Ziel: Barrieren in den Köpfen abbauen
Martina Baumann hat als Vertrauensperson für die Belange von Mitarbeitenden mit Behinderung den Aktionsplan mitgestaltet. „Ein großes Ziel des Aktionsplans ist auch, die Barrieren in den Köpfen der Vorgesetzten, der Kollegen und Kolleginnen abzubauen“, sagt sie.
Ein Projekt genau zu diesem Zweck war das „erste inklusive Sportevent“ bei BASF: Menschen mit und ohne Behinderung konnten im Tandem verschiedene Sportarten ausprobieren. „Der Testballon war so erfolgreich, dass wir dieses Event künftig jedes Jahr machen“, so Platz.
Rund 34 000 Menschen arbeiten im Ludwigshafener Stammwerk, davon rund 1400 Menschen mit Schwerbehinderung. Die wenigsten wurden mit einer Behinderung eingestellt. Meist war es ein Unfall wie bei Ronny Joseph oder eine schwere Krankheit wie bei Cristina Freire Erdbruegger während des Arbeitslebens, die zu einem großen Einschnitt und zu der Beeinträchtigung führte. Dann braucht es individuelle Strategien, um den Betroffenen zu helfen, wieder in den Job zurückzufinden.
Verbindung zum Job gibt Kraft
Ganz wichtig nicht nur bei der Wiedereingliederung, sondern auch in der akuten Krankheitsphase: ein großes Maß an Flexibilität der Vorgesetzten. Das sei auch für Führungskräfte essenziell, weiß Alexander Gerung-Schaden, Leiter des BASF-Hotels René Bohn, aus Erfahrung. Eine Erkrankung hatte ihn zu einem mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt gezwungen. Trotzdem konnte er immer wieder für kurze Zeit an seinen Arbeitsplatz, Wichtiges regeln und mit seinem Team sprechen. „Das hat mir sehr viel Kraft gegeben“, betont Gerung-Schaden.
Menschen als Ansprechpartner statt Hinweistafeln
Ein weiteres Element des neuen Aktionsplans ist Platz zufolge, Projekte am Standort möglichst von Anfang an mitzugestalten. Zum Beispiel beim Medical Center, das gerade gebaut wird. Dass das medizinische Zentrum für die Belegschaft und Anwohner barrierefrei konzipiert wurde, ist selbstverständlich. „Wichtig ist aber auch, dass der Eingangsbereich mit Personen besetzt ist. Einen echten Ansprechpartner zu haben statt einer Hinweistafel, ist das Beste, was Menschen mit Beeinträchtigung passieren kann“, erklärt Platz.
„Viele Maßnahmen zahlen oft auch auf das Thema Sicherheit für alle ein“, betont der Inklusionsbeauftragte. Zum Beispiel, wenn die erste und letzte Treppenstufe farblich hervorgehoben sind.
Spezialgerät per Augenbewegung bedienen
Und dann gibt es noch all die vielen anderen Puzzleteile, die behinderten Beschäftigten das Arbeitsleben erleichtern. Wer gehbehindert ist, weiß zum Beispiel die telemedizinsche Sprechstunde bei einem der Werksärzte zu schätzen, die ihm extra Wege erspart. Und wer seine Tastatur nicht mit den Händen bedienen kann, dem hilft ein Spezialgerät, das sich per Augenbewegung bedienen lässt. „Auch das Sportangebot wurde inklusiver“, erzählt Platz. Dazu gehört, dass sich die Eingangstür zum werkseigenen Fitnessstudio automatisch öffnet und der Aufzug bis zu den Umkleiden fährt.
„Wir können es uns gar nicht mehr leisten, bestimmte Mitarbeitergruppen auszuschließen“, ist Platz in Zeiten des Fachkräftemangels überzeugt. „Wir dürfen nicht mehr nach den Einschränkungen fragen. Wir müssen fragen, welche Qualifikation jemand mitbringt. Und die besten Rahmenbedingungen für alle schaffen.“
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