Landau. Am sechsten Prozesstag um einen misshandelten Säugling aus Ludwigshafen ist es vor dem Landauer Landgericht am Dienstag erneut um die Frage gegangen, wie es dem heute vier Jahre alten Jungen geht. Im Herbst 2018 war das sechs Wochen alte Baby mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Seine Eltern sollen den Säugling aus sexuellen Motiven heraus schwer misshandelt haben, sie müssen sich deshalb erneut vor Gericht verantworten.
Am Dienstag ruft der Vorsitzende Richter Markus Sturm zunächst einen Kinderneurologen in den Zeugenstand, der den kleinen Jungen behandelt. „Insgesamt hat sich der Junge - angesichts der Schäden, die er erlitten hat - gut gemacht“, sagt er. Aber der Vierjährige weise starke Sprachentwicklungsstörungen auf, habe das Sprachniveau eines Zweijährigen und wahrscheinlich auch die kognitive Reife eines jüngeren Kindes, so der Experte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde er die Entwicklungsverzögerungen nicht so bald aufholen können. „Ich habe größte Zweifel daran, dass er im Regelschulsystem bestehen kann“, sagt der Neurologe. „Aber man kann trotzdem ein wesentliches und wichtiges Leben führen.“
Abweichende Einschätzungen
Der Vierjährige habe außerdem Probleme beim Laufen. Für den Laien sei dies nicht unbedingt auf den ersten Blick sichtbar. „Die wichtigen Dinge bekommt er hin, aber er wird nie Leistungssport machen können“, so der Mediziner.
Dies bestätigt auch eine Sozialarbeiterin, die seit April Amtsvormund des Jungen ist. „Er braucht Spezialschuhe“, sagt sie. Und sie berichtet von einem kleinen Jungen, der große Schwierigkeiten bei der Eingewöhnung im Kindergarten gehabt habe, von einer Integrationshelferin in der Einrichtung begleitet werde. Auch sie spricht von Entwicklungsverzögerungen, aber auch von Bereichen, in denen er weiter sei als andere Kinder in seinem Alter. Die Sozialarbeiterin beschreibt vor Gericht auch die Pflegeeltern des Jungen, die Deutsch und Türkisch mit ihm sprechen, spricht über seine Probleme beim Spracherwerb.
Ihre Schilderungen weichen in Teilen von der Einschätzung des Neurologen ab und zeigen einmal mehr, wie komplex sich die Wahrheitsfindung in Gerichtsverfahren gestalten kann. Wie wichtig mitunter kleinste Details sein können. Insbesondere in einem Prozess, der wegen Fehlern in der Beweiswürdigung neu aufgerollt werden musste. Das Frankenthaler Landgericht verurteilte die Mutter und den Vater des Jungen bereits im Oktober 2019 zu dreieinhalb Jahren Haft. Doch der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hob das Urteil auf.
Der Verteidiger der Angeklagten, Alexander Kiefer, zeigt am Dienstag erneut, dass er auch mit dem Gang des neuen Verfahrens nicht zufrieden ist. Erneut stellt er einen Befangenheitsantrag, weil ihm polizeiliche Vernehmungen vom Vorsitzenden Richter nicht zugestellt worden seien. In einem Verfahren, in dem die Vorgänge um den misshandelten Säugling eigentlich besonders akribisch aufgearbeitet werden sollten.
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