Graue Böden, enge Räume und Stahlschränke - die künftigen Bewohner des Containerdorfs in Lampertheims Industriestraße müssen sich auf spartanische Verhältnisse einstellen. Zumindest darüber besteht Konsens bei den Menschen aus der Nachbarschaft. Dutzende von ihnen sind an diesem schwülen Maiabend gekommen, um die provisorische Flüchtlingsunterkunft in Augenschein zu nehmen.
Die Stimmung ist nicht gut. Frauen und Männer stehen mit verschränkten Armen auf dem staubigen Gelände und blicken auf die Containertürme. Ein Mann moniert, die provisorische Wohnanlage sorge für eine Wertminderung umliegender Häuser. Ein anderer schimpft, aus den Fenstern der Container könnten Kriegsflüchtlinge in seinen Garten oder gar ins eheliche Schlafzimmer blicken. Hätte man die Container da nicht anders anordnen können? Zu spät. In wenigen Wochen sollen die stählernen Unterkünfte für 112 Menschen auf dem einstigen Gelände des Unternehmens Energieried bezugsfertig sein.
Überwiegend Frauen und Kinder aus der Ukraine sollen hier leben
Weil die Planung für das Quartier bei manchen Anwohnern früh für Unruhe gesorgt hatte, standen Bürgermeister Gottfried Störmer (parteilos) und Erster Stadtrat Marius Schmidt (SPD) bereits im November Rede und Antwort. Geändert hat sich an den Plänen seither nichts. Dafür wurden in den vergangenen Wochen etliche Wasseranschlüsse und Stromleitungen verlegt, Schotter sowie Kies bewegt. Am Dienstag stehen beide Vertreter der Stadtverwaltung erneut vor den Bürgern und versuchen, die Lage sachlich zu erörtern. Kein einfaches Unterfangen. So muss der Bürgermeister die Anordnung der hellgrünen Container erklären. Wie er sagt, habe das Verlegen von Kabeln und Wasserleitungen wirtschaftlichen Regeln zu folgen, sprich Umwege kosten mehr Geld. Nicht allen Zuhörern leuchtet die Begründung ein. Störmer bewahrt Ruhe, lässt hämisches Lachen über sich ergehen und versucht es mit Argumenten. „Die Menschen werden nicht immer in Blechkisten leben wollen“, sagt er. Geleast seien die Container für drei Jahre. Vorerst.
Erster Stadtrat Schmidt weist darauf hin, dass bereits in Lampertheim lebende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in die Container ziehen werden. „Die Menschen, überwiegend Frauen und Kinder, sind seit Mai 2023 in der Alten Forstschule untergebracht. Wir kennen die Leute.“ In ihre Behausung zwischen Neuschloß und Hüttenfeld sollen später Geflüchtete einziehen, die neu ankommen. Lampertheim sei aufgrund der Direktzuweisung geflüchteter Menschen durch den Kreis gefordert, Wohnraum bereitzustellen. Und der ist knapp, wie Schmidt betont.
Für die Lösung in der Industriestraße habe man sich entschieden, weil kein anderer geeigneter Standort zu finden gewesen sei. Der Stadtrat betont mehrfach, mögliche Probleme im Dialog lösen zu wollen. Schnell und unkompliziert. Neben einer Sozialpädagogin der Stadtverwaltung würden auch Mitarbeiter des Viernheimer Lernmobils künftig in den Alltag der Geflüchteten eingebunden. Ziel sei es, den eingeschlagenen Integrationsprozess auf dem 7700 Quadratmeter großen Areal fortzuführen.
Wohnungsnot
- Die Direktzuweisung Geflüchteter durch den Kreis fordert Kommunen. Zwar haben etliche Flüchtlinge einen Aufenthaltsstatus sowie Jobs. Wegen der Lage auf dem Wohnungsmarkt bleibt es für sie schwierig, ihre bisherigen Unterkünfte zu verlassen.
- Da Kommunen Obdachlosigkeit vermeiden möchten, suchen sie nach pragmatischen Lösungen – etwa Container – für andere Geflüchtete.
Neben vier zweigeschossigen Wohncontainern, die Platz für jeweils 28 Menschen bieten, steht daher auch ein Sozialgebäude. Ein karger Schulungsraum, ein Büro für den städtischen Fachdienst Soziales sowie ein Zimmer für Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes gibt es hier. Die schwarz gekleideten Frauen und Männer sollen rund um die Uhr anwesend sein, „nach innen und nach außen wirken“, wie Schmidt sagt. Damit das Sicherheitsgefühl der Anwohner nicht aus den Fugen gerät, hat die Stadt Flugblätter in Umlauf gebracht: Wer „Lärmbelästigung, Ruhestörung, Vandalismus oder Sachbeschädigung“ zu melden hat, findet auf dem DIN-A4-Blatt die Rufnummern der Ordnungsbehörde und der städtischen Flüchtlingskoordination. „Mitteilungen sind auch anonym möglich“, ist zu lesen.
Im Gespräch mit der Stadtverwaltung merkt eine Frau spitz an, die Wohnverhältnisse für die Ukrainer könnten besser sein. Tatsächlich spenden weder Bäume Schatten, noch gibt es Spielanlagen für Kinder. Daran arbeite man, heißt es. Wie ein Sprecher der Stadt sagt, wird über eine kleine Feier nachgedacht, die alteingesessene und neue Anwohner zusammenführen könnte.
Warum auch nicht? Bei der Besichtigung der Unterkünfte wird manchen erst bewusst, wie schwierig das Leben in engen Containern werden dürfte. „Das ist ja fast wie im Gefängnis“, entfährt es einer Frau.
Ein Mann hofft auf gute Nachbarschaft mit den Menschen aus der Ukraine. Schließlich müsse man doch wegen des Krieges in dem osteuropäischen Land zusammenhalten. Wer wollte das bestreiten
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Geflüchtete in Lampertheim: Solidarität gefragt