Region. Allein im stillen Kämmerlein sitzen und über alten Dokumenten brüten: Das mag die gängige Vorstellung von der Arbeit eines Archivars oder einer Archivarin sein. Doch natürlich ist das ein Klischee und nur mäßig die Sache von Elke Leinenweber, Carmen Daramus und Julia Metz. Daher haben sich die drei Stadtarchivarinnen aus Viernheim, Lampertheim und Bürstadt sowie ihre Kolleginnen aus Bensheim und Heppenheim in einem Arbeitskreis vernetzt. Damit wollen sie nicht nur ihre Arbeit effizienter machen, sondern auch mehr Menschen für die Geschichte vor Ort begeistern.
„Derzeit stehen wir vor einer Menge Herausforderungen“, sagt Carmen Daramus, die Lampertheimer Vertreterin in dieser Gruppe. Deshalb werden der fachliche Austausch und Verbundlösungen, an denen sich gleich mehrere Kommunen mit ihren Archiven beteiligen, immer wichtiger. Aus diesem Grund hat sie im vergangenen Jahr regelmäßige Treffen mit ihren Kolleginnen aus dem Kreis Bergstraße angestoßen (wir berichteten).
Dass ausschließlich Frauen dem Arbeitskreis angehören, bringt nur bedingt eine spezifische Sichtweise auf die Vergangenheit. „Es geht uns nicht darum, die Geschichte künftig durch eine weibliche Brille zu sehen“, macht Julia Metz deutlich. „Trotzdem hat jeder und jede einen eigenen Standort und betrachtet die Dinge von dort aus.“ Die 29-jährige Historikerin, die seit 2022 das Archiv von Lorsch und seit 2023 auch das von Bürstadt betreut, hat noch einen Lehrauftrag an der Uni Mannheim und promoviert dort berufsbegleitend.
Mit dem Weltkulturerbe Kloster Lorsch hat Julia Metz ein echtes Schwergewicht in ihrem Bereich. Doch ihr Archiv ist in erster Linie für die Stadtgeschichte zuständig, die wie die des Klosters bis ins Mittelalter zurückreicht. Trotzdem findet sie es nicht minder spannend, in Bürstadts Geschichte auf Spurensuche zu gehen. „Dabei steht zunächst einmal viel Grundsatzarbeit an“, erläutert Metz, die derzeit vor allem damit beschäftigt ist, die Aktenbestände zu bewerten.
Unterdessen finden Elke Leinenweber aus Viernheim und Carmen Daramus die jüngste Vergangenheit ihrer Kommunen sehr reizvoll. Beispielsweise die Proteste der Friedensbewegung im Viernheimer Panzerwald oder die Jugendbewegung der 1970er Jahre in Lampertheim. „Da muss man jetzt mit den Zeitzeugen reden, die mitunter schon über 70 Jahre alt sind“, betont Carmen Daramus. „Denn die können aus erster Hand über ihre Erlebnisse berichten.“
Gerade das Ins-Gespräch-Kommen halten die Archivarinnen für wichtig. Über die Vergangenheit und ihre regionalen Ausprägungen Bescheid zu wissen, gebe schließlich wertvolle Hinweise für das Handeln in Gegenwart und Zukunft. Bei öffentlichen Veranstaltungen möchten die Frauen das künftig stärker ins Bewusstsein rücken - bei Stadtführungen etwa, Stolpersteinverlegungen oder Diskussionsrunden.
Neben all diesen Aktionen darf natürlich die grundlegende Archivarbeit nicht vernachlässigt werden. „Zu entscheiden, welche Dokumente für nachkommende Generationen erhalten bleiben sollen und welche verzichtbar sind, ist eine wichtige Aufgabe“, betont Elke Leinenweber.
War dabei bisher die Frage von zentraler Bedeutung, in welchen Räumlichkeiten und mit welcher Technik Schriftstücke am besten gelagert werden, um die Zeit zu überdauern, stellt die Digitalisierung die Archivarinnen jetzt vor ganz neue Herausforderungen.
Das Aufheben von digitalen Akten etwa sorgt in den Verwaltungen inzwischen immer wieder für Gesprächsstoff - und manchmal auch für Kopfschütteln, berichten die Fachfrauen schmunzelnd. Beispielsweise, wenn sie einen Kollegen aus der EDV fragen, wie lange eine elektronische Akte gespeichert werden könne. „Ewig“, heiße es dann, bei genauerem Nachhaken aber: fünf bis zehn Jahre. „Wir wollen jedoch, dass die Daten selbst in 200 oder 400 Jahren noch genutzt werden können“, betont Carmen Daramus.
Die Digitalisierung macht allerdings auch möglich, dass Interessierten historische Dokumente sehr viel leichter und schneller zugänglich gemacht werden können als jemals zuvor.
Dafür wollen die Expertinnen Dimag, ein digitales Archivsystem, an der Bergstraße etablieren. „Auch das kann im Team und im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit viel besser gelingen, als wenn jede allein vor sich hinarbeitet“, meint Daramus.
Die Stadtarchivarinnen und ihre Aktionen
Das Team der Stadtarchivarinnen setzt sich in Viernheim und dem Ried aus Frauen mit vielfältigen Expertisen zusammen. „Eine Mischung, von der wir alle profitieren“, sagt Lampertheims Archivarin Carmen Daramus.
In der Gruppe der Bergsträßer Stadtarchivarinnen ist Julia Metz die Jüngste. Sie hat Geschichte studiert und promoviert derzeit berufsbegleitend. Die Stelle der Lorscher Archivarin hat sie seit 2022 inne, die Zuständigkeit für Bürstadt kam 2023 hinzu.
Carmen Daramus ist Soziologin, ihre erste Stelle bei der Lampertheimer Verwaltung hatte sie beim Stadtmarketing. Dort habe sie wertvolle Erfahrung sammeln können, die ihr jetzt im neuen Job nützlich sei, betont sie.
Neben dem Viernheimer Archiv ist Elke Leinenweber für das Museum der Stadt zuständig. „Ein Vorteil, um die Geschichte Viernheims gut präsentieren zu können“, findet die Museologin und Kulturmanagerin.
Alle drei Frauen haben zusätzlich eine Qualifikation der Archivschule in Marbach erworben. Eines ihrer gemeinsamen Ziele ist es, mehr Interesse an der Geschichte vor Ort zu wecken. Deshalb wollen sie ihre Arbeit künftig sichtbarer werden lassen, etwa bei öffentlichen Veranstaltungen.
So steht in Lampertheim am Dienstag, 14. Mai, 12 bis 13 Uhr, die Verlegung von neun Stolpersteinen in der Kaiserstraße an. Im Haus Nummer 34 befand sich früher das Kaufhaus May, das von einer jüdischen Familie betrieben wurde. Diese musste Lampertheim in der NS-Zeit verlassen. Ein Teil der Familie konnte sich nach Chile und in die USA retten, ein anderer Teil wurde in die Konzentrationslager Gurs und Buchenwald deportiert. Nachkommen der Familie werden an der Verlegung der Stolpersteine teilnehmen.
In Viernheim präsentieren Museum und Archiv die Stadtgeschichte gemeinsam - bei Veranstaltungen für Erwachsene und/ oder für Kinder.
Beispielsweise widmet sich ein Vortrag am Donnerstag, 18. April, 18 Uhr, dem „Propheten von Viernheim“, der im 19. Jahrhundert sein Unwesen als Wunderheiler und Seher trieb.
Die Familienwerkstatt zum Thema „Seide“ am Sonntag, 28. April, 14.30 bis 16 Uhr, beschäftigt sich mit dem kostbaren Stoff, der ursprünglich aus China und dem Alten Rom kam. Bei der Aktion, die sich an Jungen und Mädchen ab vier Jahren in Begleitung eines Erwachsenen richtet, darf Seide auch selbst bemalt werden.
Der Museumskalender mit weiteren Viernheimer Angeboten ist online zu finden auf viernheim.de.
In Bürstadt will Julia Metz für die derzeitige Grundlagenarbeit weiter ihre Kontakte zur Universität Mannheim nutzen. Daher lädt sie immer wieder Studentinnen und Studenten ein, um mit ihr zusammen die Vergangenheit Bürstadts zu ergründen.
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