Vorbild Wiesbaden

Rathäuser im Ried und in Viernheim streichen Gendersternchen

Das Genderverbot in der Hessischen Landesverwaltung sorgt in Ried-Kommunen und in Viernheim für Bekenntnisse und selbstkritische Töne. Geschlechtersensibel will man in den Amtsstuben dennoch sein

Von 
Stephen Wolf
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Auf einem Bildschirm ist das Wort „Schüler*innen“ zu sehen. Die Schreibweise mit Genderstern soll Menschen einschließen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. © dpa

Viernheim. Kein Unterstrich oder Sternchen mehr, auch der Doppelpunkt mitten im Wort sowie das Binnen-i werden nicht mehr toleriert: In der hessischen Landesverwaltung ist die Gendersprache mit Sonderzeichen im Wortinnern seit April tabu. Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hat die Gendersprache in der Landesverwaltung verboten.

„Zu einer bürgernahen Verwaltung gehört auch eine einheitliche und verständliche Sprache“, heißt es von der Staatskanzlei in Wiesbaden. Aber betrifft das auch Rathäuser? Und wie schätzt das Führungspersonal in den umliegenden südhessischen Kommunen das Verbot ein?

Störmer: Sollten die deutsche Sprache nicht verkomplizieren

„Nachdem diese verbindliche Regelung innerhalb der hessischen Landesverwaltung getroffen wurde, sind auch auf kommunaler Ebene - in deren Rolle als nachgelagerte staatliche Einheit - verbindliche Regelungen zu schaffen“, ist man jedenfalls in Lampertheim überzeugt. Daher habe die Stadtverwaltung nun verfügt, dass für den dienstlichen Schriftverkehr und für alle weiteren Veröffentlichungen möglichst geschlechterneutrale Formulierungen zu wählen sind. Auch müsse das amtliche Regelwerk des Rates der deutschen Rechtschreibung beachtet werden. Das Gremium hatte sich im Dezember 2023 dagegen ausgesprochen, Gender-Sonderzeichen in das amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung aufzunehmen. Der Rat wies darauf hin, dass es sich hier um „grundlegende Eingriffe in Wortbildung, Grammatik und Orthografie“ handle.

Deshalb will man in Lampertheims Stadtverwaltung nun bevorzugt Verbindung weiblicher und männlicher Formen verwenden, etwa „Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen“. Umschreibungen und alternative Formulierungen wie etwa „Mitarbeitende statt Mitarbeiter“ seien ebenfalls möglich. Bürgermeister Gottfried Störmer (parteilos) begrüßt den neuen Kurs aus Wiesbaden: „Die deutsche Sprache kann in ihrer Form und richtig angewandt sehr schön sein. Von daher sollten wir sie nicht durch ,eingebaute’ Satzzeichen verkomplizieren oder gar verschandeln.“

Differenzierter fällt die Antwort aus der Nachbarstadt Bürstadt aus. Dort heißt es, man werde den Erlass der Landesregierung zügig umsetzen. „Das Verbot der Gendersprache seitens des hessischen Ministerpräsidenten ist zweifellos ein kontroverses Thema. Es ist wichtig, die verschiedenen Perspektiven zu berücksichtigen, da es sowohl Befürworter als auch Gegner dieser Maßnahme gibt“, hebt Bürgermeisterin Barbara Schader (CDU) hervor.

Befürworter könnten argumentieren, dass ein Verbot der Gendersprache die Sprache vereinfacht und die Kommunikation klarer macht. „Sie könnten auch betonen, dass es die Tradition und Struktur der deutschen Sprache bewahrt“, stellt die Christdemokratin klar. Andererseits könnten Gegner des Verbots argumentieren, sprachliche Vielfalt und die Bemühungen um Geschlechtergerechtigkeit würden einschränkt.

Für die einen zählt Tradition, für andere die sprachliche Vielfalt

„Sie könnten auch darauf hinweisen, dass Sprache sich im Laufe der Zeit entwickelt und dass der Versuch, sie zu reglementieren, problematisch sein könnte“, erörtert Schader die Argumente von Befürwortern der Gendersprache. Insgesamt sei es wichtig, politische Entscheidungen, insbesondere in Bezug auf Sprache, sorgfältig abzuwägen, „um Bedürfnisse und Ansichten aller Bürgerinnen und Bürger angemessen zu berücksichtigen“.

In Viernheim ordnet man das Thema rechtlich anders ein als etwa in Lampertheim. „Für die Stadtverwaltung Viernheim ergibt sich keine neue Situation, da die geänderte Vorgabe nur für die Landesverwaltung gilt“, heißt es von Bürgermeister Matthias Baaß (SPD), der zurzeit auch als Präsident des Hessischen Städte- und Gemeindebunds amtiert. Gleichwohl gibt er sich selbstkritisch und mahnt eine verständliche Behördensprache an. „Das ist meine generelle Vorgabe für die Stadtverwaltung. Ehrlich gesagt klappt das aber nicht immer. Insbesondere dann nicht, wenn uns rechtliche Vorgaben dazu zwingen, einen bestimmten Wortlaut zu verwenden“, beschreibt Baaß die Tücken des Alltags. Mit Blick auf das Gendern nimmt er folgende Position ein: „Es sollte sich jede Person immer angesprochen fühlen, aber wir müssen es auch nicht übertreiben.“

Aber müssen sich die Rathäuser nun an die Vorgabe aus Wiesbaden halten? Schließlich führen sie nur teilweise Aufgaben der Landesverwaltung aus, etwa, wenn es um den Katastrophenschutz geht. Mit der Dienstanweisung des hessischen Ministerpräsidenten werde eine einheitliche, verständliche und bürgernahe Sprache für die Landesverwaltung vorgegeben, betont der Sprecher der Landesregierung, Tobias Rösmann. „Inwieweit die Kommunen diesem Beispiel folgen, entscheiden sie im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung.“

Gelassen blickt Volker Scheib, Bürgermeister in Biblis, auf die Diskussion. „Wir sehen keine Veranlassung, etwas zu ändern“, sagt er. Seit einigen Jahren werde in der Kommunalverwaltung gegendert. Wie auch andere Verwaltungschefs und -chefinen findet Scheib, dass Sprache in der Verwaltung verständlich sein muss. Gleichzeitig sei das geschlechtersensible Gendern auch ein Zeichen des Respekts. „Daher habe ich damit kein Problem. Wenn Menschen darauf Wert legen, ist das für mich okay“, sagt der parteilose Bürgermeister. In dem Zusammenhang erinnert er an die Doppelnamenkonstrukte der 1980er und 1990er Jahre, die manchmal unfreiwillig komisch waren. „Damals gab es deshalb viele Diskussionen. Heute regt sich niemand mehr darüber auf.“

Redaktion

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