Städtebau

Debatte über neues Wohngebiet in Hirschberg wird hitzig

Das Wohngebiet „Rennäcker“ in Hirschberg ist schon seit Längerem umstritten. Obwohl es im Rat eine Mehrheit gibt, platzt dem Bürgermeister an einer Stelle der Kragen.

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Hans-Peter Riethmüller
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Das neue Gebiet „Rennäcker“ grenzt an die Sportanlage (oben im Bild). © MESS Stadtplaner

Hirschberg. Im Leutershausener Gewann „Rennäcker“ soll das nächste Neubaugebiet entstehen. Es könnte Platz für rund 550 Menschen bieten. Die Mehrheit des Gemeinderats, bestehend aus Freien Wählern (FW), CDU, FDP, SPD und Bürgermeister, votierte am Dienstagabend für den Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans. Wenig überraschend lehnte die Grüne Liste Hirschberg (GLH) ab. Jetzt sind die Eigentümer der Grundstücke am Zug. Lehnen Sie ab, würde die Gemeinde andere Flächen in Betracht ziehen, was sie eigentlich nicht will.

Hirschberg nahm an einem Förderprogramm für Städtebau teil

Die Zahl der Zuhörer zeigte, welche Bedeutung das Thema für Hirschberg hat. Alle Plätze im Bürgersaal waren belegt, als Martin Müller, Geschäftsführer des Nachbarschaftsverbands Heidelberg-Mannheim, sowie Thomas Müller, Geschäftsführer vom Büro MESS Stadtplaner aus Kaiserslautern, den Planentwurf vorstellten. Im Zuge des Modellvorhabens der Raumordnung (MORO) wurde ein städtebaulicher Entwurf für diese Fläche erarbeitet. Ziel des mit Bundesmitteln geförderten Modellprojekts ist es, eine flächensparende Siedlungsentwicklung zu ermöglichen.

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Dabei soll der Zielkonflikt zwischen Wohnungsnot und Freiraumschutz gelöst werden. Neben Hirschberg wurden auch Ilvesheim und Ladenburg für dieses Modellprojekt ausgewählt. Nach mehreren Sitzungen im Beirat kamen in Hirschberg vier Varianten heraus. Die Prämissen waren der Erhalt von Streuobstwiesen, keine durchgehenden Ost-West-Straßenverbindungen, nach Möglichkeit oberirdisches Parken, die bauliche Entwicklung in der zweiten Reihe der Heddesheimer Straße sowie die abschnittsweise Realisierung.

Im neuen Hirschberger Wohngebiet soll es eine Quartiersgarage geben

Am Ende fiel die Wahl auf eine Variante mit 278 Wohneinheiten; dies bedeutet 70 Wohneinheiten je Hektar. Die angedachte Variante sieht laut Planer Müller in der Mitte eine Quartiersgarage für die Autos vor, eine große Fläche für Streuobstwiesen, im Westen einen Gebäudekomplex mit Senioren- oder Studentenwohnungen sowie kleinem Gewerbe. Geplant sind Reihenhäuser und Geschosswohnungsbau; drei Geschosse sollen üblich sein, lediglich aus Gründen des Lärmschutzes zum Sportzentrum hin wird hier auf vier Geschosse aufgestockt.

Das neue Wohngebiet ist umstritten. © Thomas Rittelmann

Für den parkenden Verkehr wird eine Quartiersgarage vorgeschlagen. Diese könnte zudem Platz für Handwerksbetriebe oder Dienstleister bieten. Auf dem Dach sind Begrünung und Photovoltaik vorstellbar. „Die Quartiersgarage soll die Autos aus dem Gebiet heraushalten“, nannte Planer Müller den Vorteil dieser Lösung. Bürgermeister Ralf Gänshirt sah in dem Entwurf, der als Grundlage für den Bebauungsplan „Rennäcker“ gelten soll, eine gute Grundlage: „Gemeinderat und Bürger werden nun noch viel Hirnschmalz einsetzen müssen.“

Hirschberger Gemeinderäte freuen sich über Förderprogramm

FW-Gemeinderat Bernd Kopp lobte das bundesweite Verfahren, welches mit 200.000 Euro bezuschusst wurde: „Wir können uns glücklich schätzen. Denn wir können so unsere Gemeinde flächensparend weiterentwickeln.“ Kopp, der die Arbeit in den Beiräten als einen der Höhepunkte seiner Gemeinderatsarbeit bezeichnete, wiederholte die Notwendigkeit eines Neubaugebiets. Die Mehrheit der Bevölkerung stehe dahinter.

Dass es höchste Eisenbahn ist, betonte Kopp auch, „denn Hirschberg wächst nicht, sondern schrumpft“. Junge Familien bekämen keine Perspektiven, warnte er: „Wir müssen hier dringend gegensteuern. Jetzt haben wir eine hervorragende Chance für die Weiterentwicklung.“

Hirschberger CDU sieht den Bedarf, die Grüne Liste zweifelt daran

CDU-Gemeinderat Thomas Götz warb ebenfalls für das Neubaugebiet: „Das ist kein Prestigeprojekt, wie manche behaupten, sondern eine Notwendigkeit. Der Einzelhandel geht zurück und wir haben eine mangelnde Nachfrage nach Krippen- und Kindergartenplätzen, da müssen wir reagieren.“

GLH-Fraktionssprecherin Monika Maul-Vogt nannte zunächst viele positiven Punkte des wegweisenden MORO-Verfahrens. Hierzu zählten die Quartiersgarage, der Erhalt der Grünflächen sowie der Schwerpunkt auf Geschosswohnungsbau. Kritisch sah sie die Möglichkeiten, Einfamilien- oder Reihenhäuser zu bauen. Dies hätte sie lieber gänzlich ausgeschlossen. Wie bereits mehrfach geschehen, zweifelte die GLH den tatsächlichen Bedarf von 278 Wohnungen an und verwies auf die Wohnungsanalyse, die eine Anzahl von bis zu 250 erwähnte. Zudem sah sie das Potenzial bei der Innenverdichtung nicht richtig ausgeschöpft. In Hirschberg würden 223 Wohnungen leer stehen, klagte sie. Völlig fehlten ihr Aussagen zu Sonderwohnformen, Energieversorgung, Barrierefreiheit oder bezahlbarem Wohnraum. Daher lehnte die GLH ab.

SPD lobt das bisherige Planungsverfahren in Hirschberg

Voll des Lobes für dieses Modellverfahren war SPD-Fraktionssprecher Thomas Scholz. Auch er bezeichnete es als Glücksfall. Sehr positiv fand er den hohen Anteil an Geschosswohnungsbau. Weitere Themen, die es zu klären gelte, seien der preisgedämpfte Wohnraum – für die SPD ein ganz entscheidender Punkt. FDP-Fraktionschef Oliver Reisig lobte wie seine Vorgänger das Verfahren: „Jetzt haben wir eine Visualisierung, mit der wir starten können. Und die Bürger wissen, wie es aussieht.“

Hirschberger Bürgermeister wird an einer Stelle fuchsteufelswild

Folgerichtig sollte im nächsten Schritt der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan „Rennäcker“ erfolgen. Das Gebiet wird auf 6,1 Hektar vergrößert – vorher fünf Hektar –, um den Menschen an der Heddesheimer Straße in der zweiten Reihe zusätzlich das Bauen zu ermöglichen. Rathauschef Ralf Gänshirt verwies auf die Zielsetzungen des Bebauungsplans. Diese lauten: Schaffung von Wohnraum zur Deckung des nachgewiesenen Bedarfs, Berücksichtigung eines Anteils geförderten Wohnraums, flächensparende Siedlungsentwicklung sowie Schaffung und Erhalt von Grünflächen im Geviert.

Sie zweifeln alles an, was Ihnen nicht ins Credo passt. Ich kann doch erst auf die Eigentümer zugehen, wenn ich das Gebiet festgelegt habe.
Ralf Gänshirt

FW-Gemeinderat Kopp, CDU-Gemeinderat Götz, SPD-Sprecher Scholz und FDP-Sprecher Reisig folgten dem Verwaltungsvorschlag – die GLH nicht. Sprecherin Maul-Vogt fehlte der konkrete Anteil an sozialem beziehungsweise preisgedämpftem Wohnraum im Aufstellungsbeschluss. 30 Prozent hätten sie gerne und würden dies schon jetzt festlegen. Zugleich kritisierte sie das Vorgehen der Verwaltung. Der Beschluss sei zu früh.

Dies brachte den Rathauschef auf die Palme. „Wir haben bei keinem Aufstellungsbeschluss so viele Informationen geliefert. Auch das ist Ihnen nicht recht. Sie zweifeln alles an, was Ihnen nicht ins Credo passt. Ich kann doch erst auf die Eigentümer zugehen, wenn ich das Gebiet festgelegt habe. Das plakative Darstellen von negativen Aspekten ist nicht okay“, ärgerte er sich zudem über den Vorwurf der fehlenden Strategie. In den Streit mischten sich anschließend zahlreiche Gemeinderäte ein. Es änderte an der Zustimmung der Mehrheit aber nichts.

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