Heidelberg. Am Philosophenweg in Heidelberg geht es zuerst steil bergauf - schon mit durchschnittlicher Fitness kann man auf den vielen Treppen leicht aus der Puste kommen. Für Menschen mit Gehbehinderungen ist dieser Weg, der mit einem der schönsten Ausblicke vom Heiligenberg auf den Königstuhl belohnt, kaum zu schaffen. Es sei denn, sie bekommen spezielle Kleidung mit einem Elektroantrieb an ihre Beine: Noch sind die Biorobotik-Entwicklungen von Lorenzo Masia und seinem Forscherteam Zukunftsmusik und nicht zu kaufen. Aber ihre Idee zur „tragbaren Robotik“ kann man bereits bewundern. Bis 15. Juli zeigen die Wissenschaftler ihre Prototypen, die etwa für Schlaganfallpatienten konzipiert werden, in einer Ausstellung am Heidelberger Marktplatz.
Laden als Ausstellung
- „Science in the city“ ist eine Initiative des städtischen Amtes für Wirtschaftsförderung und Wissenschaft.
- In Kooperation mit Wissenschaftseinrichtungen und dem Dezernat 16 der Heidelberger Dienste werden leerstehende Läden vorübergehend für Ausstellungen genutzt, die wissenschaftlichen Themen Raum geben.
- Die Biorobotik-Ausstellung von Professor Lorenzo Masia ist bis 15 Juli (dienstags bis samstags von 11 bis 19 Uhr) in der Hauptstraße 180 geöffnet.
- Der Eintritt ist frei.
„Science in the city“ heißt die Initiative des Amts für Wirtschaftsförderung, die die Ausstellung möglich macht. Für Masia, Professor am Institut für Technische Informatik (ZITI) der Universität Heidelberg und Leiter des ARIES Labors (Assistive Robotics and Interactive Exosuits), bietet die Pop-up-Ausstellung eine große Chance: „,Science in the city’ ist für uns eine großartige Gelegenheit, unsere Exosuites und Technologien der Öffentlichkeit vorzustellen.“ Die Forscher, die Hörsaal und Labor rund zwei Wochen gegen ein leerstehendes Ladenlokal tauschen, freuen sich auf neugierige Blicke und viele Fragen von Besuchern.
Krebsforschung und Astronomie
Das Geschäft mit der Adresse Hauptstraße 180 liegt zentral am Marktplatz, gegenüber der Heiliggeistkirche. Früher wurden hier Accessoires und Souvenirs verkauft. Der Pächter zog aus. Und bevor ein Nachmieter die Räume übernimmt, stünde der Laden, an dem jeden Tag Tausende Passanten vorbeispazieren, sonst leer. Das wäre wenig attraktiv für die 1,4 Kilometer lange Einkaufsmeile.
Und so startete das städtische Amt für Wirtschaftsförderung die Initiative zu den Pop-up-Wissenschaftsläden, in denen es zwar nichts zu kaufen, aber dafür viel zu entdecken gibt.
Im vergangenen Jahr bezog das Deutsche Krebsforschungszentrum mehrere Wochen lang die leerstehenden Geschäftsräume in der Hauptstraße 106, um unterschiedliche Themengebiete der Krebsforschung vorzustellen. Die astronomischen Einrichtungen in der Stadt erwiesen sich ebenfalls bereits als „Ladenhüter“ - im positiven Sinn. Weitere Ausstellungen sollen folgen. Menschen, die etwa nach Schlaganfall, Herzinfarkt oder Wirbelsäulen-Schädigungen ganz oder teilweise gelähmt beziehungsweise in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sind, könnten eines Tages besonders von den Entwicklungen des Masia-Teams profitieren.
Zwar gibt es bereits elektrische und elektronische Unterstützung bei Bewegungseinschränkungen. Aber sie seien eher hart und schwer, erklärt der Professor, der bereits zwei Jahre Entwicklungszeit am MIT der Universität in Cambridge (USA) in seine auf den ersten Blick an Taucheranzüge erinnernden Entwicklungen gesteckt hat. Nach seinem Studium an der Uni Padua hat der aus Rom stammende Italiener außerdem bereits in Singapur und den Niederlanden zur Biomechanik geforscht. Aktuell hält er neben der Professur in Heidelberg eine an der Universität Süd-Dänemark.
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Geeignet für Videospiele
Die weichen Anzüge mit Mechanik und Elektronik können über Hände, Beine oder Arme gestreift werden und die Bewegung der Gliedmaßen mittels dünner Seile unterstützen. Mit dem vom Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg gegründeten Games-Hub für Health und Life Science Heidelberg stehen die Biorobotik-Forscher ebenfalls in Kontakt. In einer virtuellen Realität könnten die Nutzer der „Anzüge mit Elektrik-Antrieb“ im „ernsten Spiel (serious games)“ unterstützt werden, Bewegungen zu trainieren, die sie allein nicht mehr oder noch nicht alleine bewältigen.
Zwei Mal am Tag - zwischen 11 und 12 Uhr und zwischen 17 und 18 Uhr - kann man die Anzüge, die nicht nur Beine, sondern auch Arme in Bewegung bringen, bei Vorführungen erleben.
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