Pilotprojekt

Wie die Heidelberger Blumenstraße mit Pflanzen und Servicestellen umgestaltet wurde

In einem Modellprojekt probt die Stadt den Umbau der Straße zu mehr Fußgängerfreundlichkeit. Das Ergebnis ist lädt zum Verweilen ein - gefällt aber nicht allen Anwohnerinnen und Anwohnern.

Von 
Michaela Roßner
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Sitzinseln aus Holz vorGründerzeit-Stadthäusern: Aus Holz gezimmert und bepflanzte „Parklets“ und andere Elemente sollen die Blumenstraße in der Heidelberger Weststadt „gemütlicher“ machen. © Philipp Rothe

Heidelberg. Gelbe, rote und pinkfarbene Schnecken glänzen frisch auf dem schwarzen Asphalt, und in Pflanzkübeln aus Holz blühen Stauden: Die Blumenstraße in der Heidelberger Weststadt ist bunt geworden. Der verkehrsberuhigte Bereich rund um die Landhausschule ist nun auch auf den ersten Blick zu erkennen. Gegenüber, vor einem kleinen Schreibwarenladen, „parkt“ ein hölzernes Element, das zum Sitzen und Verweilen einladen soll. In einem Modellprojekt probt die Stadt den Umbau der Straße zu mehr Fußgängerfreundlichkeit. Dass dafür ein Viertel der Parkplätze wegfiel, gefällt einigen Anwohnern gar nicht. Sie fühlen sich nicht „mitgenommen“ von der Verwaltung.

Die Blumenstraße reicht von der Ringstraße im Westen bis zum Anfang der Gaisbergstraße im Osten. Die meisten mehrgeschossigen Wohnhäuser sind hier zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden. Tiefgaragen haben diese Häuser aus der Gründerzeit nicht. Die Weststadt, so heißt der Stadtteil, ist als Gesamtanlage unter Denkmalschutz gestellt.

Verkehrsberuhigt

Rechteckige blaue Schilder mit weißem Aufdruck (Fußgänger, Auto, spielendes Kind) weisen einen verkehrsberuhigten Bereich aus.

Hier sind Fußgänger und Fahrzeuge gleichberechtigt – auch auf der Fahrbahn. Fahrzeuge aller Art dürfen nur Schrittgeschwindigkeit fahren (sieben Stundenkilometer).

Ein verkehrsberuhigter Bereich ist etwas Anderes als eine Spielstraße: Hier ist Durchfahrt verboten (rot-weißes, rundes Schild mit einem schwarz-weißen Zusatzzeichen, auf dem ein Ball spielendes Kind zu sehen ist). miro

„Als die Parkverbotsschilder aufgestellt wurden, dachten wir an eine Baustelle. Dann wurden wir völlig überrascht“, sagt Thomas Richter kopfschüttelnd. Der Anwohner hat einen schwerbehinderten Sohn und verfügt über einen speziellen Parkplatz vor dem Haus, in dem er wohnt. Er kritisiert wie mehrere, nicht einbezogen worden zu sein, bevor – auch in jenen Bereichen, die nicht verkehrsberuhigt sind – die weißen Rechtecke auf den Straßenbelag gemalt wurden, um reservierte Zonen für Lastenräder, Elektroroller oder Leih-Bikes zu markieren.

Viertel der Parkplätze fällt weg

„Die Kosten für Anwohnerparkplätze sind gerade von 36 auf 120 Euro angehoben worden und sollen weiter steigen. Doch gleichzeitig verschwinden Parkflächen über Nacht“, sagt Anwohnerin Dagmar Eichberger kopfschüttelnd. „Da alle wissen, dass der Kommunale Ordnungsdienst nur vormittags vorbeikommt, parken zu den übrigen Zeiten Gäste der Gaststätten die Flächen zu“, verweist sie auf das „tägliche Kreisen“ der Anwohner auf der Suche nach einem Feierabend-Abstellplatz – schon bevor die „Serviceinseln“ und Sitzelemente platziert wurden.

Modellversuch

Blumenstraße in Heidelberg soll "gemütlicher" werden

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26 von 104 Parkplätzen, so bestätigt Klimaschutz-Bürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain, sind für den Modellversuch vorübergehend umgewandelt worden. Gefühlt sind es wohl noch mehr, denn die „illegalen“ Parkplätze sind auch weg. Auf seinem Fahrrad, mit dem er gleich zur Arbeit fahren möchte, kritisiert ein anderer Anwohner, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, die Umgestaltung der Straße. Bislang habe er in zweiter Reihe anhalten können, um den Wagen auszuladen. Das gehe nun nicht mehr. Zwei andere „Blumensträßler“ monieren, dass die rustikalen und bepflanzten Sitzmöbel „Partyvolk“ anziehe, das abends Krach produziere.

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„Uns ging es zunächst einmal darum, die Bürgersteige frei zu räumen“, erklärt Stadtchef Eckart Würzner den Anwohnern, die am Montagvormittag vor der Landhausschule stehen und auf die bunten Tiere unter ihnen blicken. Außerdem sollte der schon länger verkehrsberuhigte Bereich vor der großen Grundschule des Stadtteils auch auf den ersten Blick als solcher erkennbar sein: „Sonst macht es keinen Sinn, den Verkehr zu überwachen, um die sieben Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit auch durchzusetzen“, erklärt der Oberbürgermeister.

60 Module für die Gestaltung

Eine Arbeitsgruppe der Stadt hat ein Konzept entwickelt, wie verkehrsberuhigte Zonen in ganz Heidelberg sicherer und lebendiger werden. Heidelberg ist eine von 15 Modellkommunen des Komptenznetzes „Klima Mobil“, das vom Bundeswirtschafts- und dem Verkehrsministerium im Zusammenhang mit der Klimaschutzinitiative gefördert wird. In der Blumenstraße und in fünf weiteren Stadtteilen greift die Stadt auf ein Baukastensystem mit 60 Modulen zurück, mit denen die jeweilige Straßensituation gestaltet wird.

In der Blumenstraße gibt es nicht nur Sitzecken aus Holz („Parklets“), sondern auch Blumenkübel, eine Station, an der man das Fahrrad aufpumpen kann, und die Sharing- Angebote aus dem Bereich Mobilität. Auf den Kreuzungen kamen aufgemalte Piktogramme dazu. Begeistert bepflanzten Kinder der Klasse 3c mit ihrer Klassenlehrerin Isabelle Brennecke, dem OB und dem Klimaschutz-Bürgermeister Holzkübel.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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