Heidelberg. „Yalla Yalla – Auf geht’s“: Dieses Plakat-Motto des unabhängigen Kandidaten Sassan Khajehali – dem eher Außenseiterchancen zugerechnet werden – gilt nun für die gesamte Stadt: Am Sonntag wird in Heidelberg gewählt. Wer mitbestimmen will, wer für die nächsten acht Jahre Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister sein wird, sollte sein Stimmrecht nutzen. Wahlberechtigt sind 107 500 Bürgerinnen und Bürger mit Wohnsitz in Heidelberg. Sollte keiner der neun Kandidaten eine absolute Mehrheit bekommen, was wahrscheinlich ist, entscheidet der zweite Durchgang (27. November).
Anders als 2014, als die Wiederwahl des Amtsinhabers Eckart Würzner quasi eine Formsache war und die Bestätigung im Amt mit 84 Prozent daherkam, gibt es nun Konkurrenz. Echte Schlachten indes blieben im Wahlkampf aus. Langer Atem war nötig: Wie wohl bei kaum einer Bürgerwahl vorher waren die Kandidaten außerordentlich gefragt. Neben gut einem Dutzend unterschiedlicher Podiumsdiskussionen, bei denen die Favoriten stets exakt genauso wenig Redezeit bekamen wie die eher exotischen, galt es, eine Reihe von multimedialen Kanälen zu bestücken. Kaum eine Interessengruppe, die nicht „Wahlprüfsteine“ auf alle Bewerberinnen ausrichtete, dazu Podcasts, Wahl-O-Maten, Videos und Schnellantwortrunden. Das Interesse blieb groß, so verfolgten in dieser Woche rund 400 Studierende den Austausch von Wahlaussagen im Hörsaal des Kirchhof-Instituts, zu dem der Studierendenrat eingeladen hatte.
Die Reihenfolge der Namen auf dem Stimmzettel am Sonntag ist nach Posteingang festgelegt – wobei die ersten vier Positionen ausgelost wurden, da die schnellsten Bewerbungen am Montagmorgen gleichzeitig aus dem Briefkasten geholt wurden. Björn Leuzinger („Die Partei“), Bernd Zieger („Die Linke“), Eckart Würzner (parteilos), Theresia Bauer (Grüne), Sofia Leser (unabhängig), Mathias Schmitz (unabhängig), Sören Michelsburg (SPD), Alina Papagiannaki-Sönmez („Heidelberg in Bewegung“) und Sassan Khajehali (unabhängig): In dieser Reihenfolge stehen die Namen auf dem Stimmzettel.
Ex-Ministerin gegen Amtsinhaber
Ehemalige Ministerin oder Oberbürgermeister? Viele Beobachter sehen die OB-Wahl am Sonntag auf dieses Duell konzentriert. Theresia Bauer (57), die im März als erste Herausforderin von Amtsinhaber Eckart Würzner (61) an die Öffentlichkeit getreten ist, hat für die Kandidatur ihren Chefinnen-Posten im baden-württembergischen Wissenschaftsministerium abgegeben. Vier Mal hat der deutsche Hochschulverband Bauer zur „Wissenschaftsministerin des Jahres“ erklärt. Sollte sie nicht Oberbürgermeisterin in Heidelberg werden, bliebe sie bis mindestens zum Ende der Legislaturperiode – also 2026 – Mitglied des Landtags in Stuttgart.
Für ihre Partei, die Grünen, hatte Bauer bei der Landtagswahl vor einem Jahr in Heidelberg mit 41,7 Prozent das landesweit drittbeste Ergebnis ihrer Partei geholt. Heidelberg wählte zuletzt sehr grün: Im Gemeinderat stellt Bündnis 90/Grüne die größte Fraktion; Franziska Brantner gewann das Wahlkreismandat bei der Bundestagswahl direkt.
Leinwand aufgebaut
107 500 Heidelbergerinnen und Heidelberger sind am Sonntag, 6. November, bei der OB-Wahl stimmberechtigt.
Die ersten haben ihr Kreuzchen bereits gemacht: Bis Freitagmittag waren 22 286 Briefwahlanträge bearbeitet worden.
Die Wahllokale sind ab 8 Uhr geöffnet und schließen um 18 Uhr. Ab 18 Uhr bietet die Stadt Heidelberg eine Ergebnispräsentation im Rathaus sowie per Livestream an.
Zwischen 19 und 19.30 Uhr verkündet Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck in seiner Funktion als Vorsitzender des Gemeindewahlausschusses das vorläufige amtliche Endergebnis.
Wer die Übertragung im Rathaus verfolgen möchten, darf ab 17.30 Uhr in den Großen Rathaussaal (2. Obergeschoss im Rathaus) dabei sein. Eine weitere Leinwand wird direkt vor dem Rathaus auf dem Marktplatz aufgebaut. miro
Der parteilose Würzner ist seit 16 Jahren Chef im Rathaus und gefühlt mit jedem Heidelberger und jeder Heidelbergerin per Du. Bei der jüngsten der alle zwei Jahre von der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag der Stadt erstellten „Heidelberg-Studie“ bewerten rund 65 Prozent der Befragten die Arbeit des Oberbürgermeisters mit „eher gut“, 20 Prozent teilen diese Meinung nicht, 15 Prozent machen dazu keine Angaben. Die Vorgängerstudie zeigte ähnliche Werte.
Der Familien- und Sportmensch Würzner schärfte sein Profil in mehreren Konflikten mit dem Land. So kippten Universität und Forschungseinrichtungen im Neuenheimer Feld die schon fertig ausgearbeiteten Pläne für eine Straßenbahn ins Neuenheimer Feld. Gesprächspartnerin in dieser Sache in Stuttgart war auch die bisherige Wissenschaftsministerin – die ihn nun im Rathaus ablösen möchte.
Zank mit dem Land
Das Ankunftszentrum in Patrick-Henry-Village (PHV), das als Übergangslösung mit großer Unterstützung der Stadt eingerichtet und aus stadtplanerischer Sicht bald eher zur „Hängepartie“ geriet, war der nächste Zankapfel. Aktuell lodert der Streit um die Nutzung des ehemaligen Gefängnisses „Fauler Pelz“ in der Altstadt. Die Konversion bot in den bisher zwei Amtsperioden Herausforderungen, aber auch viele Entwicklungschancen. Neben der CDU steht unter anderem die FDP hinter dem einstigen Umweltdezernenten, der sich seit Jahren auch auf Bundes- und internationaler Ebene für den Umwelt- und Klimaschutz einsetzt, etwa im Verbund der „Energy cities“.
Heidelberg ist statistisch gesehen die Stadt mit den jüngsten Einwohnern. Wie wird sich das im Wahlergebnis ausdrücken? Rund 30 000 Studierende gibt es in Heidelberg. Gut die Hälfte, so die Schätzungen, dürfen mitwählen.
Der Sozialdemokrat Sören Michelsburg trat im Juni in den OB-Wahl-Ring. Der 33-Jährige, der in Reutlingen geboren und durch sein Studium 2010 nach Heidelberg gekommen ist, hatte sich einen ambitionierten Wahlkampf vorgenommen, wollte mit seinem Team an 50 000 Haustüren klingeln und auch dort erfragen, was Bürgermeinung ist. Starkmachen möchte er sich vor allem für bezahlbaren Wohnraum. Aber auch die Unterstützung der Seilbahn-Idee, die das Neuenheimer Feld zusätzlich erschließen soll, sowie die Forderung, den alten Karlstorbahnhof zum neuen Jugendzentrum zu machen, bleiben im Gedächtnis. Die DJane und Unternehmerin Sofia Leser steht wie Björn Leuzinger („Die Partei“) ebenfalls für eine jüngere Generation.
Konsequent links hat Bernd Zieger, Stadtrat der Linken-Partei, seinen emsigen Wahlkampf betrieben. Im Rennen um die meisten Wählerstimmen wird sich der passionierte Langstreckenläufer aber vermutlich eher hinten anstellen müssen. „Wer weiß das schon vor der Wahl“, versteht sich Zieger indes selbst nicht als Außenseiter-Kandidat.
Sassan Khajehali, der den markigen Türkisch-Slogan auf seine Plakate drucken ließ, möchte nach eigenen Angaben vor allem die Blicke darauf lenken, dass auch Minderheiten die Stadt ausmachen. Echte Chancen rechnet er sich genauso wenig aus wie die Alina Papagiannaki-Sönmez („Heidelberg in Bewegung“) und Mathias Schmitz. Sie alle sorgten mit für einen bunten, lebendigen Wahlkampf. Alla hopp – los geht’s!
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