Walldorf. Mit dem Frühling kehrt in Walldorf ein Thema in die Debatte zurück, das im vergangenen Jahr für heftige Auseinandersetzungen zwischen Tierschützern einerseits und Artenschützern andererseits gesorgt hat. Und das weit über die Grenzen der Stadt hinaus. Hier die in ihrer Existenz bedrohte Haubenlerche, dort die gefräßige Hauskatze, aber auch Füchse und Marder.
Um die selten gewordene Vogelart zu schützen, wurde Besitzern von Stubentigern per Allgemeinverfügung untersagt, ihre Tiere in die freie Wildbahn zu entlassen. Das steht den leidgeprüften Katzenhaltern auch heuer wieder bevor. Ab 1. April greift die Untere Naturschutzbehörde, die beim Rhein-Neckar-Kreis angesiedelt ist, wieder zu jenem Mittel, das unter dem Schlagwort Katzenlockdown Menschen in der gesamten Republik hellhörig gemacht hat. Bis zum 31. August sollen die Samtpfoten im Walldorfer Süden erneut unter Arrest stehen. Warum das alles? Weil der Bestand der Haubenlerche in den vergangenen Jahren von fünf auf nur noch zwei Brutpärchen gesunken war.
Keine Katze mit Vogel ertappt
Dass eine oder mehrere Katzen dafür konkret verantwortlich sind, wurde zumindest auf dem 15 Hektar großen Gebiet in Walldorf bisher nicht in flagranti nachgewiesen, wie Andreas Ness vom Heidelberger Büro für Umweltstudien auf Anfrage dieser Redaktion bestätigt. Aber: Nach dem Ausgangsverbot im vergangenen Jahr gebe es jetzt acht Jungvögel, die flügge geworden seien, so der Sachverständige.
Diese Katzen dürfen raus
- Wer per GPS-Tracker am Halsband nachweisen kann, dass die Katze das betreffende Gebiet vier Wochen nicht betreten hat, ist befreit.
- Wer über eine sichere Einzäunung des Gartens verfügt, darf seine Katze rauslassen.
- Katzen, die an der Leine sind.
- Wer eine Invalidität seiner Katze nachweisen kann, darf sie in den Garten schicken. sal
Wie viele Brutpaare daraus entstehen, werde man beobachten. Katzenhalter und Kritiker der Allgemeinverfügung machen derweil ihrem Ärger Luft und führen die zunehmende Bedrohung der Haubenlerche ausschließlich auf das sich seit 2013 sukzessive ausbreitende Neubaugebiet zurück. Das zugespitzte Argument: Der Mensch habe dem Tier den Lebensraum genommen, nicht die Katze habe die Tiere gelyncht.
Das Medieninteresse war jedenfalls groß, als sich am Mittwochmittag im Walldorfer Rathaus die gesamte Nomenklatura badischer Verwaltungskunst wegen der Haubenlerche die Ehre gab. Die Karlsruher Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder (CDU), Landrat Stefan Dallinger (CDU) und Bürgermeister Matthias Renschler (FDP) sagten in TV-Kameras und Radiomikrofone, wie sehr sie die schwierige Situation der Katzenhalter verstehen und nachvollziehen könnten. Im selben Atemzug verteidigten jedoch alle die getroffenen Maßnahmen. Schließlich - und das war der Tenor - sei die Haubenlerche in Walldorf ungefähr das, was der Berggorilla für die Tierwelt Ostafrikas ist. Hier sei Artenschutz vor Ort konkret notwendig, so der Landrat. Der Katzenlockdown sei rechtsgültig und es bestehe ein gewichtiges Gemeinwohlinteresse am Überleben dieser Vogelart.
Ziel: Fünf Brutpaare
Der Walldorfer Bürgermeister Matthias Renschler erklärte derweil den seit 2015 nicht ganz geglückten Versuch der Stadt, den Schwerpunkt des Brutgebiets der Haubenlerche in angrenzende landwirtschaftlich genutzte Bereiche zu verlagern, also weg aus dem Neubaugebiet, das 2013 erschlossen wurde, als die Haubenlerche schon da war. Zwar habe es in diesem Zeitraum immer wieder erfolgreiche Bruten gegeben, aber letztendlich hätten nur sehr wenige Jungvögel überlebt.
Nicht zuletzt dieser Umstand habe die demnächst wieder geltenden Regeln als flankierende Maßnahme notwendig gemacht. Landrat Dallinger ist überzeugt, dass der Erlass vom 14. Mai 2022 hilfreich war und ist. „Wir konnten im vergangenen Jahr beobachten, dass die Maßnahmen die erhoffte Wirkung zeigten“, sagte er angesichts der genannten acht flügge gewordenen Vögel.
Nach den aktuellen Roten Listen in Baden-Württemberg und in Deutschland ist die Haubenlerche in die höchste Gefährdungskategorie eingestuft. „Die Brutvorkommen konzentrieren sich ausschließlich auf den Regierungsbezirk Karlsruhe und hier auf den Bereich zwischen Karlsruhe und Mannheim“, erläuterte Regierungspräsidentin Felder. Sie machte keinen Hehl daraus, dass für den Fortbestand der Art auf das Überleben jedes einzelnen Jungvogels ankomme und man deshalb auch zu drastischen Maßnahmen greife. Dazu gehöre auch das Aufstellen von Lebendfallen und der Abschuss von Elstern oder Füchsen.
Tierschützer und Katzenhalter empören sich unterdessen weiter. „Die Verfügung ist irrwitzig, kurzsichtig und löst das eigentliche Problem nicht“, kritisiert der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder. Gegen die Allgemeinverfügung gab es 39 Widersprüche. Ein Widerspruchsführer hat Klage erhoben. Von dem Ausgang des Verfahrens erhofft sich der Landrat eine zusätzliche Bestätigung seines Verwaltungshandelns.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Darum sollten Katzen immer Stubenarrest haben