Gespräch

Torch begrüßt Würdigung des Heidelberger Hip-Hop als Kulturerbe

Der Pionier des deutschsprachigen Rap mit Substanz findet gut, dass bei der Anerkennung seines Genres als Immaterielles Kulturerbe die gesamte Vielfalt der Hip-Hop-Kultur gesehen wurde

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Die Ikonen des Heidelberger Hip-Hop: Toni L (l.) und Torch, Gründer von Advanced Chemistry, verkörpern seit Mittwoch ein Immaterielles Kulturerbe der Unesco. © Mateusz Goliath

Heidelberger Hip-Hop ist nicht allein: Der Zirkus, der Spreewaldkahn, das Steigerlied, niederbayerisches Englmarisuchen, Vorpommersche Fischerteppiche, Handweberei, die Kindergartenidee nach Friedrich Fröbel - sie gehören seit Mittwoch auch zu den 13 Neuzugängen unter 144 Formen gelebter Kultur in Deutschland im Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der Unesco.

Würdigung auch immateriell

Die hiesigen Vertreter der Weltkulturorganisation stufen diese sehr, sehr unterschiedlichen Ausdrucksformen, die von Wissen und Können getragen, über Generationen weitervermittelt und stetig verändert werden, als erhaltenswert ein. Das ist und klingt großartig. Es bleibt aber ähnlich wie die Netzwerk-Titel Unesco City Of Music oder Literature symbolisch. Außer dem Gewicht der Vokabel Kulturerbe fließt den Protagonisten nichts zu.

2002 unterstützte Torch (links) seinen Ex-Bandkollegen Toni-L bei der Vermarktung seines Soloalbums "Der Funkjoker". Bild: Rothe © Philipp Rothe

Kein kommerzielles Kalkül

Trotzdem bemisst Frederik Hahn alias Torch, einer der Gründerväter des Heidelberger Hip-Hop, dieser immateriellen Ehre auf Anfrage großen Wert zu - passend zum 50. Geburtstag des Genres in diesem Jahr, wie er betont: „Das ist eine Würdigung für die Kultur an sich, die bis jetzt das Problem hatte, dass sie in der Unterhaltungsbranche verortet war.“ Dort gehe es oft nur um Verwertbarkeit. Das heißt: „Man hat sich die Teile und Player, die kompatibel sind, herausgesucht.“ Das ist beim aktuellen Votum der Kultusministerkonferenz mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth, differenzierter: Es beschränkt sich nicht nur auf Rap-Musik oder ihren Verbund mit Breakdance und Graffiti, sondern nimmt auch Aspekte wie Deejaying, Beatboxing, Cyphers, Jams sowie Freestyle in den Fokus, die längst im gesamten deutschsprachigen Raum gelebt werden.

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„In dem Kontext verstehen Leute vielleicht jetzt besser, dass wir unsere Jams immer noch machen und dort alle diese Elemente zelebrieren und deswegen nicht irgendwie von gestern sind. Weil sich dort die Hip-Hop-Generationen begegnen und unsere Kultur gefeiert wird - und nicht der Erfolg Einzelner“, so Torch, der seit fast 30 Jahren das Label 360 Grad Records betreibt und als DJ Haitian Star aktiv ist.

Für den Rapper mache es einen großen Unterschied, ob er persönlich von seiner Heimatstadt wie 2021 zum 50. Geburtstag mit Festwoche und Richard-Benz-Medaille geehrt werde (hier unser Interview dazu) beziehungsweise ein riesiges Torch-Konzert mit 1000 Leuten veranstalte - „oder ob wir unsere Hip-Hop-Jams machen, wo gefreestyled und getanzt wird“. Hier stößt man dann auf das materielle Problem des Immateriellen Kulturerbes. Denn statt der üblichen ein bis zwei Jams pro Jahr findet sich 2023 im Terminkalender der Heidelberger Halle02: nichts. „Wir sind - gerade jetzt nach Corona - offen für Kooperationen.“ Von außen fragt man sich, warum Heidelberg dieses strahlkräftige Erbe nicht über das Hip-Hop-Archiv strukturell stärker unterstützt.

Geburt von Rap mit Substanz

Die Anerkennung für das, „was wir mit sehr viel Herzblut, Kraft, Energie, Zeit und Leben schaffen, finde ich gut“, befindet der Rapper. Das Genre sei schon seit 2001 Teil des globalen Kulturerbes. „Jetzt hätte man die ganze deutsche Hip-Hop-Kultur anerkennen können, wir Heidelberger wollten eigentlich nicht für andere sprechen“, so Torch. Glücklicher findet er, „dass bestimmte Punkte, die mit uns zu tun haben, jetzt gesehen werden: Advanced Chemistry - alle reden darüber. Aber die Leute begreifen gar nicht, wie wichtig die Band für das Genre an sich war.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Vorher habe es hierzulande keinen Rap mit Substanz gegeben: „Das war die Geburt des Conscious Rap, einer Route, der dann viele gefolgt sind. Oder, dass ich der erste Freestyle-Rapper bin. Das war eine Innovation, die jetzt im ganzen Land praktiziert wird. Das hat ein Gewicht, das bislang von vielen belächelt oder gar nicht gesehen wurde.“ Das werde jetzt gewertschätzt.“

Ressortleitung Stv. Kulturchef