Unterhaltung

So gelingt Tristan Brandt das moderne Moulin Rouge der Metropolregion

Vorweg: Es ist ein in dieser Form einmaliges Event. Bei Tristan Brandts Extra-Einlage im Winter-Varieté in Heidelberg läuft das Essen der Show den Rang ab. Aber es gibt auch begeisternde Auftritte - etwa von Anna Cabaret

Von 
Stephan Alfter
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Pulsierender Auftritt zu Beginn des Programm im Winter-Varieté mit Tristan Brandt & Friends in Heidelberg. © Axel Heiter

Heidelberg. Ungefähr zu dem Zeitpunkt, als am Sonntagabend in der ARD der Tatort begann, da hatten Tristan Brandt und seine zum Teil aus dem Fernsehen bekannten Kochkollegen den schwierigsten Fall schon gelöst. Feinste Kreationen aus Lachsforelle, Blumenkohl und Dill-Eis (!) lagen auf den kunstvoll angerichteten Tellern der rund 300 Gäste, die sich unter dem Zeltdach auf dem Heidelberger Meßplatz am Kirchheimer Weg eingefunden hatten.

Robert Rädel hatte den ersten Gang mitsamt farblichem Komplementärkontrast auf den Tisch gezaubert. Der Mann, der aus der Heidelberger Ausnahmegastronomie „Oben“ vom Königstuhl gewissermaßen nach unten geschwebt kam, sorgte für den ersten himmlischen Moment des Abends. Und während bei den Gästen die ersten Geschmacksnerven im Samba-Rhythmus zuckten, explodierte auf dem Laufsteg mit Anna Cabaret eine Frau, die stimmlich Lada Gaga, Madonna und Britney Spears in einer Person verkörpert und diesen drei Ikonen des Pop die laszive Leichtigkeit einer Marylin Monroe hinzufügt. Eine wahnsinnige Präsenz bringt sie mit.

Ergo: „WinterVarieté by Tristan Brandt“ - so offizielle Schreibweise und Titel - ist schon vor Beginn der offiziellen Spielzeit am Donnerstag, 28. November, ein veritabler Kassenschlager und ein Erfolg für die KS Eventproduktionen GmbH aus Ladenburg und ihren Geschäftsführer Florian Keutel. Nicht umsonst wurde die Spielzeit schon vor dem Start der Reihe bis 1. Februar ausgedehnt (wir berichteten). Die Buchungszahlen geben es her. Der mehr als vierstündige Veranstaltungsabend mit einem ausnahmsweise auf vier Gänge erweiterten und mit Hilfe von Brandts Freunden aus ganz Deutschland kreierten Menü folgte einem quasi göttlichen Plan, der bis zur Auswahl der Weine aufging.

Man muss sich lediglich mal überlegen, wie viele Zahnräder ineinandergreifen müssen, um alleine eine derartige Anzahl an exakt dekorierten Tellern gleichzeitig zu kredenzen und in einer entsprechenden Temperatur an den Tisch zu liefern. Da regiert die Logistik. Tristan Brandts innen rosa gebratene Kalbsbäckchen mit Sellerie an einer formidablen Sauce mit Trüffel und Parmesan seien hier explizit hervorgehoben. Mike Süsser, einer von Brandts Kompagnons seit vielen Jahren, gab zu, noch nie an einem wahrhaftigen Fließband gearbeitet zu haben. Dass Fließband und Qualität sich nicht per se gegenseitig ausschließen - dieser Beweis wurde unter dem Zeltdach eindrucksvoll erbracht.

Wow-Effekte für alle Sinne: Was sind die Ticket-Preise?

Freilich kann man in einem Varieté-Zelt nicht die lauschige Privatsphäre eines Sterne-Restaurants wie Opus V in Mannheim oder L.A. Jordan in Deidesheim erwarten. Zumal nicht, wenn Herr und Frau Alansia als gelenkiges Duo nur knapp bekleidet im Trapez-Spagat - und dann auch noch küssend - vier Meter über dem Dessert-Teller hängen.

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Aber deshalb heißt es ja auch Varieté. Die Wow-Effekte sind insofern allen Sinnen gleichzeitig geschenkt. Das darf man auch erwarten bei Preisen - je nach Platz und Wochentag - zwischen 109 und 169 Euro. An Silvester sind es zwischen 199 und 249 Euro pro Person.

Kleine Abstriche werden einige Besucher schon machen müssen, weil ja nicht automatisch jedem alles gefällt. Geschmäcker - das ist trivial - sind verschieden. Daniel Golla und sein ferngesteuertes Modellflugzeug, das er viele Minuten lang über den Köpfen der Gäste im Zelt kreisen lässt, riss am Sonntag insofern jetzt nicht alle total Anwesenden total vom Hocker. Auch wenn er selbst sichtlich Spaß hatte. Derek Scott, eine Art Körperclown, hat humortechnisch in seinem Leben hoffentlich auch schon witzigere Einlagen präsentiert, als das Klatschorchester, das er mit dem Publikum gemeinsam auf die Beine stellen wollte. Dass eine gelenkige Frau in einen Kasten steigt, in dem sie zerteilt werden könnte und aus dem sie dann - potzblitz - verschwunden ist, war bei Stars in der Manege im Jahr 1989 schon keine ganz taufrische Zirkusnummer mehr. Insofern erinnert vieles an Varieté aus den Anfangszeiten des Moulin Rouge - ein modernes Moulin Rouge freilich, denn LED-Technik in dieser Qualität war weder im ausgehenden 19. Jahrhundert und auch nicht vor 20 Jahren bühnentauglich. Heute bereichern diese großformatigen Leinwände die Show ungemein, weil sie die Dimensionen der zu erzählenden Bühnengeschichten schlichtweg erweitern. Paul Ponce schaut man indessen auch ohne Leinwand gerne zu, weil er ein perfekter Handwerker ist und Unterhalter ist. Seine Jonglage mit Bällen, Keulen und Hüten ist mitreißend, obwohl ganz und gar nicht modern. Der Mann macht Spaß.

Stechschritt und Friedenslied: Wie passt das zusammen?

Weniger spaßig und vielleicht - in Zeiten dramatischer Kriegsszenen im Nahen Osten und in der Ukraine - sogar unsensibel kommt der Tanz-Act salutierender Damen in Uniform daher. Die Assoziation drängt sich nicht jedem Besucher sofort auf, aber es wirkt umso ironischer, wenn zum Ende des Programms Anna Cabaret den John-Lennon-Song „Imagine“ anstimmt, der von einem friedlichen Leben auf der Erde träumen lässt. Und alle singen mit, die zuvor im Marschschritt der uniformierten Girls mitgeklatscht haben. In Sachen Essen findet der Abend ein weniger nachdenkliches Ende: Es gibt Schokoladenkuchen und Haselnusseis - made by Nico Burkardt. Applaus, Applaus, Applaus.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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